1857 - Robert Alfred Mackenzie
Der Aufstand bricht los
Meerut
Als der drohende Sturm schließlich losbrach, gehörte mein Regiment, die damalige 3. Bengalische Leichte Kavallerie, zu denen, die in Meerut revoltierten. Dazu gehörten 90 Mann mit Vorderladern, und es waren diese Gewehrschützen, die Befehle missachteten, indem sie sich weigerten, die gelieferten Patronen zu benutzen. Sie vermuteten, dass deren Schmierfett aus Schweineschmalz bestand. Dieser Vorwand war einfach absurd. Die Patronen wurden beim Regiment selbst hergestellt, und jeder wusste genau, dass so unverfängliche Zutaten wie Bienenwachs und geklärte Butter als Schmiermittel verwendet wurden. Es war aber bei den ganzen bengalischen Eingeborenentruppen die Parole ausgegeben worden, anhand der Patronenfrage zu testen, wer stärker sei, der eingeborene Soldat oder die Regierung. Jeder erinnert sich an die mysteriösen Chapattis oder Weizenfladen, die kurz vor der Meuterei von Regiment zu Regiment zirkulierten. Engländer haben niemals herausgebracht, welche Botschaft sie vermittelten, aber zweifellos waren sie eine Art Signal, das die Sepoys so verstanden, dass sie sich für die kommenden Ereignisse bereithalten sollten.
Oberst Carmichael Smith, Kommandeur der 3. Leichten Kavallerie, hielt am 14. April 1857 eine besondere Parade ab, um sich der Bereitwilligkeit oder was immer der Gewehrschützen zu versichern. Nach einer einführenden Rede, in der er erklärte, wie grundlos ihre Befürchtungen seien, befahl er, die Patronen einzusetzen. 85 Mann verweigerten das. Es folgte eine Untersuchung zu diesem Vorfall, gefolgt vom unvermeidlichen Kriegsgericht. Nur ein Urteil war möglich; und die verhängte Strafe war zehn Jahre Gefängnis für alle Verurteilten. Für einige der jüngeren Soldaten wurde das Urteil durch General Hewett, Kommandant der Streitkräfte in Meerut, auf fünf Jahre reduziert.
Am Morgen des 9. Mai war die ganze Garnison bei einer Parade, um die Strafen zu verkünden; darauf wurden jedem Gefangenem eiserne Beinfesseln an Ort und Stelle von Schmieden angelegt.
In dumpfem Schweigen wurden die zwei Eingeborenenkorps, das 11. und das 20., und mein Regiment, das abgesessen war, Zeuge dieser erniedrigenden Bestrafung. Es wäre verrückt gewesen, wenn jemand versucht hätte, die Gefangenen zu befreien, denn jeder wäre durch die Geschütze der Artillerie und die Gewehre des 60. Fußregiments Ihrer Majestät vom Antlitz der Erde gefegt worden, ganz zu schweigen von den Schwertern der 6. Dragonerwache, den Gewehrschützen, die alle mit scharfer Munition ausgestattet und so aufgestellt waren, dass die Eingeborenenregimenter ihnen ausgeliefert waren.
Länger als eine Stunde standen die Soldaten bewegungslos, die Nerven bis zum Zerreißen gespannt, während die Verbrecherfesseln sorgfältig und notwendigerweise langsam um die Knöchel der elenden Kriminellen gehämmert wurden, von denen jeder, wenn er an der Reihe war, laut seine Kameraden um Hilfe anrief und mit wütenden Worten mal den Oberst, mal die Offiziere des Kriegsgerichtes und die Regierung beschimpfte. Aus den Reihen der Soldaten kam keine Reaktion. Die eindrucksvolle Zeremonie ging ruhig zu Ende, die Gefangenen wurden von den Offizieren des Gefängnisses und einer Wache eingeborener Infanterie abgeführt, und die Truppen marschierten in die Quartiere zurück. Für einige Stunden war alles ruhig. Die Schlange der Gehorsamsverweigerung schien unterdrückt, wenn nicht vernichtet. Jedermann hoffte, dass die deutliche Lektion ihren Zweck erfüllt hatte. Aber eine große Enttäuschung stand uns bevor.
