Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1422 - Mahuan
Eine chinesische Gesandtschaft in Aden

Das Königreich Aden kann von Calicut [in Indien] bei günstigem Wind und westlichem Kurs in einem Monat erreicht werden. Der König und seine Untertanen sind alle Mohammedaner, die Ah-la-pek (Arabisch) sprechen; sie sind stolz und hochfahrend in ihrem Auftreten. Sie haben eine Streitmacht von sieben- oder achttausend Soldaten, bestehend aus Infanterie und Kavallerie, durch die sie bei ihren Nachbarn sehr gefürchtet und respektiert sind.
    Im 19. Jahr des [Kaisers] Yung-lo [1422] wurde ein kaiserlicher Gesandter, der Eunuch Li [Titel], von China mit einem Schreiben und Geschenken für den König in dieses Land geschickt. Bei seiner Ankunft wurde Li sehr ehrenvoll empfangen, bei der Landung vom König erwartet und von ihm zum Palast geführt. Während des Aufenthaltes der Gesandtschaft war es den Leuten, die seltene Dinge besaßen, erlaubt, sie zum Verkauf anzubieten. Katzenaugen von außerordentlicher Größe, Rubine und andere Edelsteine, große Korallenzweige, Bernstein und Rosenessenz gehörten zu den Dingen, die gekauft wurden. Giraffen, Löwen, Zebras, Leoparden, Strauße und weiße Tauben wurden ebenfalls angeboten.
   Die Kleidung, die der König üblicherweise trägt, sind ein langes weißes Gewand und ein Turban aus feinem weißem Stoff mit einem Brokatknopf darauf. Wenn er in die Moschee geht, um zu beten, wechselt er diese Kleidung gegen eine gelbe Robe ein, die in der Taille von einem edelsteinbesetzten Gürtel zusammengehalten wird, und auf dem Kopf trägt er eine goldene Krone. Er reist in einem Wagen mit einer Eskorte von Soldaten. Jeder seiner Offiziere hat eine besondere Kleidung, die seinem Rang entspricht. Die Kopfbedeckung der Männer ist der Turban; ihr Gewand ist aus Wolle, Seide oder Baumwolle. Die Frauen tragen ein langes Kleid. Von ihren Schultern hängt eine Kette aus Perlen und Edelsteinen mit seidenen Quasten am Ende, wie sie die Göttin der Gnade [Guang Yin] trägt; an jedem Ohr hängen vier Paar goldbelegte Ohrringe, sie tragen goldene Armbänder und Ringe an den Fingern. Sie tragen auch ein Tuch aus Brokat über dem Kopf, so daß man nur den oberen Teil des Gesichtes sieht.
   Die Goldschmiede dieses Landes sind geschickt in der Herstellung von goldemaillierten Haarnadeln und anderem Gold- und Silberschmuck für das Haar, der in seiner Darstellung von natürlichen Objekten sehr lebendig wirkt. In der Stadt gibt es Marktplätze, Badehäuser, Häuser, in denen man essen kann, und Läden für verschiedene Waren. Die Münzen des Landes sind Goldstücke, genannt Poololi, die auf beiden Seiten graviert sind, und für kleinere Geschäfte sind Kupfermünzen im Umlauf, die Pu-kio-szu genannt werden.
   Das Klima des Landes ist immer warm bei einer Temperatur wie bei uns im achten und neunten Monat [etwa September/Oktober]. Das Jahr besteht aus einer bestimmten Anzahl von Tagen und Monaten; zwölf der letzteren bilden ein Jahr, sie sind geteilt in große und kleine Monate. Sie haben keine Schaltmonate. Der erste Tag eines Monats ist der Tag nach der Nacht des ersten neuen Mondes. Die vier Jahreszeiten liegen nicht fest, sondern ihr Beginn wird durch einen Astronomen bestimmt. Er sagt auch Sonnen- und Mondfinsternisse voraus, ebenso Winde und Regen sowie Ebbe und Flut; seine Berechnungen sind niemals fehlerhaft.
   Alles, was man zum Leben braucht, gibt es im Überfluß. Viel Butter, Öl und Honig kann man hier bekommen. Reis und anderes Getreide, Hülsenfrüchte und jede Art von Gemüse sind erhältlich. Ihre Früchte sind Datteln, Mandeln, getrocknete Trauben, Walnüsse, eine Art von wilden Äpfeln, Granatäpfel, Pfirsiche, Aprikosen und kernlose weiße Trauben.
   An Tieren gibt es Elefanten, Kamele, Maultiere, Esel, Schafe, Kühe, Hunde und Katzen; es gibt auch Geflügel und Enten, aber keine Schweine oder Gänse. Es gibt hier eine bestimmte Art von Schafen mit weißem Haar, aber ohne Hörner; wo die sein sollten, befinden sich nur zwei dunkle Punkte. Das Fleisch unter dem Hals hängt herunter wie die Wamme bei einer Kuh. Das Haar ist kurz wie bei einem Hund und der Schwanz so groß wie eine Schüssel [damit sind offensichtlich Fettschwanzschafe gemeint]. Hier gibt es auch Zebras: diese Tier sind so groß wie ein Maultier, Körper und Gesicht sind weiß mit dunklen Streifen, die in der Mitte der Stirn beginnen und in regelmäßigen Abständen über den ganzen Körper und die Beine hinunter verteilt sind, als ob sie aufgemalt wären. Die Giraffe gibt es in diesem Land auch: Ihre Vorderbeine sind drei Meter hoch, und die hinteren etwa zwei. Ihr Hals ist mehr als fünf Meter lang. Weil das Vorderteil hoch und das Hinterteil niedrig ist, kann man sie nicht reiten. Sie hat zwei kurze Hörner an den Seiten bei den Ohren. Der Schwanz ist wie der einer Kuh und der Körper wie der eines Hirsches. Der Huf ist dreigeteilt, das Maul flach, und sie lebt von Hirse und Hülsenfrüchten. Die Löwen ähneln Tigern. Sie sind schwarz und gelb, aber ohne Streifen. Sie haben große Köpfe, weite Mäuler und spitze Schwänze, an deren Ende Büschel von langem, schwarzem Haar hängen. Ihr Brüllen ist wie Donner, und wenn andere Tiere es hören, verkriechen sie sich vor Angst und wagen nicht sich zu rühren. Dies ist wirklich der König der Tiere, sagt der Reisende.
   Die Häuser bestehen aus Stein, mit Dächern aus Ziegeln oder Lehm. Manche Gebäude sind dreizehn bis siebzehn Meter hoch und haben drei Stockwerke.
   Der König, dankbar für die Herablassung, die ihm der chinesische Kaiser bezeigte, hat für Seine Majestät zwei goldemaillierte, mit Perlen und Edelsteinen besetzte Gürtel anfertigen lassen. Diese und eine Kappe aus Gold, Rubinen und allen anderen Arten von Edelsteinen, zwei Hörner vom Nashorn und ein Brief, auf goldenem Blatt geschrieben, wurden als Tribut mit unserer Flotte auf die Heimreise geschickt.

Philips, G.
Mahuan’s Account of Cochin, Calicut and Aden
In: Journal of the Royal Asiatic Society, 1896
Übersetzung: U. Keller

Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg)
Reisende in Arabien, 25 v. Chr. bis 2000 n. Chr.
Wien 2002

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