1815 - Johann Ludwig Burckhardt
In Jeddah
Saudi Arabien
Die Stadt ist auf einem schwach sich erhebenden Grunde erbaut, ihre niedrigste Seite wird von der See bespült. Dem Ufer entlang dehnt sie sich in ihrer größten Länge über fünfzehnhundert Schritte aus, während ihre Breite nicht mehr als die Hälfte dieses Raumes einnimmt. Auf der Landseite wird sie von einer Mauer umgeben, die sich in einem ziemlich ausgebesserten Zustand, aber ohne Festigkeit befindet. Sie wurde erst vor einigen Jahren durch gemeinschaftliche Arbeit der Einwohner selbst hergestellt, weil sie fühlten, daß ihnen die alte, halb zerfallende Mauer, welche von Kansoue el Ghoury, Sultan von Ägypten, im Jahr Heschira 917 [1499 AD] erbaut worden, keinen Schutz gegen die Wahabiten gewährte. Der gegenwärtige Bau ist eine hinreichende Abwehr gegen Araber, die kein Geschütz haben. In jedem Zwischenraum von vierzig oder fünfzig Schritten ist die Mauer durch Wachttürme mit einigen rostigen Kanonen befestigt. Ein schmaler Graben ist ihrer ganzen Ausdehnung entlang gezogen, um die Mittel der Verteidigung zu vergrößern, und so erfreut sich Jeddah in Arabien des Rufes, eine unüberwindliche Festung zu sein. In der Front der Stadt am Ufer blieb die alte Mauer, aber im Zustand des Zerfalls. Am nördlichen Ende, nahe der Stelle, wo die neue Mauer von der See bespült wird, stand die Residenz des Gouverneurs und am südlichen Ende ist eine kleine, mit acht oder zehn Kanonen besetzte Zitadelle. Hier ist außerhalb eine Batterie, um den Eingang von der Seeseite zu bewachen; sie beherrscht den ganzen Hafen. In dieser ist ein ungeheures, altes Stück schweren Geschützes aufgestellt, das eine Kugel von 500 Pfund schleudert und am ganzen Roten Meer so berühmt ist, daß sein Name schon ein Schutz für Jeddah ist.
Von der See kommt man auf zwei Kais in die Stadt, wo kleine Boote die Ladungen der großen Schiffe, die auf Reede über zwei englische Meilen vom Ufer ankern müssen. Nur Fahrzeuge, die Sai heißen (die kleinsten, die das Rote Meer durchschiffen), können bis nah an das Ufer kommen. Die Kais werden jeden Abend nach Sonnenuntergang geschlossen, und so ist jede Nacht die Verbindung zwischen der Stadt und den Schiffen abgeschnitten. Auf der Landseite hat Jeddah zwei Tore: das Mekka-Tor auf der Ost- und das Medina-Tor auf der Nordseite. Ein kleines Tor in der südlichen Mauer ist jüngst ausgefüllt worden.
Der Boden, der von der neuen Mauer (etwa 8.000 Schritte im Umfang) und der See umschlossen wird, ist nicht ganz mit Gebäuden bedeckt. Ein breiter Strich freien Raumes dehnt sich an der Mauer in ihrer ganzen Länge aus, und so ist auch ein guter Teil der westlichen Seite nahe am Tor nach Medina und am südlichen Ende. Wenn man vom Tor kommend durch diesen freien Raum gegangen ist, tritt man in die Vorstädte, die bloß Hütten, aus Rohr, Matten und Reisig erbaut, enthalten und die innere, aus massiven Gebäuden bestehende Stadt umringen. Die Hütten sind hauptsächlich von Beduinen oder armen Bauern und Tagelöhnern bewohnt, die vollkommen nach der Art der Beduinen leben. Ähnliche Wohnungen für das Volk dieser Klasse findet man in jeder arabischen Stadt.
Das Innere von Jeddah ist in zwei verschiedene Bezirke geteilt. Das Volk von Sewakin, welches diesen Ort besucht, hält sich nahe dem Tor nach Medina auf; ihre Wohnungen werden Haret e Sewakinin genannnt. Hier leben sie in einigen ärmlichen Häusern, meistens aber unter Hütten, in denen sich häufig die niedrigste Klasse des Volkes versammelt, da viele öffentliche Weiber hier wohnen und solche, die ein berauschendes Getränk, Bus genannt, verkaufen. Die angesehensten Einwohner haben ihr Quartier nahe an der See, wo eine lange Straße, parallel zum Ufer, mit Buden besetzt, erscheint und viele Khans hat, die beständig und ausschließlich von Kaufleuten besucht werden.
