1646 - Jürgen Andersen
Der Mogul zieht durch die Stadt
Agra
Am 27. Januar hat der große Mogul Schah Choram ein großes Bankett gehalten, um den Geburtstag seines ältesten Sohnes, König von Bengalen, zu begehen. Nach der Mahlzeit begab sich der König in eine außerhalb der Stadt gelegenes Serail oder eine Karawanserei, wo immer grimmige Tiere unterhalten werden wie wilde Elefanten, Tiger, Löwen, Büffel und wilde Bullen, die der König zum Schauspiel zu gebrauchen pflegt; sie kämpfen entweder untereinander oder müssen mit Menschen streiten, die für die edelsten oder mannhaftesten gehalten werden wollen oder sonst des Moguls Gnade zu erwerben gedenken. Beim ausreiten hielt der König folgende Prozession ab.
An Anfang machten 100 hintereinander gehende Elefanten, von denen etliche mit köstlich bestickten, mit Edelsteinen und Perlen besetzten Samtdecken trugen. Die vordersten 12 trugen jeder zwei große Heerpauken samt Pauker. Vor den Paukern auf des Elefanten Schulter saß ein anderer, der mit einem eisernen Haken den Elefanten, ihm leise auf den Kopf hauend, regierte. Die folgenden Elefanten trugen jeder auch zwei Personen; die vordersten regierten die Elefanten, die hinteren trugen spitze Fähnlein oder Standarten.
Dann kam der Mogul auf einem sehr großen Elefanten, der mit einer überaus köstlichen, mit vielen Diamanten und Edelsteinen bestickten Decke belegt war. Oben auf saß der Mogul in einem achteckigen, erhabenen Stuhl, aus Ebenholz und Elfenbein gemacht, mit Gold beschlagen und überall mit Diamanten besetzt. Des Elefanten Zähne waren vorn mit gülden Blech überzogen, er hatte am Hals auch ein schön gesticktes Band mit vielen Glocken, auf jeder Seite gingen zwölf Lakaien. Einer von ihnen trug einen Schirm an einer langen Stange über das Haupt des Mogul, um die Sonnenstrahlen abzuhalten, ein anderer einen großen Buschen aus Pfauenfedern, dem Mogul damit die Luft zu kühlen und die Fliegen abzuhalten, wenn er auf der Erde sitzt.
Hinter dem König gingen um die 200 Capaden oder Verschnittene. Diesen folgte die Karosse, die nur zwei Räder hatte; sie wurde von zwei mutigen Ochsen gezogen, deren Hörner im vorderen Viertel mit Gold überzogen waren, und sie hatten köstliche Halsbänder mit vielen silbernen und vergoldeten Glocken.
Diesen folgten vier arabische Handpferde, deren Sattel mit goldenem Blech überzogen, der Zaum und anderes Geschirr aus schwarzem Samt, überall mit Gold, das der ersten beiden mit Diamanten, der anderen mit Rubinen besetzt.
Danach kam des Königs Sohn in einer Sänfte, auch von Ebenholz zierlich gemacht und mit Diamanten besetzt. Über der Sänfte war ein Himmel von rotem Scharlach mit Gold und Perlen gar reich bestickt.
Dann folgten zu Pferde acht Chane oder Herzöge und andere große Herren, Sattel und Pferdezeug der ersten mit Gold, der andern mit Silber beschlagen. Die Kleider der Chane waren aber nur von schlechtem Bafta oder Kattun. Jeder dieser Herren hatte Diener nebenher gehen, die einen Schirm über Ihnen trugen. Dann kamen 600 Personen zu Pferde, gar köstlich mit Goldstücken und Seidengewändern bekleidet.
Diese Prozession beschlossen vier Jäger des Königs, von denen jeder einen Leoparden auf dem Pferd sitzen hatte, denen mit gelbem Kattun die Augen verbunden waren. Diese gebrauchen sie an Stelle von Jagdhunden und können mit ihnen allerhand großes und kleines Wild fangen.
So ging der Mogul durch die Stadt.
Orientalische Reisebeschreibung von Jürgen Andersen
in: Olearius, Adam (Hg.)
Orientalische Reisebeschreibungen
Schleswig 1669; Nachdruck 1980