1575 - Leonhard Rauwolf
Handel und Wandel in Aleppo
Es kommen aus fernen Ländern wie Anatolien, Armenien, Ägypten, Indien etc. täglich große Karawanen mit Saumrossen, Eseln, meist aber mit Kamelen dorthin, begleitet von den Leuten dieser Länder, so dass alle Gassen voll sind und kaum einer dem anderen in der Volksmenge ausweichen kann. Jede Nation hat ihren besonderen Champ [Khan, Karawanserei], die gewöhnlich nach ihr oder dem Oberherrn, der sie erbaut hat, genannt wird, wie z. B. Champ Agemi, Waywoda, Abrac, Sibeli, Mahomets Pascha etc. Diese Karawansereien werden für die Händler des betreffenden Landes freigehalten, sodass sie bei ihrer Ankunft dort wie in eine Herberge einziehen, wohnen und ihre Güter verwahren oder verkaufen können nach ihrem Gefallen.
Neben den Vertretern anderer Nationen finden sich nicht wenige Franzosen und Italiener etc., die wie andere auch dort ihre besonderen Behausungen besitzen, die sie Fundiques nennen. Teils wohnen sie darin beisammen, teils aber auch außerhalb, so vor allem die verheirateten Italiener, die in besonderen Räumen kleine Haushaltungen eingerichtet haben und es fast wie die Türken darauf anlegen, mit geringen jährlichen Unkosten auszukommen. In den genannten Karawansereien sind vielerlei fremde Arten von Waren zu finden, besonders aber im Champ Agemi, wo schöne zarte Gewebe aus Baumwolle, wie lange Binden, die sie um die Lenden oder um den Kopf schlagen und die die Araber Musselin (nach der Landschaft von Mosul in Mesopotamien, von wo sie gebracht werden) nennen. Darin kleiden sich die türkischen Herren besonders schön im Sommer. Daneben haben sie auch kostbare Teppiche, die schön angefertigt und kunstvoll mit Farben gemacht sind. Bisweilen werden solche bis zu uns gebracht.
Auch bringen insbesondere die Perser ein unbekanntes Manna haufenweise in Schläuchen zum Verkauf; es hat den Namen Trunschibil, das von einer stechenden Staude gelesen wird und von den Arabern Agul oder Alhagi genannt wird…
Neben anderen Stücken weisen sie kostbare, „Bazaor" von ihnen und den Arabern genannte Steine vor, welche rundlich, glatt und von Farbe schwarz-grün sind. Diese gewinnen die Perser von einer besonderen Art von Böcken, die in ihren Landen weit verbreitet ist, und geben sie als Pulver gegen allerlei tödliche Gifte ein. Außer diesen findet man andere Steine, die den genannten wohl in Form und Gestalt, aber im Wert mitnichten gleichen. Deshalb muss man wohl aufpassen, dass man nicht betrogen wird, besonders von den Juden, die nicht wenig falsche verkaufen. Um die falschen zu erkennen, gibt es einige Proben, darunter besonders eine, die mir ein Kaufmann als bewährt genannt hat. Man nimmt ungelöschten Kalk und Pulver vom Stein und rührt beides mit Wasser zu einem Müslein. Ist das getrocknet und danach wieder zerrieben, so ist der Stein falsch, wenn es weiß bleibt. Wird es aber gelblich, so soll er gut sein und aus Persien kommen.
Die Perser bringen auch Türkise, die hauptsächlich bei ihnen gefunden werden, weshalb ihr König, der Sophy, einen unsagbaren Schatz davon beisammen hat. Früher gelangten so viele zu uns, dass sie an Wert einbüßten. Als das der König merkte, hat er sieben Jahre lang keine herausbringen lassen, um den Steinen wieder zu ihrem rechten Wert zu verhelfen. Diese Frist ist jetzt verstrichen. Oft werden auch ganze Schnüre voll köstlicher orientalischer Perlen zum Verkauf angeboten, die meist im Persischen Meer nahe der Insel Bahrain gefunden werden, nicht weit von der großen Handelsstadt Basra.
