Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1650 - Jürgen Andersen
Drei Tage in Jerusalem

Am Abend erreichten wir die Stadt Gutsumebareck oder Jerusalem. Was diese Stadt betrifft, erstreckt sie sich in die Länge, ist zwar mit einer starken Mauer umgeben, die man in zwei Stunden umgehen kann, die Häuser darin aber sind schlecht und altväterlich gebaut.
   Unser Caravan baschi (der Meister der Karawane) wohnte hier und war von Religion ein Jacobite. Er fragte mich, ob ich viel Geld hätte, das Heilige Grab könnte ich unter zehn Dukaten nicht zu sehen bekommen. Ich aber beklagte mich, daß ich arm an Geld wäre und also die Reise hierher vergebens getan hätte. Er hätte es mit schon in Damaskus sagen sollen, so wäre ich dort geblieben und hätte die Karawane zurück nach Aleppo abgewartet. Als er sah, daß ich betrübt dastand, sagte er, gib Dich zufrieden, ich will sehen, wie ich es mache, daß Du in die Kirche kommst, aber etwas mußt Du dem Türsteher geben.
   Am folgenden Tag kam er wieder zu mir und sagte, wenn ich nur zwei Dukaten daran wenden und ihm geben wollte, so könnte ich alles zu sehen bekommen. Obwohl ich der Dukaten nicht viele hatte, gab ich ihm doch zwei, wie er sie aber weitergab, konnte ich nicht sehen. Ich mußte sagen, als ich gefragt wurde, wer ich wäre, ich sei sein Sklave und in Aleppo an ihn verkauft worden. So wurde ich mit anderen Christen in die Kirche und zum Heiligen Grabe gelassen.
   Die Kirche erstreckt sich der Länge nach von Osten nach Westen, weitet sich in der Mitte nach beiden Seiten aus, als ob das Gebäude ein Kreuz formierte. In der Mitte ist ein Chor, den die griechischen Mönche innehaben. Neben diesem Chor ist ein großes, rund gewölbtes Gebäude, und dieses Gewölbe oder die runde Decke steht auf starken Marmorsäulen, so daß zwischen ihnen Tag und Luft hineingehen kann. Vor dem Eingang der Heiligen Gräber ist eine kleine Kapelle, in der ein großer, fast viereckiger Stein, den die Juden vor des Grabes Tür gewälzt hatten, und auf dem der Engel sich nach der Auferstehung gesetzt hatte. Die Tür und der Eingang zum Heiligen Grab, wo des Herrn Christi Leiche gelegen hat, geht nicht hinunter in die Erde wie unsere gemeinen Gräber und wie es wohl von unwissenden Malern bei der Auferstehung Christi gesetzt ist, sondern eine Tür, wie man sonst in ein Gemach geht, aber klein und kaum von eines halben Mannes Höhe. Die Kammer des Grabes ist eng, so daß über vier oder fünf Personen nicht darin stehen können, sie ist ein einen Fels gehauen und ganz mit Marmor überzogen. Zur rechten Seite des Einganges, wo des Herrn Christi Leib gelegen hat, ist ein erhabener Marmorstein gelegt, und darauf ein Altar, über dem viele brennende Lampen hängen, von denen etliche Könige und andere andächtige Herzen gestiftet haben, und sie sollen aus Gold und Silber sein. Ein Mönch ging hinein, las etwas aus dem Buche, und vermahnte das in der Vorkapelle stehende Volk. Es waren noch mehrere Kapellen in und an der Kirche, in denen etlicher Potentaten Gräber sein sollen, die ich aber neben anderen notablen Sachen, die man an diesem Ort den Fremden zeigt, nicht gesehen habe. Durfte auch nicht als ein Sklave, für den ich mich ausgeben mußte, um es zu sehen, groß danach streben.
   Oben über dem Heiligen Grabe steht ein Türmlein, mit Blei bedeckt und mit sechs doppelten Marmorsäulen, auf denen die Decke des Türmleins ruht. Von außen ist auch das Heilige Grab mit Marmor und schönen Säulen umgeben. Diesen Zierrat soll Helena, das Kaisers Constantini Magni Mutter, aus besonderer Devotion mit großen Unkosten dazu getan haben.
   Als ich nun das Heilige Grab angedeutetermaßen nur ein wenig zu sehen bekommen hatte, habe ich mit meinem Führer alsbald wieder herausgehen müssen. Weil die Türken diese Stadt innehaben, findet man hin und wieder viel mahumedische Meschiden oder Tempel. Es hatten die italienischen Franziskanermönche, damals 24 Personen, einen Konvent. Auch haben die Griechen dort einen großen Konvent und einen Superioren, den sie Patriarchen nennen.

Orientalische Reisebeschreibung  von Jürgen Andersen
in: Olearius, Adam (Hg.)
Orientalische Reisebeschreibungen
Schleswig 1669; Nachdruck 1980

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!