1833 - Maurice Tamisier
Die Einwohner von Jeddah
Saudi-Arabien
Die ersten Bewohner von Jeddah waren Beduinen, die ihre Stämme verlassen hatten, um sich dem Handel zu ergeben. Je blühender die Stadt wurde, desto mehr zog sie alle diejenigen an, welche feste Wohnsitze dem irrenden Leben vorzogen, das sie bisher geführt hatten. Die Gewohnheiten des sitzenden Lebens, so verschieden von jenen der Wüste, gaben ihrer Physiognomie einen neuen Ausdruck, und ihr Geschlecht, das seit jener Zeit sich mit denen Asiens und Afrikas vermischte, hat zum großen Teil seine Originalität verloren. Nur etwa zwanzig Familien des alten arabischen Stammes sind noch in Jeddah zu finden; die Epidemie, die vor ungefähr 30 Jahren herrschte, und die Cholera im Jahre 1832 haben eine große Anzahl von ihnen vernichtet.
Die Bevölkerung kann man auf 10.000 Seelen schätzen, doch ist die Zahl nicht genau, da die Muselmänner keine Register haben, um die Zahl der Geborenen und Verstorbenen zu bestimmen. Auch wechselt die Zahl der Bewohner beträchtlich bei der Ankunft von Karawanen aus dem Inneren oder von Schiffen, die aus Indien ankommen. In der Zeit der Wallfahrten steigt die Zahl auf 20, 30, selbst auf 50.000 Menschen, die sich ziemlich lange, teils auf ihrer Reise nach Mekka, teils auf dem Rückweg daselbst aufhalten. Die Bewohner bestehen aus Arabern aus dem Hedschas und Jemen, aus Indern und Persern; dazu kommt noch eine ziemlich große Menge von Fellachen, die aus Ägypten gekommen sind, um der Konskription [Wehrpflicht] zu entgehen, einige Griechen, die mit Quincaillerie-Waren handeln, und Negern aus dem Inneren Afrikas. Auch gibt es in der Stadt eine große Menge Galla- und Abessinier-Sklaven beiderlei Geschlechts. Vor unserer Ankunft bestand die Garnison aus Türken, doch jetzt gehören nur einige Beamte des Paschas dieser Nation an.
Die Araber der Stadt, die sich dem Handel ergeben, unterscheiden sich in ihrer Haltung wenig von den Beduinen. Sie sind meist groß und mager, ihre Farbe ist braun mit einem Kupferglanz. Die Natur hat ihnen nur einen kleinen Bart am Kinn gegeben; sie lassen ihn wachsen, doch wird er nie sehr lang. Ihre Kleidung, die die der Großen Arabiens ist, nähert sich der der Armenier sehr; sie tragen ein kurzes Beinkleid, welches das untere Bein nackt läßt, und darüber ein Hemd; darauf legen sie ein langes Gewand aus Musselin oder Seide und einen Kaftan von hellem Tuch an. Ein Turban, weiß wie Schnee, und kunstvoll gearbeitete Sandalen vollenden ihren Anzug.
Alle Muselmänner, die auf dem heiligen Gebiet geboren sind, haben auf jeder Wange und an den Schläfen drei tiefe Einschnitte von einem schneidenden Instrument. Ich fragte einst einen Araber nach dem Grund dieser barbarischen Sitte, und er sagte mir, die Pilger, die in die Heilige Stadt wallfahrteten, hätten in früheren Zeiten die Kinder der Bewohner dieser Stadt durch Zuckerwaren und Liebkosungen an sich gelockt und ihren Eltern entführt. Anfangs hätte das Los nur armer Leute Kinder getroffen, und die Klagen der Beraubten wären nicht erhört worden, doch als auch die Kinder reicher Personen verschwunden waren, seien die Beschwerden so häufig und so dringend geworden, daß der Sultan Selim endlich Abhilfe versprach, doch auch verlangte, daß die Kinder auf gewisse Weise gezeichnet würden, damit er sie erkennen und den Eltern wieder zurückgeben könne. Zugleich erließ er ein scharfes Verbot geben diesen Menschenraub, der nach einigen strengen Bestrafungen auch unterblieb, die Zeichen aber blieben im Gebrauch, auch nachdem sie nicht mehr nötig waren. Sie werden den Kindern, sobald sie sich vom väterlichen Haus entfernen können, von den Müttern selbst mit einem Rasiermesser beigebracht, ziehen jenen einige Tage lang Fieber zu und vernarben dann.