Am Abend des nächsten Tages, Sonntag, 10. Mai 1857, der uns im Gedächtnis bleiben wird, zu der Stunde, da bravere Leute als ich auf dem Weg zu Kirche waren, las ich in Ruhe ein Buch in meinem Bungalow, als plötzlich mein Bearer Sheodeen ins Zimmer stürzte und rief, dass ein »hulla-goolla« (ein Aufruhr in der Umgangssprache) im Gange sei, dass die Sepoys sich erhoben hätten und die Sahiblog [die Europäer] umbrächten. Letzteres glaubte ich nicht eine Sekunde lang, obwohl die schnellen und häufigen Gewehrsalven, die nun in den friedlichen Sonntagabend einbrachen, die Richtigkeit nur zu deutlich bestätigten. Mir schoss durch den Sinn, dass unsere Kavallerie die eingeborenen Infanteristen aus Rache für deren Spöttereien angriff, die sie, wie wir wussten, seit der Strafparade wegen der unterwürfigen Teilnahmslosigkeit und unterlassenen Hilfeleistung während der Demütigung ihrer Kameraden freigiebig verteilt hatten. Wahrhaftig, so stark ist das Band der Kameradschaft - meine Sympathien gingen alle in die falsche Richtung. Insgeheim hätte ich mich über Genugtuung für diese Beleidigungen gefreut. In Eile legte ich Uniform und Schwert an, sprang auf ein Pferd und galoppierte in Richtung Regiment. Aber kaum war ich aus meinem Hoftor, als mir der Quartierwachtmeister meines Regiments um sein Leben rennend entgegenkam.
»O Gott! Sir«, rief er aus, »die Reiter sind unterwegs, um uns in Stücke zu hauen!« Ich rief zu: »Wir müssen zusammenbleiben. Zwei sind besser als einer!« Einen Moment lang zögerte er. Dann, beim Zurückblicken auf die kleine Staubwolke, die schnell näher rückte, entschloss er sich, stürmte durch das Tor in den Hof meines Bungalows und kletterte auf die Mauer zwischen meinem und dem Nachbargrundstück. Sofort wurde er von einer kleinen Gruppe Budmashes (Schurken), aus denen mein eigener Nachtwächter hervorstach, angegriffen. Der Chowkidar warf mit dem Speer nach ihm, als er die Mauer übersteigen wollte, und schlitzte seine Lippen auf. Zu meiner Erleichterung schoss er mit dem Gewehr, das er bei sich trug, das Scheusal tot. Dann ließ er sich auf der anderen Seite der Mauer auf den Boden fallen und verschwand außer Sicht. Es wird noch über die Abenteuer, die er dann erlebte, berichtet, denn ich freue mich, sagen zu können, dass er mit dem Leben davon kam.
In diesem Moment holte ein Sepoy der Infanterie mit seinem Schwert aus, um mich am Kopf zu treffen. Ich hatte mein Schwert noch nicht gezogen und hatte nur Zeit, meinem Pferd die Sporen in die Flanken zu schlagen und es gegen meinen Feind zu drängen. Das machte seinen Streich zunichte, und sein Tulwar verfehlte glücklicherweise sein Ziel und schnitt nur mein Schulterband durch. Nun hatte ich meine Waffe aus der Scheide gezogen, aber der Sepoy verweigerte weiteres Schwertergeschwinge und kletterte schnell über die Mauer und außer Reichweite.
Als ich mich umdrehte und die Straße hinunter blickte, sah ich, dass sie voller Reiter war, die auf mich los galoppierten. Selbst da war mir noch nicht die Idee gekommen, dass sie es auf mich abgesehen haben könnten. Ich rief sie an, halt zu machen. Das taten sie auch und umringten mich. Und bevor ich noch wusste, wie mir geschah, war ich dabei, wütende Streiche von vielen Schwertern abzuwehren, so gut es ging. Nach ein paar Minuten wäre mein Schicksal besiegelt gewesen, wenn mir nicht die Vorsehung den inzwischen verstorbenen Leutnant Craigie zu Hilfe geschickt hätte, der aus seinem Hoftor ein Stückchen weiter unten an der Straße kam und mir zu Hilfe eilte. Diese Ablenkung rettete mich. Die Reiter stoben vorbei und verschwanden in die Richtung der britischen Kasernen. Nun war es nur zu klar, dass eine Meuterei, und noch dazu eine große und ernst zu nehmende, im Gang war. Was wir nun zu tun hatten, war nur zu klar, wenn auch schwer durchzuführen, denn gerade jetzt waren die Frau von Leutnant Craigie und meine Schwester mit der Kutsche unterwegs zur Kirche im europäischen Teil, und unser erster, natürlicher Impuls war, hinter ihnen her zu galoppieren. Aber sie waren vor längerer Zeit aufgebrochen und wir hofften, dass sie ihr Ziel schon erreicht hatten und unter den britischen Truppen in Sicherheit waren. Manchmal verlangt einem die militärische Disziplin das äußerste ab. Wir dachten, dass Frau und Schwester in der Hand Gottes bleiben müssten, unser Platz aber bei den Meuterern auf dem Paradeplatz war. Dorthin ritten wir so schnell es ging und fanden uns in einen fürchterlichen Aufruhr wieder.
