1541-42 - Juan de Castro
Von Goa ins Rote Meer
Den 31. des Christmonats gingen sie mit Aufgang der Sonne aus dem Hafen von Goa und richteten ihren Lauf gegen die Meerenge von Mekka. Der Wind kam vom Lande und blies aus Osten.
Den 13. Januar 1541 frühmorgens sahen sie eine große Menge Moos, das auf den Seeklippen wuchs, und bald darauf eine Schlange. Bei Aufgang der Sonne entdeckten sie das Eiland Sokotra, welches zu finden sie ihren Weg gerade nach Süden genommen hatten. Don Johann erkundigte sich an eben dem Tage, da sie dasselbe entdeckten, bei den vornehmsten Steuerleuten auf der Flotte, wie weit sie ihrer Rechnung nach vom Land entfernt wären. Der erste Steuermann rechnete auf 90 Meilen, der Steuermann von dem Kriegsschiff Bufora auf 100 und etliche; und andere auf 80 Meilen; diejenigen, die der Wahrheit noch am nächsten kamen, rechneten 70 Meilen, seinen eigenen Steuermann ausgenommen, der nur 65 Meilen gab. Sie verwunderten sich alle, wie der Irrtum so groß sein konnte, und wandten ein (entweder, weil es sich in der Tat so verhielt, oder um nicht zu Schanden zu werden), daß der Weg kürzer wäre, als ihn die Karten machten. Ihnen stimmten die indianischen Steuermänner bei und behaupteten, daß es von Goa nach Sokotra nicht mehr als 300 Meilen wären.
Sokotra hat 20 Meilen in der Länge und neun in der Breite und liegt im zwölften Grad vierzig Minuten Nordbreite. Die Nordseite erstreckt sich nach Osten und Westen und weicht nur etwas nach Nordwest und Südost ab. Die Küste ist von Klippen, Untiefen oder anderen Hindernissen der Schiffahrt völlig frei. Der Grund der Reede ist Sand und an einigen Orten steinig, doch nicht so, daß er die Ankertaue abreißen sollte. Dessen ungeachtet ist kein Hafen oder anderer Platz auf der ganzen Insel, wo die Schiffe sicher überwintern könnten. Auf dieser Seite weht der Bordwind so heftig, daß er große Haufen Sand auf die höchsten Berge treibt. Die Küste ist sehr hoch und mit großen und rauhen Gebirgen umgeben. Die Zeit der Ebbe und Flut ist hier gegen die indianische zu rechnen umgekehrt.
Die Einwohner von Sokotra sind Christen, und ihren Angaben nach durch den heiligen Thomas bekehrt worden. Sie haben auf der ganzen Insel Kirchen, in denen keine heidnische Gottheit, sondern ein Kreuz zu finden ist, für das sie eine große Ehrerbietung haben, so, daß nicht leicht jemand unter ihnen sein wird, der nicht ein Kreuz am Halse trägt. Der Verfasser zog die Nachricht ein, daß ihre Gebete in der chaldäischen Sprache abgefaßt werden. Sie bedienen sich der christlichen Namen, wie Johann, Peter, Andreas, und ihre Weiber heißen gemeiniglich Maria.
Der Zustand dieses Volks ist sehr sonderbar; denn sie haben keinen König, Gesetzgeber, Bischof oder andere Personen, denen sie unterworfen wären, sondern leben nach Art der wilden Tiere, ohne sich um Gerechtigkeit oder eine Regierung im geringsten zu bekümmern. Auf dem ganzen Eiland ist weder Stadt noch Flecken, sondern die meisten Leute wohnen in Höhlen oder etlichen wenigen, mit Stroh bedeckten Hütten, deren eine von der anderen abgesondert ist. Ihre Speise besteht aus Fleisch und wilden Datteln. Sie trinken Milch und selten Wasser. Sonst ist dieses Volk das beste unter allen in diesen Gegenden. Ihre Körper sind lang und wohlgewachsen. Ihr Gesicht ist wohlgebildet, die Haut schwärzlich. Ihre Weiber sind etwas weißer, und sehen ganz schön aus. Sie habe keine Art von Waffen, weder zur Verletzung noch zur Verteidigung, als gewisse sehr kurze Schwerter von starkem Eisen. Die Mannspersonen gehen nackt, und bedecken nur ihre Scham mit einem Stücke Kambolis, eine Art von Zeug, wovon eine große Menge auf dieser Insel verfertigt wird.
