1774 - Georg Forster
Mit James Cook auf der zweiten Reise: Kein Land im Süden
Am 28sten [Januar] Nachmittags kamen wir neben einem großen Bette gebrochnen Eises vorbey. Die Boote wurden also ausgesetzt, und eine große Menge Eisschollen aufgedient, um unsern Vorrath von Trinkwasser damit zu ergänzen. Um Mitternacht war das Thermometer nicht tiefer als 34 Grad [Fahrenheit = +1 °C], und am folgenden Morgen hatten wir den angenehmsten Sonnenschein, den wir je in diesem kalten Erdstrich angetroffen. Mein Vater wagte sich also nach vierwöchentlicher Bettlägerigkeit zum erstenmale aufs Verdeck. Wir machten uns jetzt Hoffnung eben so weit gegen Süden zu kommen, als andre Seefahrer gegen den Nordpol gewesen; am 30sten aber um 7 Uhr Morgens entdeckten wir ein festes Eisfeld von unabsehlicher Größe, das von Ost zu West vor uns lag, und verschiedne Fuss über die See empor zu ragen schien. Auf der Fläche desselben lag, so weit das Auge nur reichen wollte, eine Menge hoher Eismassen unregelmäßig aufgethürmt, und vor demselben her trieb eine Bank von Brucheis in der See herum. Unsre Breite war damals 71 Grad 10 Minuten südlich, und wir waren also nicht völlig 19 Grad mehr vom Pol entfernt. Da es aber unmöglich war weiter vorzudringen; so kehrten wir um, wohlzufrieden mit unsrer gefährlichen Expedition und völlig überzeugt, daß sich kein Seemann die Mühe geben werde, weiter zu gehen. Unsre Länge war damals ohngefähr 106 Grad 54' westlich. Das Thermometer stand hier bei 32 Grad und eine Menge Pinguins ließen sich mit ihrem koaxenden Geschrey hören, obgleich wir ihrer, des einfallenden Nebels wegen, nicht ansichtig werden konnten.
So oft wir bis jetzt noch gegen Süden gekommen waren, eben so oft hatten wir auch nie Land angetroffen, sondern waren allemal bald früher, bald später durch festruhende, unabsehliche Eis-Bänke in unserm Laufe aufgehalten worden. Zugleich hatten wir den Wind immer mäßig, und in den höhern Breiten, gemeiniglich östlich gefunden, eben so als er in den höhern nördlichen Breiten seyn soll. Aus diesen Umständen schließt mein Vater, daß der ganze Südpol bis auf 20 Grad, mehr oder weniger, mit festem Eise bedeckt ist, und daß nur die äußersten Enden oder Spitzen davon jährlich durch Stürme abgebrochen, durch die Sonne geschmolzen und im Winter wieder ersetzt werden.
Forster, Georg
Reise um die Welt
Berlin 1784; Nachdruck Frankfurt/M. 1967