Die meisten waren bereits zu Pferd und ritten wild umher, schrien, schwangen ihre Schwerter, schossen mit Karabinern und Pistolen in die Luft oder bildeten aufgeregte Haufen. Andere waren dabei, in Eile ihre Pferde zu satteln und sich ihren Kameraden anzuschließen.
Fast alle britischen Offiziere des Regiments kamen zum Paradeplatz und versuchten, mit Bitten oder auch Drohungen die Ordnung wiederherzustellen, aber ohne jede Wirkung. Man muss ihnen zugute halten, dass die Soldaten uns nicht angreifen, sondern wegjagen wollten; sie schrien, dass nun die Herrschaft der Company für immer zu Ende sei! Manche schienen zu zögern, sich den lautesten Meuterern anzuschließen, und Leutnant Craigie ließ das hoffen, dass wir sie für unsere Seite gewinnen könnten. Er war sehr sprachbegabt und hatte auf die Leute großen Einfluss; es gelang ihm, die Aufmerksamkeit von 40 oder 50 Soldaten zu erringen, die sich dann in einer abgesonderten Gruppe hielten. Plötzlich erreichte uns das Gerücht, dass das Gefängnis angegriffen und die Gefangenen befreit würden. Craigie rief Leutnant Melville Clarke, der jetzt nicht mehr am Leben ist, und mich, mit ihm zu kommen, und brachte die eben gesichtete Gruppe dazu, mit uns zu kommen, und los ging es in Richtung Gefängnis. Die Straßen waren voll von wild entbrannten Eingeborenen, die uns tatsächlich aufmunterten, als wir durch sie hindurchritten, denn offensichtlich konnten sie in der Dämmerung uns britische Offiziere nicht erkennen und hielten uns für einen Trupp Meuterer. Wir drei Offiziere führten sie an und ritten immer schneller, je näher wir dem Gefängnis kamen; schließlich fingen wir an zu galoppieren. Die Sepoys und die aufgebrachte Menge hatten ihr Zerstörungswerk schon begonnen. Rauchwolken überall zeigten, dass Häuser in Brand gesteckt waren. Die Telegrafenleitungen waren unterbrochen, und ein herunter hängender Draht, den ich nicht über der Straße baumeln sah, traf mich auf der Brust und stürzte mich in den Staub. Über meinen hingestreckten Körper stoben alle Nachfolgenden, und ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie ich mich fühlte, als ich die glänzenden Hufe über mir sah. Zum Glück war ich nicht verletzt, fing mein Pferd ein und saß wieder auf. Bald überholte ich Craigie und Clarke. Dabei sah ich mit Entsetzen, wie ein Palankin Gharry - eine Art kleiner Kutsche, viereckig mit Jalousien - langsam von seinem führerlosen Pferd vorwärts gezogen wurde, während ein eingeborener Soldat der 3. Kavallerie daneben her ritt und immer wieder sein Schwert durch die offene Seite auf einen Körper einstach, der schon tot war - es war eine unglückselige europäische Frau. Aber Nemesis hatte den Mörder schon im Griff. Blitzartig hatte Craigie ihm einen Streich über den Nacken versetzt und Clarke stieß ihm sein Schwert in den Körper. Der Elende fiel tot um - der erste Sepoy in Meerut war Opfer des Schwertes, das Blut sühnte.
Das war innerhalb einer Sekunde vor sich gegangen, und keiner von unseren Leuten hätte es verhindern können. Aber das Schicksal ihres Kameraden brachte sie sehr auf und machte sie wütend. Rufe »Maro, maro! (Tötet sie!)« wurden laut, und wir drei dachten, das Ende sei gekommen. Aber keiner der Männer griff uns an, und nach ein paar Minuten hatten wir das Gefängnis erreicht, aber nur, um festzustellen, dass wir zu spät gekommen waren. Die Gefangenen schwärmten bereits heraus, vor unseren Augen entfernten die Schmiede die Eisen, und die Gefängniswache, die aus eingeborener Infanterie bestand, antworteten auf unsere Anrufe mit Schüssen, die glücklicherweise nicht trafen. Wir konnten nichts anderes tun, als zu den Kasernen zurück zu reiten.