Jedda ist gut gebaut, fürwahr besser als irgendeine türkische Stadt von gleicher Größe, die ich bis jetzt gesehen hatte. Die Straßen sind ungepflastert, aber geräumig und luftig; die hohen Häuser sind gänzlich aus Stein erbaut, die größtenteils von der Küste genommen und aus Madreporen und anderen Meeresfossilien bestehen. Beinahe jedes Haus hat zwei Stock mit vielen kleinen Fenstern und hölzernen Fensterläden. Einige haben Bogenfenster, an denen viel Tischler- oder Zimmerarbeit zur Schau gestellt ist. Gewöhnlich ist am Eingang eine geräumige Halle, wo die Fremden empfangen werden, und die während der Hitze des Tages kühler ist als ein anderer Teil des Hauses, da ihr Boden immer feucht gehalten wird. Die Einteilung der Zimmer ist beinahe die gleiche wie in den Häusern in Ägypten und Syrien, jedoch mit dem Unterschied, daß in denen von Jeddah nicht so viele geräumige und luftige Zimmer sind wie in jenen Ländern, wo aber nur wenige Häuser, und am wenigsten die der Eingeborenen, zwei Stock, dagegen aber die Zimmer des Erdgeschosses manchmal eine beträchtliche Höhe haben. So trifft es sich, daß in vielen Häusern des Hedjaz die Eingangshalle die einzige kühle Stelle ist, wo man am Nachmittag den Herrn mit seiner ganzen männlichen Bedienung, gemieteten Dienern oder Sklaven, findet, die Siesta halten. Da das Bauen in dieser Gegend sehr teuer ist, wird für das Äußere, das Gitterwerk der Bogenfenster ausgenommen, wenig verwendet; dieses ist häufig innen und außen mit sehr flimmernden Farben bemalt. In manchen Häusern hat die gesetzliche Frau des Mannes einen Teil des Hauses in Besitz und seine abessinischen Sklavinnen wohnen in ihren eigenen abgesonderten Zimmern; darum wird beim Bauen mehr auf Bequemlichkeit als auf Größe und Schönheit Rücksicht genommen, aber in Ägypten hat manches gewöhnliche Haus geräumige und angenehme Zimmer.
Einförmigkeit in der Architektur ist in Jeddah nicht beobachtet. Einige Häuser sind aus kleinen, andere aus großen Quadersteinen gebaut, die glatte Seite auswärts und die innere mit Lehm ausgefüllt. Oft sind die Mauern ganz aus Stein, manche haben in Zwischenräumen von etwa drei Fuß dünne Lagen von Holz in den Mauern angebracht, und diese dienen dazu, wie die Araber sich einbilden, ihre Festigkeit zu vergrößern. Wenn die Mauern getüncht werden, läßt man das Holz in seiner natürlichen Farbe, was dem Ganzen ein so lebhaftes und angenehmeres Aussehen gibt, als ob das Gebäude mit so vielen Bändern geziert wäre; aber die schimmernde Weiße der Mauern während des Sonnenscheins ist für die Augen sehr beschwerlich. Die meisten Torwege haben Spitzbogen, einige wenige runde, letztere findet man, obgleich weniger häufig, über den Toren der Privathäuser in jedem Teil von Ägypten.
In Jeddah ist kein Gebäude von großem Alter zu sehen, da die Korallensteine von der Art sind, daß sie außerordentlich schnell zerfallen, wenn sie dem Regen und der hier vorherrschenden feuchten Luft ausgesetzt sind.
Außer vielen kleinen Moscheen gibt es hier zwei von beträchtlicher Größe; eine wurde von Scherif Serouer, dem Vorgänger des zuletzt regierenden Scherifs Ghaleb, erbaut. Die Wohnung des Gouverneurs, in der der Scherif selbst häufig residiert, ist ein elendes Gebäude, ebenso das, in dem der Zolleinnehmer lebt.
In der Stadt sind einige gut gebaute öffentliche Chans mit bequemen Einrichtungen, wo die fremden Kaufleute während ihres kurzen hiesigen Aufenthaltes wohnen. In diesen Chans sind große freie Plätze mit Bogengängen, die den Kaufleuten für den größten Teil des Tages Schatten gewähren. Ausgenommen zur Zeit des Monsun, wo Jeddah außerordentlich mit Volk angefüllt ist, sind Privatwohnungen sehr leicht in den ausgezeichneten Quartieren der Stadt zu erhalten. Die besten Privatwohnungen in Jeddah gehören zu der großen Handelsniederlassung Djeylany, die mit seiner Familie einen kleinen Platz hinter der Hauptstraße einnimmt. Dieser Platz ist mit drei großen Gebäuden besetzt, die bequemsten und teuersten Privathäuser des ganzen Hedjaz.
