1624 - Johan Gregor Aldenburgk
Mit einem holländischen Ostindienfahrerauf den Kapverden
Wir lagen an bemelter Insul (S. Antonio) auff rehe, clareten, krencketen vnd reinigten das Schiff, machten alle Towe wider gut. Hierauff setzeten wir vnsern Boot, auff welchen 15. mit halben biquen (Piken) armirte Matroosen neben zwey wol geladenen passen (Bassen) oder Cammerstücken auß, das Land zu erkundigen, vnd erfrischung von Früchten zu holen, als sie aber ans Land kamen, keinen bequemen Ort auszusteigen fanden, inmassen die Wellen zu groß, vnd den Nachen an Klippen schedlichen, leget das Volck den Druckancker (Dreganker), vnd schwamme an das Land, da sahen sie viel Böcke vnd Geisen wilder art, vermeyneten anfänglich es Reuter zu seyn, lieffen in die See, schwammen an Nachen, huben den Ancker auff, vnnd fuhren widerumb an deß Schiffes Port, die Geschicht zu erzehlen: Die Officirer höreten solches, commandirten derentwegen den Serganten mit etlichen Musquetirern sampt Matroosen das Land zu erkundigen, da haben sie nichts als Böcke, Geisen, vnd wilde Katzen antroffen…
Insula S. Vincent, etwas weiter davon zu melden, ist ein Land, wohnet damals kein Mensch, vnnd sind wilde Bäume etwa proceritate höher als ein Mann darauff, dieser Bletter vnd Blühte sind wie bey vns Wolffsmilch anzusehen, Die Soldaten vnd Botsgesellen in angreifen deroselben sich also vergiffteten, daß die jenigen welche ihre Augen darauff angerühret, gantz stockblind worden sind, darneben grosse Schmertzen, welche hitzige Gifften die Barwirer mit Rosenwasser wider abkühleten vnd curireten, erlidten haben.
Auff der Erden wuchsen Coloquinten (port. Cloquintida = bittere wilde Äpfel), die waren gar bitter zu kosten, an welchen Land wir auch in der Fasten viel Rabos furcatos, die lange spitzige Schwäntze als ein Schneidersscheer gespalten hatten (port. Rabos forcado = Fregattvogel), Item, grosse Raubvögel,welcher Schwäntze, wann sie von einander gebreitet werden, eine gantze Klaffter erreicheten, gesehen haben.
Zu deme, weil viel wilde Böcke vnnd Geisen darob anzutreffen, wir viel hundert derselben jageten, vnnd zu verfrischung an die Schiff brachten.
In gleichen wurde von vns gesehen sehr viel Ungezieffer, grosse und kleine Schlangen, die sonderlich deß Nachts sich sehr vnruhig mit zischen vnd dergleichen erzeigeten.
So wol ein überauß grosse menge Schildbatten (Schildkröten), auff einer gewißlich drey Mann stehen, die Schildbadde sie gleichwol weg tragen, vnd über welches Thieres sehr dicken Schild ein Lastwagen ohn verletzung desselben fahren kan, welche Thier auff den Meer vnd Insulen leben, vnd begeben sich mense Majo an das Land, legen ihre Eyer in den Sand, vnd werden von der Sonnen Wärme außgebracht.
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An bemelter Insul S. Vincent, fuhren viel von vnserm Volck mit Fischnetzen an das Land, inlegeten vnd zogen dieselbe, so bekamen sie mancherlei vnd vielerlei wunderliche species der Fische, darauß sie Gottes Allmacht sehen vnnd spüren musten, zu einander sprechende: Gleich wie der liebe Gott die Wiesen, Gärten, Länder und Wälde mit herrlichen colörten Blumen, Bäumen vnd Thieren gezieret, also hat der Dreyeinige Gott das Meer mit schönen wunder gestalten vnd gefärbten Fischen geschmücket. Dann da war eine part blaw, weiß vnd gelb, die ander part roht vnd gelb, streiffweiß; eine part Blutroth mit gelben Augen sehr groß, eine part waren halb auch gantz vnd grösser Klaffteriche Fische, die Zähne hatten von der art eines Menschen, grosse Ale mit langen Storchschnäbeln, Meer Igeln, derer Leib dick, mit langen Stacheln, ohne Füß sampt einen Fischschwantz, vnd dergleichen wunderseltsame gattung von Fischen, welcher Namen ich nicht alle zu Papier bringen kan, Item, Seehane, welche, wann sie berühret wurden, zu krehen anfiengen.