Kaum hatten wir unsere Pferde mit dem Zügel zum Umkehren gebracht, brach der volle Schrecken der Ereignisse über uns herein. Die ganze Kasernenanlage war ein Meer von Flammen. Auch wenn wir vorher schon schnell geritten waren, so flogen wir jetzt nur so dahin, denn schreckliche Angst um die Sicherheit unserer Lieben brachte uns dem Wahnsinn nahe. Während wir dahinstürmten, gab mir Craigie die Erlaubnis, mich abzusetzen und seine Frau und meine Schwester zu suchen; ich könne jeden mitnehmen, der mit mir reiten wolle. Ich hielt mein Schwert hoch und rief nach Freiwilligen, die meine Schwester retten wollten, und etwa ein Dutzend folgte mir im Galopp. Wir ritten so schnell es nur ging. Jedes Haus, an dem wir vorbei kamen, stand in Flammen, auch mein eigenes, und mir sank das Herz. Nur Craigies Haus brannte noch nicht: ein großes, doppelstöckiges Gebäude, auf einem sehr großen Grundstück und, wie damals üblich, von einer Lehmmauer umgeben. Hier fand ich Mrs. Craigie und meine Schwester. Sie waren gar nicht bis zur Kirche gekommen. Der Kutscher war, erschreckt von der tobenden Menge, umgekehrt. Als sie durch den Basar kamen, kam ein Dragoner der 6. Garde aus einem Seitenweg gerannt, verfolgt von einer brüllenden Menge. Die tapferen Damen hatten, trotz großer Gefahr für das eigene Leben, die Kutsche halten lassen, den Soldaten aufgenommen und waren dann so schnell wie möglich davongefahren, ein Stück lang verfolgt von den blutrünstigen Schurken, die jedoch, da nur zu Fuß, bald zurück blieben; aber nicht, ohne mit ihren Tulwars das Verdeck der Kutsche an mehreren Stellen zu zerschlitzen im vergeblichen Bemühen, an die Insassen zu gelangen. Man kann sich den Horror nicht vorstellen, unter dem die Damen bis zu meinem Erscheinen standen - jeden Moment fürchtend, es könne der letzte sein. Ringsum die Flammen brennender Häuser und Massen tobender Schreckensgestalten! Sie wussten nicht, ob Mann und Bruder noch am Leben waren, sie waren anscheinend von Gott und den Menschen verlassen und ohne Hoffnung auf Hilfe, aber sie verzweifelten nicht, und verloren weder ihren Mut noch ihre Geistesgegenwart. Ihr erster Gedanke war, dass Craigies Waffen gefunden werden und dorthin gebracht werden müssten, wo sie leicht zugänglich waren für den Fall, dass Craigie oder ich kämen. Sie hatten nichts vergessen. Drei doppelläufige Gewehre standen an der Wand, dabei Pulvertasche, Kugeln und Zündhütchen. Sie waren nicht geladen, denn die Damen wussten nicht, wie man das macht, und der unglückselige Soldat hatte einen Nervenzusammenbruch. Außer mir vor Freude und der Vorsehung dankbar, sie unverletzt zu finden, konnte ich doch nicht verbergen, dass die äußerste Gefahr noch lange nicht vorüber sei, und dass sie noch all ihren Mut zusammen nehmen müssten. Ich hatte im Gefühl, dass das größte Risiko die schwankenden Stimmungen meiner Männer waren, und ich entschloss mich zu einem verzweifelten Schritt: Ich brachte die Damen hinunter an die Haustür, rief die Soldaten und legte das Leben der Damen in ihre Hände. Die schnellen Gefühlsströme von Orientalen in Augenblicken hoher Aufregung nachzuvollziehen ist unmöglich. Wie Verrückte warfen sie sich von den Pferden und den Damen vor die Füße und stellten sich deren Füße auf den Kopf und schworen dabei, sie mit ihrem eigenen Leben zu verteidigen.
Sehr ermutigt durch diesen offensichtlich aufrichtigen Gefühlsausbruch befahl ich den Männern nun, aufzusitzen und durch die Gegend zu patrouillieren; ich nahm die Damen mit nach oben und lud alle Gewehre. Eines stellte ich für sich an die Wand. Lange Zeit später, im ruhigen England, erzählte mir meine Schwester, die immer noch am Leben ist, dass sie und auch Mrs. Craigie genau gewusst hatten, welchem geheimen Zweck dieses Gewehr als letztes Mittel hätte dienen sollen, und das dieses Wissen sie ruhig und stark gemacht hatte.