Aus Indien werden viele kräftige Gewürze gebracht wie Zimtröllchen, Lavendel, langer Pfeffer, Turbith, Kardamom, Muskatnuss, Muskatblüte und die Chinawurzel, die die Araber mehr im Gebrauch haben als Lignum Guaiacum [als Mittel gegen Syphilis]; auch schöne Porzellanschalen und die blaue Farbe, Indigo genannt. In großen Mengen gelangt die edle Rhabarberwurzel zu Wasser und zu Land dorthin. Man bekommt zudem viele Edelsteine zu kaufen, wie Granate, Rubine, Balafios [unreine Diamanten], Saphire, Diamanten; und den allerbesten ungefälschten Bisam [Moschus] in seinem Beutel. Die kostbaren Edelsteine bringen die Kaufleute in den großen, aus Indien kommenden Karawanen heimlich mit, damit sie ihnen beim Verzollen von den Baschis oder Sangiachen nicht weggenommen werden, wie die es zu tun pflegen, wenn sie sie finden. Von diesen und anderen, viel mehr Materialien und Warensorten, die die Kaufleute täglich von allen Enden und Orten bringen und von hier weiter verschicken, berichte ich nicht mehr, da es nicht mein Tun ist, damit zu hantieren und umzugehen…
Außer den schon erwähnten Karawansereien haben sie noch in und außerhalb der Stadt andere, wo sich auch allerlei fremde Sorten von Waren befinden; wie Kebir, der große, Sougier, der kleine, Gigith, der neue, Atich, der alte. Auch haben sie ein großes Kaufhaus, Basar von den Einwohnern genannt, der mitten in der Stadt liegt und fast größer ist als Friedberg in Bayern. In dem findet man viele Gänge und in jedem besondere Waren und Handwerker, säuberlich auf ihre Gassen verteilt. Als Erste die Gewürz- und Seidenkrämer, dann folgen die, die schöne Teppiche und zartes wollenes Tuch verkaufen (das bringen zum größten Teil unsere Kaufleute hierher zum Verkauf), wie auch türkischen Macheyer [Wollstoff], Schamlot [Camelot], Daffet [Taft] und andere schöne Gewebe aus Seide und Baumwolle. Da gibt es auch gute Cordabon [Leder], kostbare Marderfelle, Felle von wilden Katzen, von denen nicht wenige in diesen Landen herumlaufen; es gibt auch Juweliere, bei denen man kostbare Edelsteine und Perlen kaufen kann. Dann gibt es Handwerker wie Schuster, Schneider, Sattler, Nadler, Maler, Goldschmiede, Kesselschmiede, Schlosser etc., die im Basar auch ihren Laden haben und darin arbeiten. Aber ihre Arbeit ist meist so schlecht und von geringem Wert, daß sie nach Geschicklichkeit, Schnelligkeit und Verstand bei weitem nicht mit den unseren zu vergleichen sind; das gilt besonders für die Goldschmiede, Schlosser, etc. Es gibt auch viele Drechsler, insbesondere solche, die Pfeile und Stangen für Spieße herstellen; ebenso Bogner…
Neben all diesen findet man im großen Basar auch etliche Wundärzte; die pflegen, wenn sie niemanden zum Barbieren finden, mit ihrem Werkzeug und kleinen Kessel voller Lauge in der Stadt herumgehen und Arbeit zu suchen. Finden sie jemanden, der sich barbieren lassen will, so gehen sie nicht miteinander zurück zu ihrem Laden, sondern lassen ihn gleich auf der Gasse oder in einer nahen Karawanserei hinsetzen und scheren ihm das Haar ab bis auf eine lange Locke, die allein hinten auf dem Wirbel stehen bleibt.
Dann findet man auch eigene Orte, an denen junge und alte Sklaven und Sklavinnen zum Verkauf ausgestellt werden. Diese schätzen sie hoch oder gering ein, je nachdem sie stark oder schwach, schön oder hässlich sind. Wagner aber gibt es keine, weil Karren und Wagen in diesen Landen nicht in Gebrauch sind. Auch habe ich in dieser ganzen großen Handelsstadt keinen Büchsenschmied gefunden, der auch nur einen kleinen Fehler an einem Feuerschloss hätte richten können.
Da im Basar viel Gewerbe und Handel getrieben wird, so findet man dort auch den ganzen Tag eine große Volksmenge aus mehreren Nationen so gedrängt, wie man es bei uns nicht einmal auf der Kirchweih sieht. Darunter befinden sich bisweilen auch echte Türken, die jene, die ihnen nicht sogleich ausweichen, und besonders die Christen, wegstoßen. Die Christen fürchten sie aber deshalb nicht sehr, sondern stellen sich fest auf die Beine, wenn sie merken, dass einer kommt, um beim Begegnen den Puff aufzufangen, so dass oft einer an dem Widerstand abprallt und an einen Laden stößt. Es kommt auch bisweilen vor, dass die Türken, die rücklings an einen Laden angelehnt dastehen, die vorübergehenden Christen belästigen, ja ihnen den Fuß stellen und sie darüber fallen lassen. Wenn das die Christen merken, sind sie wiederum nicht ungeschickt und ziehen den Türken im Gedränge den Standfuß weg, so dass die wohl ebenso oft vor den Läden zum Sitzen kommen. Die Türken lieben es zu versuchen, wie beherzt die Christen sind. Sie fahren sie deshalb oft unversehens mit rauen Worten an oder berühren sie unversehens, und lässt sich einer erschrecken, so lachen sie und verspotten ihn; widersetzt sich einer, so lassen sie von ihm ab, wenn sie den Ernst erkennen (wie die bösen Hunde, die eher bellen als beißen), und halten ihn danach wieder in um so höheren Ehren als einen, der als tapferer Held und guter Krieger gilt.
Rauwolf, Leonhard
Aigentliche beschreibung der Raiß, so er vor dieser Zeit gegen den Auffgang inn die Morgenländer, fürnemlich Syriam, Iudaeam, Arbiam, Mesopotamian … volbracht
o.O. 1582
Faksimile Hannover 1977