Jedes Haus von mäßiger Größe hat seine Zisterne. aber da der Regen nicht regelmäßig stark genug ist, um die Zisternen vom Giebel des Hauses herab zu füllen (wie in ganz Syrien), werden sie oft mit Wasser aus Lachen versehen, die man während der Regenzeit außerhalb der Stadt macht. Das Wasser aus diesen Zisternen reicht für den Gebrauch in Jeddah nicht hin und wird zu den delikatesten gerechnet. Viel Trinkwasser wird von einigen Quellen, anderthalb Meilen von der Südseite, hergeholt. Wasser kann überall in der Tiefe von 15 Fuß gefunden werden, aber es ist gewöhnlich von schlechtem Geschmack und an einigen Stellen kaum trinkbar. Bloß zwei Brunnen geben Wasser, das man süß nennen kann, aber dieses ist beträchtlich "schwer"; wenn es 24 Stunden in einem Geschirr gestanden hat, wird es voll von Insekten. Das gute Wasser dieser zwei Brunnen ist selten und teuer, und man kann es ohne den Beistand mächtiger Freunde nicht erhalten; in der Tat vermögen nur zwei- bis dreihundert Personen es zu bekommen, während die übrigen Einwohner mit dem Wasser, das die anderen Brunnen geben, zufrieden sein müssen, und diesem ist das beständige Übelbefinden der Einwohner zuzuschreiben.
Die Stadt Jeddah hat weder Gärten noch Baumpflanzungen, wenige Dattelbäume um einige der Moscheen ausgenommen, ebenso ist die ganze Gegend um die Stadt eine unfruchtbare Wüste, an den Küsten mit einer salzigen Erde, und höher hinauf mit Sand bedeckt, hier findet man einiges Gesträuch und wenige niedrige Akazienbäume. Die Zahl der Brunnen um die Stadt könnte beträchtlich vermehrt und das Wasser zur Bewässerung benutzt werden, aber die Einwohner von Jeddah halten ihren Aufenthalt hier bloß für temporär und richten, wie alles andere Volk im Hedjaz, ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Handel und auf Erwerben von Reichtum, aus diesem Grund sind sie ländlicher Arbeit oder Beschäftigung mehr abgeneigt als irgendeine ander Rasse des Moslems, die ich jemals sah.
Während der Oberherrschaft der Wahabiten geriet Jeddah in Verfall, viele seiner Häuser zerfielen und kein neues wurde gebaut; der Handel war sehr unterdrückt, da die Wallfahrten aus der Türkei unterbrochen waren und die Kaufleute nicht geneigt waren, ihre Waren hierher zum Verkauf zu bringen. Seit der Eroberung der heiligen Städte jedoch und der Wiederherstellung der Pilgerfahrten, verbunden mit der täglichen Ankunft von Soldaten, zahlreichen Kaufleuten und Nachzüglern der Armee, hat die Stadt schnell ihre alte Gestalt wiedererlangt und ist jetzt so blühend wie je in einer früheren Periode. Die Zahl der Einwohner kann im Allgemeinen auf zwölf- bis fünfzehntausend geschätzt werden; aber in den Monaten der Wallfahrten und in den Sommermonaten während des Monsuns, wo sehr viele Fremde zuströmen, wächst die Anzahl vielleicht um die Hälfte.
Jeddahs Reichtum stammt nicht allein daher, daß es der Hafen von Mekka ist, sondern es muß als der von Ägypten, Indien und Arabien angesehen werden; alle Ausfuhren aus díesen Gegenden, die für Ägypten bestimmt sind, gehen erst durch die Hände der Kaufleute aus Jeddah. Daher ist es vermutlich reicher als irgendeine Stadt von gleicher Größe unter der türkischen Herrschaft. Sein arabischer Name, der "reich" bedeutet, ist darum ganz gut gewählt.
Burckhardt, Johann Ludwig
Reisen in Arabien, enthaltend eine Beschreibung derjenigen Gebiete in Hedjaz, welche die Mohammedaner für heilig achten.
Weimar 1830