Um 1609 - William Hawkins
Bei Schah Dschehangir
Agra
Die täglichen Ausgaben für den Schah selbst, das heißt für alle seine Tiere, darunter einige königliche Elefanten, die er selbst reitet, für Kleidung, Lebensmittel und andere kleinere Posten für seinen Hof belaufen sich auf 50.000 Rupien. 30.000 Rupien pro Tag betragen die Ausgaben für seine Frauen.
Was ich hier aufgeschrieben habe, bezieht sich auf den Schatz, die Ausgaben und die monatlichen Zahlungen am Hof von Agra. Jeder seiner Paläste hat seinen eigenen Schatz, insbesondere Lahore.
Dieser Mogulkaiser pflegt das Vermögen seiner Adligen bei ihrem Tod in Besitz zu nehmen und deren Söhnen nach Gutdünken zuzuteilen; normalerweise behandelt er sie gut, teilt das Land unter sie auf und zeigt für den ältesten Sohn Achtung, indem er ihm den Titel des Vaters verleiht. Zu meiner Zeit gab es einen großen indischen Prinz mit Namen Raja Jagannath; als der Schah dessen Gut nach seinem Tod übernahm, stellte sich heraus, dass er - neben Juwelen und anderen Schätzen – 60 mal 55 Pfund Gold besessen hatte.
Es ist auch üblich, dass ihm täglich ein kleiner Teil seiner Schätze - mit Ausnahme der Münzen - vorgeführt wird, also seine Tiere und alles andere von Wert. Alles wird gleichmäßig in dreihundertsechzig Teile aufgeteilt, sodass er täglich eine bestimmte Anzahl sieht, also Elefanten, Pferde, Kamele, Dromedare, Maultiere, Ochsen und alle anderen; auch Juwelen, und so geht es das ganze Jahr. Denn was man ihm heute zeigt, sieht er erst in einem Jahr wieder.
Es gibt dreihundert königliche Elefanten, auf denen der Schah selbst reitet. Wenn sie ihm vorgeführt werden, kommen sie in großer Pracht, mit zwanzig der dreißig Mann, die mit Wimpeln vorausmarschieren. Die Stoffe, mit denen sie bedeckt sind, sind sehr reich, entweder Goldstoff oder Samt. Die weiblichen Gefährten und Kälber und vier bis acht junge Elefanten als Pagen werden auch mitgeführt. Diese Elefanten und auch die anderen Tiere sind unter den Adligen und wichtigen Männern als Aufsehern verteilt. Der Schah zahlt eine gewisse Summe dafür, aber viele Tiere verbrauchen mehr als diese Summe. Die königlichen Elefanten fressen täglich für mehr als 10 Rupien Zucker, Butter, Korn und Zuckerrohr.
Es gibt nichts Wunderbareres als diese Tiere, und sie sind ganz zahm. Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie der Schah einem seiner Söhne mit Namen Sharir, der nur sieben Jahre alt war, befahl, zu einem Elefanten hinzugehen und sich mit dem Rüssel aufnehmen zu lassen. Der tat das auch, und nach ihm viele andere Kinder. Wenn die Elefanten vorgeführt und für zu mager befunden werden, fallen die Hüter in Ungnade, wenn es nicht einen sehr guten Grund dafür gibt. Und so ist es mit allem, dass jeder die ihm Anvertrauten gut pflegt, und sei es auf eigene Kosten.
Wenn der Mogul sich auf einem Feldzug oder auf der Jagd befindet, nehmen seine Zelte fast so viel Umfang ein wie die Stadt London, wenn nicht mehr. 200.000 Menschen folgen ihm, und das Lager ist wie eine Stadt ausgerüstet. Dieser König gilt als der größte Herrscher des Ostens wegen seines Reichtums, seiner Ländereien, und der Zahl an Menschen, Pferden, Elfanten, Kamelen und Dromedaren. Er und seine Adligen beisitzen 40.000 Elefanten, von denen die Hälfte für den Krieg dressiert ist. Diese Elefanten sind von allen Tieren die verständigsten.
