1187 - Imad ad-din, Schreiber am Hofe Saladins
Saladin erobert das Heilige Kreuz in der Schlacht von Hattin
Bald ging die Meldung ein, die Franken ritten und sprengten heran, als der Sultan [Saladin] vergnügt ausrief: "Was wir wünschen, trifft ein; wenn wir uns tapfer halten, so wird die Niederlage zur Tatsache und dann ist Tabarija und das Küstenland außerhalb für sie verloren!" An diesem Tag, Donnerstag, 2.Juli, näherten sich die Franken, Bergen ähnlich, den sich auftürmenden Meereswogen gleich, Tabarija. Der Sultan stellte seinerseits die Muslime in Gefechtsbereitschaft. Die Nacht trennte beide Parteien, nachdem er am vorhergehenden Tage den Feinden das Wasser abgeschnitten hatte. Malik (der Engel der Hölle) und Raduan (der Engel des Paradieses) freuten sich. Diese Nacht besitzt mehr Kraft als tausend Monde, weil in ihr die Engel und der Geist herabgestiegen sind, und am Morgen uns der Erfolg gesichert war. Wir freuten uns darüber, wir, die wir Leuten gleichen, zu denen Gott gesprochen hatte, und denen er neben dem Lohn in dieser Welt die ewigen Freuden des Paradieses, das beständige Abpflücken dort und das Trinken aus Selsebil, der klaren Quelle, zugesichert hat.
Diese Nacht wachte der Sultan, um die Aufstellung der Bogenschützen bei jeder Abteilung zu besichtigen und für gefüllte Köcher zu sorgen; 400 Lasten Pfeile waren zur Stelle, und 70 Kamele standen währen der Schlacht bereit, so daß die Schützen, die ihren Vorrat verbraucht hatten, ihn erneuern konnten. Als der Morgen anbrach, rückten die Bogenschützen aus, um ihre Pfeilspitzen im Feuer gegen die Männer der Hölle zu glühen, und da diese vor Durst gleich Hunden die Zungen herausstreckten und gegen das Wasser vorrückten, so empfing sie hier die Hölle mit ihren Funken. Allmählich war während der Schlachtaufstellung die Mittagshitze eingetreten. Während unsere Soldaten im Rücken durch die Mauer von Tabarija gedeckt standen, waren die Feinde bereits von ihren Verbindungen abgeschnitten. Ein quälender Durst in der Sonnenglut erschöpfte ihre Kräfte, gleichwohl hielten sie aus. Der Sultan ritt durch die Reihen, es war Samstag, der 4. Juli, das Vertrauen zu Allah weckend; dann machte einer seiner Mameluken, Mankuris mit Namen, den ersten Angriff; sein Pferd schleuderte den Reiter in weiter Entfernung von den Genossen aus dem Sattel, wo er von den Feinden getötet wurde. Als sie seinen Kopf aufhoben, glaubten sie, er sei einer von den Söhnen des Sultans.
Stroh war unter ihren Füssen, und einige Freiwillige warfen Feuer hinein, so daß die Feinde mit Pfeilen geröstet wurden. So oft sie einen Angriff machten, wurden sie zurückgeworfen, und keine Ameise kroch mehr davon. Als Kumes den unglücklichen Ausgang der Schlacht merkte, entwich er gegen den Wadi mit einer kleinen Anzahl. Allah unterstützte Muzaffar ad-din, der dem Kumes einen Ausweg zur Flucht ließ. Als die Franken von seinem Entwichen Kunde erhielten, suchten sie von ihrer Stellung aus mit Macht den Kampf fortzusetzen. Wir fielen über sie her so wie Feuer unter Schilf fällt und gossen Eisenwasser hinzu, um den Brand zu löschen. Der Tod riß weite Lücken in ihre Glieder, so daß sie fliehend die Anhöhe von Hittin zu gewinnen suchten, um sich aus dem allgemeinen Verderben zu retten; wie Gazellen erschossen wir sie und streckten sie tot nieder.
