Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

763 - Carsten Niebuhr
Der Zoll von Mokka

Alle Reisenden, welche zu Lande nach Mochha kommen, müssen durch Bab Schädeli in die Stadt gehen, und an diesem Tor gibt es die schlimme kahirinische Gewohnheit, daß alle Europäer absteigen und zu Fuß gehen müssen. Wir stiegen ab, um unsere Quersäcke, die wir auf den Eseln hatten, visitieren zu lassen. Man fragte weder hier noch in anderen morgenländischen Städten nach unseren Namen und Pässen. Man nannte uns einen Chan, in dem die Türken einzukehren pflegen und wo wir also nach Meinung der Visitierer unsere Landsleute antreffen würden.
   Wir hätten wohlgetan, wenn wir uns gleich nach unserer Ankunft in Mokka an den Makler der Engländer gewandt hätten. …  
   Des Morgens um neun kamen unsere Reisegefährten mit den Bedienten und der Bagage in Mokka an. Diese wurde nach Landesgewohnheit sofort zum Zollhaus gebracht, wo der Dola selbst anwesend war. Wir verlangten, daß die Sachen, welche wir zu Lande mitgebracht hatten, zuerst abgefertigt würden, damit wir unser Küchengerät und unsere Betten erhielten. Aber die Visitierer wollten zuerst die Kästen mit Naturalien durchsuchen, welche zur See von Loheia nach Mokka gekommen waren. Es befand sich darunter ein kleines Fäßchen mit Fischen aus dem arabischen Meerbusen, und Herr Forskål, der sie gesammelt hatte, bat, daß man es ungeöffnet passieren lasse, weil es mit Branntwein angefüllt war, und damit die Fische keinen unangenehmen Geruch verursachten. Aber der Visitierer öffnete es, nahm Fische heraus, rührte alles mit einem Eisen durch, als ob er glaubte, dass kostbare Waren darin verborgen wären, und ungeachtet unserer Bitten warf er es noch zuletzt um und erfüllte das ganze Haus mit Gestank von verdorbenen Fischen und Branntwein. Man kann sich leicht vorstellen, was die Araber, denen die Religion starke Getränke überhaupt verbietet, gesagt haben, und wie beschämt wir gewesen sein müssen, daß der Dola und seine Schreiber ihr Zollhaus durch unsere Sache so verunreinigt sahen.
   Wir baten abermals, dass man unsere Betten visitieren möchte, aber man wollte erst mehrere Naturalien sehen. Darunter waren einige Seetiere, welche vor dem Einpacken zu Loheia nicht völlig trocken geworden waren, und deswegen auch einen ziemlichen Gestank machten. Das verursachte in neues Murmeln und Schimpfen auf die Franken. Von den Muscheln, die wir mit der größten Sorgfalt eingepackt hatten, wurde ein großer Teil auf den Boden gerissen und das übrige mit einem spitzen EIsen durchbohrt. Wir stellten vergebens vor, dass vieles zerbrochen werden würde. die Araber glaubten, daß kein vernünftiger Mensch solche Sachen sammeln würde, um Gebrauch davon zu machen, sondern daß wir sie hierher gesandt hätten, um uns über den Dola und die Zollbedienten zu belustigen. Andere gaben vor, daß vielleicht kostbare Waren dazwischen versteckt, ja daß alles kostbare Waren wären und wir ihnen die Augen verblendet hätten. Der Dola, ein alter, sanftmütiger Mann, schien auf das alles nicht zu achten. Endlich brachte man ein Flaschenfutter, in dem Forskål verschiedene Arten von Schlangen in Spiritus aufgehoben hatte. Dies setzte alle in Erstaunen. Einer von den Sklaven oder Bedienten des Dola äußerte hierbei seine Meinung: daß die Franken vielleicht in den Jemen gekommen wären, um die Mohammedaner zu vergiften, und daß sich einer von uns als Arzt ausgäbe, um desto besser dazu Gelegenheit zu haben. Der gute Dola schien bisher mit Mitleid als Verachtung für uns gehabt zu haben. Als man aber davon redete, daß die Gesundheit der Einwohner in Gefahr sein könnte, war er aufgebracht und sagte: "Bei Gott, diese Leute sollen keine Nacht in dieser Stadt bleiben." Nun kann man sich leicht denken, was die Schreiber, die Visitierer und der Pöbel, der sich ungemein zahlreich versammelt hatte, gesagt haben mögen. Das Zollhaus wurde hierauf geschlossen, und wir erhielten nicht einmal die notwenigsten Sachen, unser Küchengerät und unsere Betten.

Niebuhr, Carsten
Reisebeschreibung nach Arabien und umliegenden Ländern
Kopenhagen 1774

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