Er hat auch eine unendliche Anzahl an Dromedaren. Sie sind sehr schnell und können jede Stadt unerwartet angreifen. So machte es der Vater des jetzigen Schah: seine Feinde glaubten ihn in Agra, aber er war in Amadavar, und dorthin gelangte er in neun Tagen auf diesen Dromedaren mit 12.000 ausgesuchten Männern.
Ich will nun einiges über die Lebensgewohnheiten des Schahs und die Sitten an seinem Hof erzählen. Wenn er in Agra ist, betet er bei Tagesanbruch in einem schönen Raum für sich auf einem wunderbar schwarzen Stein (dem berühmten schwarzen Thron), nur mit einem Lammfell unter sich, mit dem den Kopf nach Westen. Er hat um die acht Schnüre, von denen jede aus 400 Kugeln besteht. Die sind aus Perlen, Spinellen, Diamanten, Rubinen, Smaragden, Aloeholz, Eshem und Korallen. Vor dem Thron befinden sich Bilder von der Jungfrau und Christus, in Stein graviert. Er bewegt also die Kugeln mit den Fingern und sagt dabei 3.200 Worte, so viele, wie es Kugeln gibt, und dann ist sein Gebet zu Ende. Dann zeigt er sich dem Volk und nimmt dessen Huldigung entgegen. Eine große Menge versammelt sich jeden Morgen zu diesem Zweck. Dann schläft er noch zwei Stunden, dann isst er und verbringt seine Zeit mit den Frauen, und zu Mittag zeigt er sich dem Volk wiederum bis drei Uhr. Er sieht bei Sportübungen und anderem Zeitvertreib von Männern zu, auch bei Tierkämpfen, jeden Tag gibt es etwas anderes. Um drei Uhr versammeln sich die Adligen (alle, die in Agra und gesund sind) am Hof und der Schah hält öffentliche Audienz; er sitzt auf seinem Thron, die Adligen stehen je nach Rang, die höchsten auf einer roten Estrade. Der Generalleutnant weist die Plätze zu. Diese Estrade ist um drei Stufen höher als der Platz für die anderen. Mein Platz befand sich auf der Estrade zwischen den Allerwichtigsten. Die Geringeren werden von Offizieren auf Plätze innerhalb einer anderen, geräumigen Estrade gewiesen und außerhalb stehen Reiter und Soldaten, die zu den Hauptleuten gehören, und die Gemeinen. Zu den Estraden gibt es viele Zugänge mit Wachen, die weiße Stöcke tragen, um für Ordnung zu sorgen. In der Mitte direkt vor dem Schah steht einer seiner Vögte und der Oberhenker, begleitet von 40 Henkern, die auf ihrem Kopf eine bestimmte gesteppte Mütze tragen, anders als alle anderen, und eine Axt auf der Schulter; und dann sind da noch Männer mit vielen verschiedenen Peitschen, bereit für die Befehle ihres Königs.
Der Schah hört hier alle Fälle an und bleibt jeden Tag etwa zwei Stunden. (Die indischen Könige sitzen jeden Tag zu Gericht, und donnerstags finden die Hinrichtungen statt.) Dann begibt er sich zu seinem Gebetsraum. Nach dem Gebet werden vier oder fünf Gerichte aus sehr gut zubereitetem und gebratenem Fleisch gereicht, von denen er isst, wie es ihm gefällt, um seinen Magen zu pflegen, und trinkt ein starkes Getränk. Dann begibt er sich in ein privates Gemach, in das niemand kommt, den er nicht selbst beruft. (Zwei Jahre war ich hier als Aufwärter.) Hier trinkt er noch fünf Schalen auf Anweisung seiner Ärzte. Dann nimmt er Opium und erhebt sich. Wenn der Rausch wirkt, legt er sich schlafen und alle verlassen ihn. Nachdem er zwei Stunden geschlafen hat, wird er aufgeweckt und ihm Essen serviert, er kann jetzt nicht selbst essen, sondern wird gefüttert. Das ist gegen ein Uhr, und den Rest der Nacht schläft er.
Foster, William
Early Travels in India 1583-96
London 1921
Übersetzung: U. Keller