1906 - H. Hergesell
Bericht von Schiffbruch der "Ile de France"
Spitzbergen
Der Kreuzer "Friesland" konnte übrigens in jenen Jahren eine wirkliche Rettungstat vollbringen. Ich möchte diese Episode, die im Jahre 1906 stattfand, hier kurz erzählen.
Zu jener Zeit befand sich ein französisches Touristenschiff in den nordischen Gewässern mit etwa 400-500 Touristen an Bord. Die Eisverhältnisse waren damals besonders günstig, das Polareis lag beinahe bei 80° nördlicher Breite. Sämtliche nördlichen Buchten, auch die Wijdebai waren eisfrei. Das große Touristenschiff wagte sich deshalb, um diese günstige Situation auszunutzen, zu weit nach Norden in nicht gehörig ausgelotete Gewässer. Es fuhr in der Nähe der Foulbai auf einen unterirdischen Felsen und konnte sich mit eigener Kraft nicht mehr losbringen, wiewohl ein großer Teil der vorhandenen Kohlen und 50 Passagiere zur Entlastung des Schiffes an Land gesetzt wurden. Das Schiff saß so stark auf, daß es sich bei eintretender Ebbe vollkommen schief legte. Sowohl unsere Jacht "Princesse Alice" als der Kreuzer "Friesland" befanden sich weiter im Osten in der Wijdebai. Wir bemerkten, wie plötzlich der Kreuzer, der nördlich von uns mit Vermessungen beschäftigt war, abdampfte. Da wir keinen andern stichhaltigen Grund entdecken konnten, waren wir bereits der Meinung, daß die Ursache das herannahende Polareis war, welches die Wijdebai im Norden zu schließen drohte. Dem war aber nicht so. Der Kreuzer war durch ein kleines norwegisches Eisschiff zur Hilfeleistung von der "Isle de France" herbeigerufen worden. Erst nach vielen vergeblichen Versuchen - dreimal brach die Schifftrosse - gelang es dem großen Kriegsschiff, das Touristenschiff bei eintretender Flut frei zu bekommen. Beim Loskommen rammte schließlich noch die "lsle de France" das holländische Schiff, das nur durch die Geistesgegenwart des holländischen Kapitäns vor einer schweren Havarie bewahrt wurde. Was aus dem Touristenschiff geworden wäre, wenn nicht zufällig der große kräftige Kreuzer sich in der Nähe befunden hätte, ist gar nicht auszudenken. Das Schiff wäre sicher bei eintretendem schlechtem Wetter zugrunde gegangen. Ob 400-500 Touristen auf der Nordwestecke von Spitzbergen imstande gewesen wären, sich längere Zeit durch Jagd zu erhalten, ist sehr zweifelhaft. Wir auf der "Princesse Alice" waren auf jeden Fall froh, daß die Sache so auslief. Die verhältnismäßig kleine Jacht wäre nicht imstande gewesen, das Schiff abzuschleppen noch die Touristen aufzunehmen.
Miethe, A.; Hergesell, H. (Hg.)
Mit Zeppelin nach Spitzbergen
Bilder von der Studienreise der deutschen arktischen Zeppelin-Expedition
Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart 1911