Während sie westlich von Hittin die Zelte aufschlugen, schlugen wir ihnen die Köpfe ab; Hauen und Stechen dauerte fort, da sie ringsum von allen Seiten umzingelt waren, doch hofften sie noch das Beste und stiegen von ihren Pferden ab. Als aber das grosse Kreuz genommen wurde, da ahnten sie das Verderben, und es regnete nun Schläge über sie. Ihre Befehlshaber, der König und die Prinzen gerieten in Gefangenschaft, darunter der Prinz von Karak [Raynald von Karak], ferner wurden gefangen eingebracht der Templeroberst sowie der Hospitaliter und eine Anzahl Barone. Satan und seine Mannen waren Gefangene, der Sultan war wieder König; der Islam war durch diese Niederlage gekräftigt; die Schlacht artete aus in ein Blutbad und in Abführen von Kriegsgefangenen, so daß, wer die Erschlagenen sah, ausrief: "Hier gibt es keine Gefangenen!", wer deren Menge erblickte, sagte: "Hier gibt es keine Toten!"
Seit die Franken das Küstenland von Sam erobert hatten, war kein Tag für die Muslime so glänzend verlaufen wie der von Hittin. Keiner der früheren Könige hatte, Dank der macht und Hilfe Allahs, einen so herrlichen Sieg erfochten. In diesem Treffen war der Umstand besonders merkwürdig, daß ein Reiter, so lange sein Pferd unverwundet blieb, wegen des Schuppenpanzers, der seinen Leib von Kopf bis Fuß bedeckte (er sah aus wie ein Stück Eisen), nichts zu befürchten hatte, da die Schläge wirkungslos an dem Harnisch abprallten; war jedoch das Pferd verletzt, so gingen Mann und Ross zugrunde, und darum wurden keine Rosse noch Saumtiere erbeutet.
Nur wenige Feinde hatten sich gerettet; alle Räume waren mit Gefangenen angefüllt, die mit Stricken gebunden wurden. Die Toten lagen weithin über Berg und Tal zerstreut, der Leichengeruch verbreitete sich in der Umgebung von Hittin. Ich hatte die Köpfe fliegen und die Augen sich verdrehen sehen. Ich sah sie da liegen nackt oder in zerfetzten Kleidern, mit zerbrochenen Kreuzen, abgeschnittenen Köpfen, Füssen, Nasen und sonstigen Extremitäten, mit ausgestochenen Augen, aufgeschnittenen Leibern, wie Steine unter Steinen lagen sie durcheinander - ein seltener Anblick! Wenn ich sie mit ihren Gesichtern den Staub küssen sah, dann fiel mit das Wort Allahs ein: "Der Ungläubige ruft: O wäre ich Staub!" Leider reichten die Zeltstricke nicht hin, um alle Gefangenen zu fesseln; so sah ich 30-40 von ihnen an einen Strick gebunden durch einen Reiter eskortiert; an einer anderen Stelle wurden 100 oder 200 nur durch einen Posten bewacht. Der Ernst der Lage prägte sich auf den Antlitzen der Grafen und Ritter ab.
Der König geriet erst in unsere Hände, als das Kreuz der Kreuzigung genommen war; es ist dies jenes Kreuz, das sie aufstellten und vor dem sie sich dann niederwarfen und niederknieten; es ist nach ihren Dafürhalten von demselben Holz, an dem der von ihnen Angebetete gestorben ist. Sie hatten es mit roten Gold überzogen und noch mit Perlen und Edelsteinen geschmückt; am Schicksalstage oder während der Festzeit kam es zur Verwendung. Wenn die Priester es dann hinaustrugen, so eilte jeder hinzu und kniete nieder; niemand wollte zurückbleiben. Dieses Kreuz hatten sie mitgenommen, da es sie stark machte im Kampf; kein anderes hat solchen Wert, und sein Verlust wurde höher angeschlagen als die Gefangennahme des Königs. Gleich einem Gott erwiesen sie ihm Anbetung, ihre Stirnen neigten sich vor ihm in den Staub und ihre Lippen sangen im Lob. Für dieses Kreuz waren sie zu jedem Opfer bereit; sie hatten sich andere, ihm ähnliche, gemacht, welche sie in ihren Häusern aufbewahrten und ebenfalls verehrten. Als nun dieses große Kreuz in unsere Hände fiel und sie dies erfuhren, wollte keiner zurückbleiben, und deswegen gingen sie durch das Schwert oder die Gefangenschaft zu Grunde.
Goergens, Ernst Peter
Arabische Quellenbeiträge zur Geschichte der Kreuzzüge
Berlin 1879; Nachdruck 1975