Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1884 - Lady Hariot Dufferin
Prachtvoller Empfang des neuen Vizekönigs in Bombay

8. Dezember: Ich hoffe nur, ich kann Dir eine ungefähre Vorstellung von unserer prächtigen Ankunft in Bombay geben, aber sie war so großartig anzusehen, dass schon der Versuch einer Beschreibung fast unmöglich ist. Ich glaube, dass wir nie wieder, auch nicht hier in Indien, etwas Vergleichbares zu sehen bekommen; also muss ich mein Bestes versuchen, meine Eindrücke zu Papier zu bringen.
   Nach dem Mittagessen ruhten wir ein wenig und erwarteten dann, aufs beste gekleidet, die Ankunft des Admirals, Sir W. Hewett, und von Captain Ritchi, Sekretär der Regierung von Bombay, die uns abholen kamen. Als wir das Schiff verließen, standen die Laskaren auf den Rahen, und es begann ein donnernder Salut von den drei Kriegsschiffen. Alles sah im strahlenden Sonnenschein wunderschön aus - die Schiffe über die Toppen beflaggt, die Rahen bemannt, der weiße Rauch, der sich darum kringelte, die Menge an Yachten, Booten und anderen Wassergefährten, und dann die farbenfroh angezogenen Einheimischen, die am Kai hockten. Die Stufen hinunter zum Wasser waren mit scharlachrotem Tuch bedeckt, und an ihrem oberen Ende trafen wir die vornehmen Herrschaften, die gekommen waren, um den neuen Vizekönig zu empfangen; mit ihren Uniformen trugen sie ihren Teil zu der farbigen Menge bei. Nach rechts war das scharlachrote Tuch noch für ein paar Hundert Meter ausgelegt, mit einem Bogen an jedem Ende, und tropische Pflanzen zu beiden Seiten zeigten ihre grünen Blätter vor dem Hintergrund des Teppichs und der scharlachroten Balustrade. Nach ein paar Schritten hielten wir an, dann wurde eine Ansprache gehalten und beantwortet.
   Sir J. Fergusson stand hinter D. [dem Ehemann und neuen Vizekönig] und ich dicht daneben, der Stab auf einer Seite. Die Ansprache wurde von einem Parsen gehalten, den eine Gruppe Einheimischer umstand.
   Als das vorbei war, gingen D. und ich und Sir James unter dem zweiten Bogen hindurch und bestiegen Kutschen. Ich erschrak sehr, als ich die vier Pferde mitten in der Menschenmenge und dem Lärm sah, aber ich sage Dir, die Aufregung gab sich schnell, und ich hatte während der Fahrt nicht mehr die geringste Angst. Einige Adjutanten fuhren in einem Wagen vorweg, dann folgen Nelly, Rachel und ich mit Captain Dean; Sir James Fergussons' Armeesekretär kam als nächster, und dann folgten die zwei Gouverneure. Zwischen den Kutschen und um sie herum ritten einheimische Soldaten.
   Und nun kommt der Moment, der so schwierig zu beschreiben ist; ich fordere Deine Vorstellungskraft heraus, die Einzelheiten der Szene auszumalen. Stell Dir eine Fahrt von acht Kilometern durch die Stadt vor: zunächst einige sehr schöne Gebäude und große Häuser, hier und da ein freier Platz oder eine Straße, mit schönen Bäumen bestanden, dann ein langer Basar oder eine Eingeborenenstadt mit merkwürdigen alten Häusern und seltsamen Balkonen; und dann füll das ganze - Straßen, Fenster, Reihen und Reihen von Balkonen, Bäume, Kutsche - mit einer wimmelnden Menge, in der jede Person für sich allein einer Betrachtung wert ist. Einheimische jeder Gestalt und Farbe, Kleidung in brillanten Schattierungen, kleine Kinder, in allen Farben des Regenbogens bekleidet, dazu noch mit einem großen Ring in der Nase; Kinder bekleidet mit überhaupt nichts, und Eltern, so nah daran, mit nichts bekleidet zu sein, wie ich es noch nie gesehen habe; ein Fenster angefüllt mit Damen in leuchtenden Stoffen, und ein bisschen weiter vier oder fünf nackte Körper, die ein anderes Fenster zieren. Und wenn Dir die Vorstellungskraft eigentlich schon ausgeht, nimm noch acht Kilometer an Winken und Hurrarufen und die immer wiederkehrenden Orchester dazu, die »God save the Queen« von sich geben, die flatternden Taschentücher, und alles, was zu einem Menschenauflauf dazu gehört - bring also Leben in die Farbenwelt, die Deine Vorstellungskraft Dir vor Augen gebracht hat, und dann sag mir, ob das nicht eine aufregende Szenerie ist!
   Government House war einmal ein Kloster der Jesuiten. Es ist sehr hübsch, aber merkwürdig - große Räume, breite Treppenhäuser, aber, meine Liebe, so kalt! Ich habe ja erwartet, dass es mir in Bombay warm würde, aber es ist in der Tat kalt. In England wäre die Temperatur schön und angenehm, aber dort lebt man nicht in Zimmern, die sich mit Türbögen auf lange Korridore öffnen, auf denen alle Fenster offen stehen; und man wäre lieber tot als in (nicht nur einer, aber zwanzig) zugigen Luftströmungen zu sitzen. Und man würde nicht in einem Raum zu Tisch gehen, der keine Seitenwände zu haben scheint. Und man würde auch nicht erwarten, dass das eigene Schlafzimmer vier große Fenster und drei Türen hat, die alle zu gleicher Zeit offen stehen. Aber so ist es hier nun einmal!

Blackwood, Hariot Georgina, Marchioness of Dufferin and Ava
Our viceregal life in India - Selections from my journal, 1884-1888
London 1891
Übersetzung: U. Keller

Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende in Indien seit 326 v. Chr.
Wien 2007

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!