Das Land ist durch und durch bergig und von Natur arm, bringt weder Weizen noch Reis noch anderes Getreide oder Dinge, die zur menschlichen Bequemlichkeit gehören, hervor, außer Drachenblut und Aloe, die in großem Überfluß vorhanden ist und über alles geschätzt wird. Dieser Mangel ist, wie Don Johann glaubt, nicht dem Erdreich, sondern der Nachlässigkeit und der Unwissenheit der Einwohner zuzuschreiben. Denn der innere Teil der Insel sieht sehr fruchtbar aus und hat viele Täler und Ebenen, die zum Anbau geeignet wären. Doch findet man alle Arten von zahmem Vieh, das an anderen Orten gezogen wird, hier in Menge. Dieses Volk hat nicht die geringste Schiffahrt, gibt sich auch nicht die Mühe, die Fische zu fangen, die an der Küste ganz unzählig sind. Das Land erzeugt sehr wenig fruchtbare Bäume, unter denen der Palmbaum der vornehmste ist, der auch den Einwohnern den meisten Teil ihrer Nahrung verschafft. Es trägt hingegen alle Arten von eßbaren und für Arznei dienlichen Pflanzen; denn die Berge sind mit Basilico und andern aromatischen Kräutern bedeckt.
Den 27. Januar des Morgens bekamen sie Aden zu Gesicht, sechs Meilen gegen Nordwest, und wurden inne, daß das Land, das sie den Tag zuvor gesehen und für eine Insel gehalten, der Berg Aden wäre. Das Gebirge ist sehr hoch und schön, an allen Seiten aber steil und rauh, und hebt sich mit einigen spitzen sehr hoch in die Höhe und ist in allen Stücken dem Berg Sintra ähnlich. Es erstreckt sich in die See und formiert ein sehr langes und großes Vorgebirge. Alsdann zieht es sich eine gute Ecke zurück, wodurch zwei breite Häfen gemacht werden. An einem von diesen, dem gegen Osten, liegt die mächtige Stadt Aden, die erst vor drei Jahren durch des Pascha Solimans Treulosigkeit in türkische Hände gefallen ist.
Der arabische Meerbusen, der gemeiniglich das Rote Meer genannt wird, nimmt in dieser Gegend des Ozeans seinen Anfang. An der Seite von Afrika ist das Vorgebirge Guardafui, vor alten Zeiten Aromata, und an der Seite von Asien das Vorgebirge Fartak, ehemals Siagros, in Arabien seine Grenzen; und ungefähr vierzig Meilen davon entfernt endet es bei Sues, der alten Stadt der Helden. Von diesem Vorgebirge laufen die Küsten westwärts bis nach Aden und Zeyla, welch letzteres den Abessiniern gehört. Von da rücke sie immer näher und näher zusammen, wo das Land an beiden Seiten wüst ist, und wenig Krümmungen hat, bis sie endlich in der Meerenge des arabischen Meeres mit zwei Vorgebirgen nahe zusammenkommen. Das auf der arabischen Seite hieß früher Possodium. Von dem auf der äthiopischen Seite aber ist dem Verfasser sowohl der alte als auch der neue Name unbekannt geblieben. Dieses ist die engste Gegend in dem ganzen Meerbusen. Dieser Eingang wird von den umher lebenden Völkern und von den Indianern Albabo genannt, welches im Arabischen die Tore oder die Mündung bedeutet. Es ist sechs Meilen breit und voll kleiner Eilande und Felsen, so, daß man auf den Gedanken kommen möchte, daß der Paß ehemals mit Fleiß verlegt worden sei. Diese Inseln sind so voller Buchten, Anfahrten und Winkel, und in den Kanälen fließt eine solche Menge Wasser, daß nicht anders daselbst zu schiffen ist, als ob man auf dem ungestümsten Teil des Ozeans führe.
Das Vorgebirge an der arabischen Seite, das sich außerhalb des Eingangs der Meerenge mit einer sehr großen Spitze tief in die See erstreckt, und daselbst eine breite Bai macht, scheint den Ankommenden eine Insel zu sein. In einer großen Entfernung vom festen Land und etwas über einen Steinwurf von diesem Vorgebirge liegt die Robons-Insel. Robon oder Ruban bedeutet im Arabischen einen Steuermann; denn hier wohnen diejenigen, welche die Schiffe begleiten und sie an Ort und Stelle führen. Dieses Eiland, das eine halbe Meile im Umfang hat, ist rund und sehr flach. Von dort aus kann man, wenn das Wasser niedrig ist, an Land waten. Eine Meile weit, tiefer in der See, liegt eine andere Insel, die anderthalb Meilen in der Länge hat. Daselbst ist an der Seite von Abessinien ein ganz geräumiger Hafen, wo eine große Schiffsflotte vor allen Winden sicher liegen kann. Doch auf der arabischen Seite ist weder Anfahrt noch sonst etwas, wo sich die Schiffe bergen können.