Die Scheichs, Ulemas [Gelehrten] an den Moscheen und überhaupt alle Diener der Religion von einiger Bedeutung sind wie die reichen Araber gekleidet. Sie haben keine besondere Kleidung wie die katholischen Geistlichen. Doch habe ich bemerkt, daß sie gern Kleider von blendendem Weiß tragen und sich stets, wenn sie ausgehen, auf ein Bambusrohr stützen, das ihnen dient, um die Berührung der Hunde zu vermeiden. Anstatt des Tarbuschs tragen sie auf ihrem Kopf eine Takia (Käppchen) aus kleinen Stückchen Tuch von verschiedener Farbe, die künstlich wie Mosaik zusammengesetzt sind. Übrigens findet man diesen Gebrauch bei allen Bewohnern der Städte des Hedschas. Das Volk trägt nur eine solche Takia und ein Hemd, das ihnen kaum auf die Knie herabreicht; die meisten haben nur ein Tuch um die Hüften gebunden, das sie durch einen ledernen Gürtel festhalten.
Die indischen Kaufleute tragen Kleider von weißem Musselin nach arabischer Mode. Man erkennt sie an einem kleinen Turban, der ihnen nur den Scheitel deckt. Auch ist ihr Körper biegsamer, ihre Haltung leichter als die der Eingeborenen, ihr Gesicht hat die Einschnitte nicht, die dem Eingeborenen des Hedschas eigentümlich sind. Sie sind etwas geizig, doch sehr sanften Charakters. Einige lassen sich in Jeddah nieder, andere bleiben nur so lange, bis sie reich geworden, und kehren nach Indien zurück.
Die Fellachen aus Ägypten behalten in allem die Eigentümlichkeiten ihres Vaterlandes bei. Sie dienen als Lastträger, helfen bei den Schiffen als Lotsen oder bringen die Waren ans Land oder auf die auf Reede liegenden Schiffe. Die Griechen sind dieselben, wie man sie in Rhodos und den Häfen des Archipels findet.
Die Neger machen die Wasserträger. Ihre Kleidung besteht aus einem Lappen um die Hüften und gibt eine freie Ansicht ihrer athletischen Gestalten; besonders der Rücken ist von großer Schönheit.
Die Türken sind die großmächtigen Herren, deren ganze Arbeit darin besteht, alle Schriften zu unterzeichnen, die man ihnen vorlegt, und in der ganzen Stadt den bequemsten Platz zu suchen, um im Kühlen die Nargileh [die Wasserpfeife] zu rauchen und den Wohlgeruch des Mokkakaffees einzuatmen.
Auf der Straße scheint die Kleidung der Frauen gleich zu sein, denn sie sind in eine Melaie eingehüllt, deren Farbe dieselbe bei allen Ständen ist. Nur wenn sie auf den Kissen des Harems ausgestreckt sind, kann man den Reichtum ihrer Kleidung beurteilen. Doch da der große Schleier, der sie bedeckt, vorn nicht geschlossen ist, so sieht man, wenn die Trägerin den Arm entfernt, ein Hemd von Musselin oder Seide, das über ihre Beinkleider geworfen ist: Zuweilen ist es von leichter Gaze, von blauer oder roter Farbe, mit einer goldenen Tresse besetzt, die vom Hals bis auf die Brust geht. Dem weiten Beinkleid der Ägypterinnen ist das indische gefolgt, das weniger weit, aber mit einer Goldborte besetzt ist, die die Knöchel und Waden umschließt. Ihre Schleier sind auf gleiche Weise verziert, sie reichen meistenteils bis aufs Knie herab. Wenn sie ausgehen, knöpfen sie ihr Geld in einen Zipfel ein. Auch sah ich, doch sehr selten, Frauen einen Schleier tragen, der nicht über das Kinn reichte. Diese Mode ist weit eleganter als die erste. Pilgerinnen sah ich mit einem Schleier aus sehr feinen und biegsamen Matten, der keine Öffnung für die Augen hatte. In den Straßen können sie nur durch die kleinen, unmerklichen Zwischenräume sehen, die das Gewebe hat. Man sagte mir, diese Sitte sei im Inneren Jemens gebräuchlich. Andere tragen Borgos (Schleier) aus transparenter Gaze, wo sie sehen können, ohne gesehen zu werden.
Tamisier, Maurice
Die Einwohner von Dschedda
In: Das Ausland, Heft 17, 1840
Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende in Arabien, 25 v. Chr. bis 2000 n. Chr.