Um 985 - Anonymus
Erik der Rote: Aufbruch nach Grönland
Erik und seine Gefolgschaft wurden auf dem Thorspitz-Thing [wegen Totschlags] geächtet. Da ließ Erik sein Schiff rüsten in der Eriksbucht, doch Eyjolf verbarg ihn in der Dimunbucht, während Thorgeir und seine Leute die Inseln überall nach ihm absuchten. Erik sagte, er habe vor, nach dem Land zu suchen, dass Gunnbjörn einst sah, der Sohn Ulf Krähes, als er westwärts auf dem Meer trieb und die Gunnbjörnschären entdeckte. Er versprach, zu seinen Freunden zurückzukommen, falls er jenes Land auffände. Thorbjörn, Eyjolf und Styr geleiteten Erik über die Inseln hinaus, und sie schieden als die besten Freunde. Erik versprach jedem seine Hilfe, soweit sie in seinen Kräften stünde, wenn sie ihnen einmal nottun sollte.
Erik segelte nun am Schneebergsgletscher [Snaefellsjökul auf einer Landzunge nördlich von Reykjavík] vorüber aufs Meer, und er kam zu dem Gletscher auf Grönland, der Blaumantel [möglicherweise der Gletscher beim heutigen Ammassalik] heißt. Von dort fuhr er südwärts, um zu sehen, ob er Land fände zur Besiedlung. Den ersten Winter brachte er auf der Eriksinsel zu, etwa in der Mitte der Westsiedlung [im Gebiet des heutigen Nuuk, früher Godthab]. Das Frühjahr darauf fuhr er zum Eriksfjord [heute: Tunulliarkfjord, an seinem Ende liegt die moderne Siedlung Narsarsuaq], wo er sich ansiedelte. Im Sommer des gleichen Jahres fuhr er in die westlichen Einöden und gab dort vielen Stätten Namen. Im zweiten Winter war er auf Eriksholm bei Rabenklipp (Kap Farvel) und im dritten Sommer fuhr er ganz nach Norden zum Schneegebirge und dann in den Rabenfjord [nicht identifiziert] hinein. Da dachte er, er wäre nahe am Ende des Eriksfjords. So wendete er um und verbrachte den dritten Winter auf der Eriksinsel an der Mündung des Eriksfjords.
Im nächsten Sommer kehrte er nach Island zurück und kam zum Breidafjord. Den Winter verlebte er bei Ingolf auf Holmlager. Im Sommer fuhr er fort, um das Land zu besiedeln, das er gefunden hatte. Er nannte es Grönland, das grüne Land, weil er meinte, die Leute würde eher Lust bekommen, sich dort niederzulassen, wenn es einen so schönen Namen habe. Erik wirtschaftete fortan zu Steilhang am Eriksfjord.
Niedner, Felix (Übersetzer)
Grönländer und Fähringer Geschichten
Jena 1929
Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende im Nordmeer seit dem Jahr 530
Wien 2009