Wit setzten an gedachter Insul alle vnsere krancken an das Land sich zu erfrischen, machten Gezelte, auff daß sie vor Hitz und Regen bleiben, vnd zu ihrer Gesundheit gelangen kundten. Daselbsten baweten die Schiffszimmerleute sieben Schloupen damit die Soldaten and Land zu setzen.
In gleichen wurde alle Tag drey Mann von einem jeden Schiff Schantzkörbe von Cedernbäumen zu machen commendiret, deren wir etliche zwantzig, darzu auch die Hürten zum trencheen verfertigten, vnd in die Schiff brachten, vnseren Anschlägen ferner zu secundiren. Zu S. Vincent die Soldaten exercirt, all jhr Gewehr visitirt, der Mangel am Land widerumb verbessert, vnd eines jeden Capitäns Namen vnd Zahlen nicht allein auff seiner compagni Musqueten, sondern auch die morlionen (Helme) verzeichnet vnd gestochen wurden.
Die Matroosen musten die Tonnen auß den Schiffen an das Land, dieselben wider mit Wasser zu versehen bringen, vnd Holtz auff den Schiffen in der combuis oder Küchen zu brennen, abhawen.
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Die nicht fern davon ligende Insul S. Antonio, ist ein sehr klippichte Insul, darauff wohnen Banditen (Verbannte), welche in Hispanien, Portugal oder Pisceira etc. jhr Leben verwircket, oder mißthätige Wercke begangen haben, die sind dahin verbannet, das Land zu bawen, vnd Tribut davon zu geben, dero Handelschafften sind schöne Böckfell, Fischtran, Saltz etc.
Ihr saltz kochet die Sonn auß dem Meerwasser, vnd wachsen cardun oder Baumwollstauden, Seidenwürm, schöne Frücht, als Pomerantzen, Citronen, Lamonien, Feigen, Calabassen etc. daselbsten, auch an den Klippen am Meerstrand Pimsenstein, Schwammen, die sie zu jhrem gebrauch weich kochen, vnd veralieniren.
An die Insul S. Antonio waren 300. Musquetirer commendiret, vnd haben wenig ausgerichtet, sintemal ein solches hohes steinigt Land es war, da wir keine paschaschi (Passage) hinein zu kommen finden kundten. Endlich so marchiren die Compagien ab an einen andern Ort, in welchen ein Dörfflein neben einer Capell in die Klippen hinein gebawet, von Menschen vnd Vieh ledig lag. Wir fanden aber ein enges Fußsteiglein, stiegen vnd kletterten zum theil die Officirer mit einen Tropp hinauff, wie die Banditen solches weiß wurden, kamen dieselbe auff den andern Berg mit jhrer grossen Hunden, blossen Säbeln vnd Pallaschen auffgezogen, giengen roht vnd gelb von Cartoban oder Hispanischen Leder daher, hatten Carapusen (Kapuzen) auffgesetzt, frageten auff jhr Hispanisch, was wir begehreten? man antwortet: Wir wolten gütlich mit jhnen vmb verfrischung von Pomerantzen, Citronen, Feigen, Lamonien, etc. accordiren, darauff sie respondireten ist das gütlich accordiren, wann jhr mit Gewehr an vnser Land setzet, kundten derentwegen nicht wol zu jhnen mit dem gantzen Volck kommen. Unter deß verlauffet sich ein Hochdeutscher Soldat, war Adelporß (Rang: Rottmeister oder Gereiter), vnter Capitän Ernst Kiff, zu weit auff die Klippen, welchen die Banditen besetzet vnd gematzet haben. Wir bekamen von jhnen einen Esel sampt einer englischen Tock (Hund), den Esel schlugen wir nieder, den Hunger damit zu stillen. Als dieses die obgemeldten jnnwohner sahen, fingen sie wider an auff vns zu ruffen, vnd liessen ihre Säbel vnd Pallaschen vmb den Kopff herumb blancken, fragende, Ob wir Christen, oder nicht, daß wir jhre Thier, die jhnen jhr Brod verdienen müsten, abtheten?
Wir liefferten jhnen ein Scharsi (Charge), machten vns auff vnsere Schloupen, vnd führen wirderumb an die Schiff.
Johann Gregor Aldenburgk
Reise nach Brasilien 1623-1626
Neu herausgeben nach der zu Koburg bei Friedrich Grüner im Jahre 1627 erschienenen Originalausgabe
in der Reihe: Reisebeschreibungen von deutschen Beamten und Kriegsleuten im Dienst der Niederländischen West- und Ost-Indischen Kompagnien 1602-1797; Herausgegeben von S. P: L'Honoré Naber, 1. Band, Haag 1930