Helles Licht von den brennenden Häusern ringsum strömte durch die Fenster. Das Zischen und Krachen des brennenden Holzes, die Schreie des Mobs, häufige, scharf klingende Gewehrschüsse, all das ergab einen vermischten Geräuschpegel, der die Nerven der Damen schon hätte überwältigen können. Aber in dieser schrecklichen Nacht habe ich gelernt, zu welch stillem Heldentum unsere Frauen in der Stunde der Not imstande sind. Als ich auf den Balkon trat, sahen mich einige aus dem Mob, der das gegenüber liegende Haus verwüstete. »Da ist ein Ferengi«, schrien welche, »lasst uns sein großes Kothi (Haus) anzünden!«, und mehrere Männer rannten mit brennenden Fackeln zur Umfassungsmauer; aber als sie sahen, dass ich das Gewehr auf sie richtete, überlegten sie es sich und zogen sich zurück. Das passierte mehr als einmal. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis unser Haus in Flammen aufging. Zum Glück fiel mir ein, dass es auf dem Grundstück einen kleinen Hinduschrein gab, auf einem hohen Fundament fest aus Stein gebaut und mit nur einem Eingang über einer Treppe aus Stein oder Backstein versehen. Wenn ich meine Schutzbefohlenen, Waffen und Munition unbeschadet über den freien Platz zwischen uns und diesem Gebäude schaffen könnte, würde ich gewiss aushalten können, bis Hilfe kam - Hilfe würde doch bestimmt kommen! Lagen nicht die 6. Dragoner, die 60. Schützen und die Batterien der berittenen Artillerie nur ein paar Meilen entfernt?
Zu diesem kritischen Zeitpunkt wurden wir durch die Ankunft von Leutnant Craigie aufgemuntert, der, nachdem ich ihn verlassen hatte, zum Paradeplatz zurückgeritten war, wo der Aufruhr noch in vollem Gange war; die Anstrengungen der britischen Offiziere, die Männer zur Räson zu bringen, waren vollständig vergebens. Schließlich sahen sie die Hoffnungslosigkeit weiterer Anstrengungen ein, und da die Männer mehr und mehr außer Kontrolle gerieten, sahen sie sich gezwungen, sich in den europäischen Komplex zurückzuziehen; die nun für immer geschändeten Regimentsstandarten nahmen sie mit. Major Fairlie brachte auch eine Kugel mit, die in seinem Sattelbaum gesteckt hatte. Craigie bahnte sich dann unter Lebensgefahr seinen Weg zu uns zurück, begleitet von ein paar Männern, die die ganze Zeit bei ihm geblieben waren. Er war mit meinem Plan sehr einverstanden, und nachdem wir ihn den Damen erklärt hatten, sammelten sie schnell ein paar benötigte Kleidungs- und Ausrüstungsstücke zusammen; jede trug ihr Bündel und war so weit wie möglich getarnt mit einer dunklen Decke; wir warteten einen günstigen Moment ab und rannten schnell hinüber zu unserer neuen Festung; Craigie, der Soldat und ich trugen die Waffen.
Dort angekommen, konnte man uns zumindest nicht mehr ausräuchern, und wir waren auch sicher vor der Überwältigung durch die feige Meute, mit der wir es zu tun hatten. Das Innere war sehr beengt, vielleicht drei Meter im Quadrat. Vorne war der enge Eingang, und in den dicken Wänden gab es Schlitze wie Schießscharten, durch die wir beobachten konnten, ob jemand versuchte, an uns heran zu kommen. Ab und zu brachten unsere Soldaten Neuigkeiten. Es war noch nicht lange dunkel, als sie berichteten, dass alle Meuterer, beritten und zu Fuß, sich in Richtung Delhi in Marsch gesetzt hätten. Ihr Angriff auf die Europäer, wenn sie denn einen gemacht hatten, war offensichtlich fehlgeschlagen, und die einzigen Plünderer, die es noch in Meerut gab, waren die Metzger und anderer Abschaum in Stadt und Basar.
Mackenzie, Alfred Robert
Mutiny Memoirs: Being Personal Reminiscences of the Great Sepoy Revolt of 1857
Allahabad 1892
Übersetzung: U. Keller
Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende in Indien seit 326 v. Chr.
Wien 2007