Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1193 - Imad ad-Din, Schreiber am Hofe Saladins
Der Tod SaIadins
Damaskus

Saladin verweilte in seinem Palast in Damaskus, und sein menschenfreundliches Wesen warf Strahlen in der Nähe und Ferne; nur vierzehn Tage verbrachte er in Begleitung seines Bruders östlich der Hauptstadt auf der Jagd; er ging immer tiefer in die Steppe hinein voll Wohlgefallen am Jagen, bis er am Montag, 15. Februar, an welchem Tag die syrische Mekkakarawane heimkehrte, wieder eintraf. Er ging den Pilgern entgegen, und seine Augen tränten, als er den Zug erblickte. Er befrug sie freundlich über die Zustände in Mekka, über den Emir, die Bewohner, den Wohlstand, wie viel Getreide und Almosen von Kairo dorthin gekommen seien, über die Armen sowie die Frommen, die dort den Rest ihrer Jahre verbrachten, und über die Beamten. Sein Gesicht verriet heitere Freude, als die Hadschpilger ihn begrüßten. Vom Jemen war sein Bruderssohn Saif al-Islam gekommen, den er ehrenvoll empfing.
   In der Nacht vor Samstag, 21. Februar, saßen wir mit dem Sultan in gegenseitiger Unterhaltung begriffen, bis das erste Drittel der Nacht verstrichen war. Dann sprach sein Imam ein Gebet über ihn und uns, worauf wir ihn in bester Stimmung verließen. Samstag morgen warteten wir in seinem Gemach, daß er herauskäme, um auftragen zu lassen. Wir fanden aber die Türen noch verschlossen ohne zu wissen, was ihm begegnet sei. Seitens seiner Diener wurde die Nachricht verbreitet, daß er erkrankt sei, diese Besorgnis hatte sich auch seiner Frauen bemächtigt. Al-Malik al-Afdal befahl, im Empfangssaal den Tisch zu decken, und setzte sich dann an die Stelle seines Vaters, während es doch der Anstand verlangt hätte, jenen Platz leer zu lassen. Wir waren über diesen Vorfall sehr ungehalten, und uns gegenseitig anblickend und die Gedanken erratend, tadelten wir dieses Benehmen.
   In der Nacht auf Sonntag traten wir zum Besuch in sein Zimmer, als die Krankheit schon im Zunehmen war, so daß die Herzen verzagten und das Unglück immer näher heranrücken sahen. So ging er am Mittwoch früh aus der Wohnung der Vergänglichkeit ein in die Wohnung des Bleibens. Das Licht ging fort, und es dunkelte, als seine Sonne sich verfinsterte, doch der Feind frohlockte.
   Er wurde im Schloß zu Damaskus beigesetzt, und mit ihm wurden alle seine edlen Eigenschaften mit zu Grabe getragen. Al-Malik al-Afdal ließ die nördliche Kuppel der Moschee über seinem Grabe errichten nebst einem Fenster nach der Moschee für die Besucher, und hier wurde seine Leiche im Jahr 1196 beigesetzt. Wir kehrten zurück und riefen uns zu: "Nur in Allah ist unsere Zuflucht!"

Goergens, Ernst Peter
Arabische Quellenbeiträge zur Geschichte der Kreuzzüge
Berlin 1879; Nachdruck 1975

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