Diesen Kanal kann man in der Mitte sicher passieren, wenn man seinen Lauf Nordwest gen West oder Südost gen Ost nimmt. Denn hier ist das Wasser durchgängig elf Faden tief. Man kann auch ebenso gut näher an der Insel oder am festen Lande fahren; weil das Wasser überall von seichten Gegenden oder anderen Hindernissen frei ist. Der Grund ist weicher Stein, den sie Korallen nennen; so, daß man fast niemals einen sandigen Boden antreffen wird. Wenn man tief in den Kanal hineingefahren ist, und eine Bedeckung vor dem Ostwind suchen will, der hier sehr heftig ist, so verringert sich die Tiefe etwas, ist aber niemals unter neun Faden.
Außer diesem Kanal bei Arabien sind noch verschiedene andere, durch welche man sich sicher in die Meerenge begeben kann. Doch wie der Verfasser sagt, ist nur einer vor den anderen berühmt, welcher der Kanal von Abessinien heißt. Zwischen der Insel an den Toren und dem abessinischen Vorgebirge, welche Weite beinahe fünf Meilen ausmacht, liegen noch sechs andere Inseln. Weil dieselben sehr groß und hoch sind, so setzt ihr erster Anblick die Schiffer in Schrecken, daß sie zweifeln, ob noch auf dieser Seite ein Durchgang zu finden sei. Es sind aber in der Tat breite und tiefe Kanäle dazwischen, die ohne die geringste Gefahr durchschifft werden. Man kann sie auch alle miteinander zur rechten Hand liegen lassen und zwischen ihnen und der Küste von Abessinien durchfahren.
Den 29. gegen Mittag fand Johann die Breite von dem Eingang der Meerenge und dem arabischen Vorgebirge auf 12 Grad 15 Minuten. Und weil sein Steuermann eben diese Höhe an Land fand, so muß die Bestimmung vollkommen richtig sein. Zwei Stunden nach Mitternacht verließen sie diese Meerenge. Am Morgen konnten sie beide Küsten sehen, obwohl sie sich näher an der abessinischen befanden. Zwischen dieser und dem ersten Eiland segelten sie Nordwest gen West, weil der Wind bis um Mittag heftig aus Osten blies. Diese Küste war den Portugiesen gänzlich neu und ihnen zuvor unbekannt. Ihre Entfernung vom Land war ungefähr vier Meilen. Eine Stunde nach Aufgang der Sonne sahen sie eine Reihe kleiner Inseln, die meistenteils sehr niedrig waren. Sie lagen längs der Küste in Einer Länge sechzig Meilen und erstreckten sich nach der Lage derselben nach Nordwest und Südost. Diesen Kanal von Abessinien segelten sie mit gutem Winde und hatten den ganzen Weg hindurch auf beiden Seiten Inseln.
Es segelt niemand hier bei Nacht oder ohne den Wind im Rücken zu haben. Denn wenn der Wind sich wendet, so können sie sich nirgends helfen, und haben keine Reede, wo sie sich vor Anker legen könnten. Wenn sie am Ende des ersten Eilandes sind, unter denen, die mitten in der See liegen, so sehen sie auf der Seeseite neun andere kleine Inseln. Und wenn sie bei diesen vorbei sind, so wird die See wieder frei und offen. Aber gegen die Küsten zu sind die Eilande sehr zahlreich. Einige davon liegen zwei Meilen vom Ufer ab. Die Länge des Kanals, welchen die ersten drei Eilande und das Land machen, beträgt beinahe acht Meilen. Das sicherste ist, sich näher an dem festen Lande als an den Inseln zu halten Doch der Verfasser meint, daß sich niemand ohne Beihilfe eines Lotsen, der selbst aus der Gegend ist, hineinwagen soll.
Juan de Castro
Reise des Don Stephano de Gama aus Goa nach Suez ...
in: Allgemeine Historie der Reisen zu Wasser und zu Lande
1. Band, Leipzig 1748