Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1765 - Carsten Niebuhr
In Muscat

Maskat gehört einem unabhängigen arabischen Prinzen, der in Rostaq residiert und sich Imam von Oman nennt. Die Einwohner dieser Provinz sind Mohammedaner. Sie halten also den Koran für ihr vornehmstes Gesetzbuch. Aber sie bekennen sich zu einer Sekte, die sich Abadi oder Beiasi nennt, die zwar aus den arabischen Schriftstellern schon längst bekannt, von den europäischen Reisenden aber meines Wissens gar nicht bemerkt worden ist. Keine von den mir bekannten Mohammedanern machen so wenig Pracht und leben so mäßig wie die Beiasi. Sie rauchen keinen Tabak, sie trinken nicht einmal Kaffee, und also noch viel weniger starke Getränke. Der Vornehme kleidet sich hier nicht prächtiger als der Geringere, außer daß er vielleicht einen feineren Turban auf dem Kopf und einen kostbareren Säbel an der Seite oder Messer vor dem Leibe hat. Sie lassen sich nicht leicht von heftigen Leidenschaften hinreißen. Sie sind höflich gegen Fremde und erlauben ihnen, in Maskat ungestört nach ihren eigenen Gesetzen zu leben. Statt daß die Banianen wie im Jemen gezwungen sind, ihre Toten zu begraben, können sie sie hier verbrennen; und wenn die Juden in den übrigen Ländern der Mohammedaner genötigt sind, sich durch ihre Kleidung von anderen Nationen zu unterscheiden, so dürfen sie sich hier ganz wie Araber kleiden. Wenn in den Ländern der Sunniten ein Banian, Jude oder Christ bei einer Mohammedanerin getroffen wird, so muß er Mohammedaner werden oder wenigstens eine große Geldstrafe bezahlen. Bei den Beisiten zu Maskat aber bekümmert die Regierung sich darum nicht, sofern der Fremde sich nur an solche Weibsleute wendet, von denen bekannt ist, daß sie sich sonst auch den Mohammedanern für Geld überlassen. Von diesen liederlichen Weibsleuten wohnt eine ganze Menge in einem besonderen Quartier außerhalb der Stadt. Übrigens ist die Polizei hier so vortrefflich, daß man gar nichts von Diebstahl hört, obwohl es nicht selten ist, Kaufmannswaren viele Wochen lang auf der Straße liegen zu sehen. Niemand darf in Maskat des Nachts ohne Leuchte auf er Straße erscheinen. Und damit kein Zoll hinterzogen wird, darf nach Sonnenuntergang kein Boot an Land kommen, ja nicht einmal von einem Schiff zum anderen gehen.
   Der Imam hat in dieser Stadt einen Wali oder Kommandanten und einen Wekil oder Zolldirektor, unter dem auch alle Fremden und Kaufleute stehen, und einen Kadi. Die Anzahl der Banianen oder Inder, Kaufleute wie Bediente, die sich hier aufhalten rechnet man auf 1.200 Menschen. Juden wohnen hier nur sehr wenige und gar keine Europäer.
   Maskat ist sowohl durch Natur wie Kunst gut befestigt. Auf und an den steilen Klippen zu beiden Seiten des Hafens, in dem auch die größten Schiffe vor allen Winden sicher vor Anker liegen können, sind verschiedene Batterien und Kastelle, die stark mit Kanonen besetzt sind. Die Stadt ist von einer Mauer umgeben, die zwar nur schwach ist, aber acht Türme oder Batterien mit Kanonen hat. Am schwächsten ist sie an der Nordwestseite. Denn hier ist in der Stadtmauer ein großes Gitter aus Holz, um dem Wasser, das in der Regenzeit mit großer Gewalt von den umliegenden Bergen herabstürzt, Ablauf zu verschaffen. Weil die hiesigen Einwohner noch weniger Pracht und Bequemlichkeit suchen als andere Mohammedaner, so sind ihre Häuser durchgehend nur schlecht. Sogar die zwei Moscheen sind nur klein und dunkel und haben kein Minarett. Die besten Gebäude in der Stadt sind zwei portugiesische Kirchen, von denen eine jetzt die Wohnung des Wali und die andere ein Warenlager ist.
   Außerhalb der Stadt ist eine ziemlich große Ebene mit einigen Gärten, die in der heißen Jahreszeit wegen des Schattens, den man von Dattel- und anderen Bäumen haben kann, angenehm genug sind. Kunst aber muß man hier gar nicht erwarten. Um die Häuser außerhalb der Stadtmauer, die man eine Vorstadt von Maskat nennen kann, sind, wie ein Teil der Häuser in der Stadt, lauter schlechte Hütten, mit Matten bedeckt. Alles ist von Natur gut befestigt. Die Ebene ist von kahlen und steilen Klippen umgeben und hat nur drei schmale Eingänge, die leicht verteidigt werden können.
   Am Fuß eines Berges ist ein Brunnen, der Maskat in der trockenen Jahreszeit mit frischem Wasser versorgt. Dieses wird hier sehr mühsam von einem Ochsen in einem großen ledernen Sack in die Höhe gezogen, in einen Wasserbehälter geschüttet und durch Rohre bis zum Hafen geleitet. Auch diese Wasserleitung scheint ein Werk der Portugiesen zu sein. In beiden Kastellen sind große Wasserbehälter, die immer mit Wasser gefüllt gehalten werden.
   Andere Reisende haben versichern wollen, daß es in Maskat im ganzen Jahr kaum einmal regne. Während meines Aufenthalts regnete es vom 12. bis 17. Januar täglich, und wir hatten überhaupt viel trübes Wetter. In den Sommermonaten aber, wenn die Sonne hier nahe zum Scheitelpunkt kommt und die Sonnenstrahlen überdies noch von den umherliegenden kahlen Felsen zurückprallen, ist es in dieser Stadt so heiß wie wohl an wenigen Orten auf der Welt.
   Die Berge an der Küste von Oman überhaupt scheinen kahl und unfruchtbar zu sein. Dagegen sind die Täler umso besser bebaut. Zu Maskat ist daher ein Überfluß an allerhand schönen Früchten, das Fleisch ist hier reichlich und sehr gut, und die See liefert einen Überfluß an Fischen. Von den Produkten, die aus Oman ausgeführt werden, sind die Datteln das vornehmste. Hiervon gehen aus verschiedenen Häfen ganze Schiffsladungen in den arabischen Meerbusen, nach Indien und anderen Gegenden. Maskat ist auch die Niederlage der meisten Waren, die aus dem persischen Meerbusen nach Hadramaut, Jemen, Hedschas und ganz Indien oder von da nach dem persischen Meerbusen gebracht werden sollen.
   Meines Wissens ist noch kein Europäer von Maskat landeinwärts gereist. Aber die Provinz Oman verdient, von Erdbeschreibern und Naturkundigen genauer untersucht zu werden, und nach dem, was ich zu Maskat gehört habe, reist man im Gebiet des hiesigen Imams mit ebenso großer Sicherheit wie im Jemen. Teils meine Gesundheit, teils auch andere Umstände erlaubten mir nicht, diese Reise zu unternehmen.

Niebuhr, Carsten
Reisebeschreibung nach Arabien und umliegenden Ländern
Kopenhagen 1774

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