1778 - H. Zimmermann, Matrose, auf der dritten Reise von Cook
Indianer, Eskimos und keine Nordwestpassage
Kanada / USA
Am 7. März sahen wir bei 44 Grad nördlicher Breite Land, wurden aber durch einen sehr heftigen Sturm davon abgetrieben, und wegen dessen langer Dauer konnten wir es erst am 28. März wieder zu Gesicht bekommen. Wir liefen am anderen Tag ungefähr 48 Grad nördlicher Breite in einem schönen und bequemen Hafen ein, den Herr Cook St. George-Sund nannte, und befuhren diesen nordwestlichen Teil von Amerika von besagtem 48. Grad bis in den 72. Grad längs der Küste. Die amerikanischen Küsten vom 48. Grad gegen den Pol zu sind auf den Focantischen Karten ganz unrecht angegeben. Dieselben laufen bald östlich bald westlich hin und zurück, und unter dem 56. Grad gegen Osten haben wir ein beträchtliches Kap angetroffen.
Wir ankerten inzwischen an verschiedenen Plätzen, und bis zum 65. Grad trafen wir auf dieser Küste Einwohner an. Sie waren alle von Leibes- und Gesichtsfarbe den O-tahiten zwar ähnlich, aber nicht so groß, und sie sind sehr fürchterlich anzusehen, weil sie ihr Gesicht mit schwarzen, roten und gelben in die Länge und Quere laufenden Strichen über und über bemalen.
Ihre Sprache hat mit den übrigen Insulanern gar nichts gemein; ihre Kleider bestehen in Biber-, Zobel-, und Seehundpelz, und sie sind ganz bekleidet. Einige tragen auch Gewänder von geflochtenem Bast, und auf dem Kopfe haben sie eine aus einer Baumrinde gemachte spitze Kappe.
Auf das Vertauschen ihrer Waren, die hauptsächlich in vorgenanntem Pelzwerk bestehen, sind sie sehr versessen. Sie führten über den Vorzug, wer von ihnen sich mit uns in Handel einlassen durfte, einigemale miteinander Krieg, und die stärkste Partei nahm der schwächeren sowohl ihre Waren, wie auch das, was sie schon von uns eingetauscht, gewaltsam weg.
Bei dem Vertausch gebrauchten sie die Wörter makuk, tschlboks und tschikimli sehr oft; makuk heißt kaufen, tschiboks gut, und durch tschikimli deuteten sie an, daß sie einen großen Nagel dafür haben wollten.
Ihre Wohnungen sind aus Holz zusammengefügt, elende Hütten, ganz zugemacht, und oben zur Abhaltung des Regens mit Gras bedeckt. Ihre Nahrung besteht aus Fischen und Wildbret, wovon das Land in allerlei Arten einen sehr reichen Überfluß hat. Dann nahmen wir auch getrocknetes Menschenfleisch bei ihnen wahr, das sie mit Appetit aßen und auch uns zu versuchen geben wollten. Wir tauschten von ihnen einige getrocknete Menschenhände ein und nahmen sie mit nach England.
Ihre Waffen bestehen in Flitzbögen, die verstärkt und mit gedörrten Walfischdärmen gleich einer Saite kunstvoll umwunden sind. Die Pfeile sind von schönem Bein gemacht, vorn an der Spitze ist ein geschliffener spitzer Achat oder Schieferstein kunstvoll und fest eingesetzt, und die Pfeile gehen daher sehr schnell und scharf ein. Sie sind sehr geschickt im Gebrauch ihrer Flitzbögen, und überhaupt ein sehr streitbares und herzhaftes Volk; so viel wir bemerken konnten, führen sie beständig gegeneinander Krieg, und was ermordet wird, wird auch aufgezehrt.
Diejenigen, die in der Nähe der spanischen Besitzungen, die sich damals bekanntlich nur bis zum 42. Breitengrad erstrecken, leben, haben Pfeile, die vorne mit Eisen und Kupfer beschlagen sind; und vermutlich müssen sie auch dieses Metall von den Spaniern bekommen. Ebenso sind ihre Kähne in dieser Gegend schön und nach europäischer Art gebildet, auch zum Teil schon ziemlich groß. Wie wir aber weiter an der Küste hinauf und bis zum 58. und 59. kamen, trafen wir schon eine ganz andere Art von Kähnen an. Diese sind ganz aus Fellen zusammengesetzt, mit dünnen Hölzern auseinandergespannt und bis auf eine kleine Öffnung in der Mitte ganz zugemacht. In diese Öffnung kann sich ein Mann hineinsetzen; dieser zieht bei der Ausfahrt ein aus einer Walfischblase ordentlich zusammengesetztes Kamisol an, und um die Öffnung selbst ist ein Stück Walfischblase festgemacht. Diese bindet er um den Leib, und wenn schon einer in der See umwirft, so kann es ihm, solange er sein Ruder behält, gar nichts schaden, denn er kann sich allemal durch dasselbe wieder auf die andere Seite herumschwimmen und aufrichten.
Im 58. und 59. Grad unterscheidet sich das Volk von den übrigen; wir bemerkten hier, daß die Einwohner an der Unterlippe sich noch einen Mund schnitten und sich auch falsche Zähne von Verstorbenen kunstvoll einsetzten.
Abenteuerlich waren diese Leute mit zwei Mäulern, und wie sie zu beiden die Zunge herausstreckten, anzusehen; und es machte sie noch gräßlicher, weil sie unter der Nase durch den Nasenknorpel ein ungefähr fünf bis sechs Zoll langes dünnes Stück Bein gezogen hatten.
Über die Religion und Gebräuche dieses gesamten amerikanischen Volkes konnte ich, weil wir uns nirgends viel aufhielten, keine Erkundigungen einziehen; es ist aber das ungesittetste und unartigste Volk unter allen wilden Nationen, das wir auf der ganzen Reise gefunden, und selbst ihre Mundart ist ganz stürmisch, weil sie mit außerordentlichem Geschrei alle ihre Reden vorbringen.
Einmal rückten sie in zwei Partien in ungefähr vierzig bis fünfzig Kähnen gegen uns vor; sie umringten die Schiffe und fuhren dreimal um sie herum. Wir befürchteten einen Angriff und luden die Kanonen; sie stimmten alsdann in ihren Kähnen einen sehr schönen Gesang an, und schlugen den Takt mit ihren Rudern. Die Genauigkeit, die sie bei dem Einhalten des Taktes beobachteten und der ungehindert ihrer starken Stimmen liebliche Gesang, zogen besonders unsere Verwunderung an. Von jeder Partie war einer wie ein Harlekin in verschiedenen Farben gekleidet; diese wechselten ihre vielfarbigen Kleider und verschiedene vor das Gesicht gebundene Masken öfters und machten allerlei Possenspiel.
Das gesamte amerikanische Volk ist in der Fischerei sehr geschickt, sie wissen sogar die Walfische zu fangen. Sie haben Harpunen von Bein und diese gleich ihren Pfeilen vorne mit einem geschliffenen scharfen Stein versehen. In der Mitte hat diese Harpune ein Gewerbe, und wenn sie in den Walfisch eingeworfen ist, kann sie wegen des Gewerbes nicht mehr heraus. Sie verfolgen den Walfisch beständig und werfen so lange Harpunen auf ihn, bis er verblutet.
Das Land selbst ist mit vielerlei Arten schöner und außerordentlich großer Bäume an der Küste versehen. Wir nahmen auch mehrere feuerspeiende Berge wahr. Dann zeigten sich mehrere bequeme Häfen und Meerbusen; ungefähr bei 59 Grad entdeckten wir eine besonders große, in das Land gehende Bucht. Wir fuhren hinein und fanden zwei Wege: einen gegen Südwesten und den anderen gegen Osten. Wir verfolgten den ersten; nach zwei Tagen Segeln gingen wir, weil die Straße endete, wieder zurück, und versuchten den anderen Weg in einer Länge von ungefähr 260 Grad. Wir kamen bis 200 deutsche Stunden gegen Osten in das Land, und wir lebten alle in der besten Hoffnung, daß Amerika hier geteilt sei, wir die Durchfahrt [Nordwestpassage] machen und die zur Belohnung ausgesetzten zwanzigtausend Pfund Sterling verdienen könnten. Als wir nur noch ungefähr sechzig deutsche Meilen von Hudsonbay entfernt waren, kamen wir auf einen frischen Strom, der uns entgegen kam. Dieser Strom ist so ansehnlich groß, daß ihm keiner in ganz Europa beikommt. Er teilte sich in mehrere starke Arme. Herr Cook entschloß sich, weil das Wasser frisch und süß war, und er daher keine Durchfahrt vermutete, wieder zurückzukehren, tat es auch wirklich. Es wurde zwar Herrn Cook der Vorschlag gemacht, er möchte die Schiffe vor Anker liegen lassen und eine Untersuchung mit dem kleinen Fahrzeug anstellen, ob hier keine Durchfahrt vorhanden sei. Herr Leutnant Gore verlangte sogar von ihm, daß er ihm die in den Schiffen in Stücken aufbewahrte kleine Schaluppe aufsetzen lasse, und ihm zwanzig Mann und auf drei Monate Proviant überlassen möchte, er alsdann die Durchfahrt in diesem kleinen Fahrzeug sicher entdecken und in der Zeit von drei Monaten wieder in England sein wollte. Herr Cook willigte nicht in diesen Vorschlag ein, vermutlich weil er sich nicht gern von Leuten enblößen wollte, und weil er sich seinen Plan gemacht hatte, daß er in diesem Jahr und Sommer so weit es möglich gegen den Nordpol vordringen und hier vor allem untersuchen wollte, ob keine Durchfahrt zu finden sei. Herr Cook hatte hierzu auch alle Ursache, weil ansonsten die günstige Zeit verstrichen, und er in diesem Jahr nicht gegen den Nordpol vorrücken könnte. Er hatte auch nach allen Umständen bei sich beschlossen, im folgenden Sommer auf dem vorgenannten frischen Strom eine Untersuchung anzustellen, die aber durch seinen unvorhergesehenen Tod vereitelt wurde.
Auf dem Rückweg fanden wir, daß das Land bis zum 56. Grad nördlicher Breite südwestlich zurück- und vorliefe. Wir verfolgten von diesem Grad das Land wieder gegen Norden an der Küste, und als wir ungefähr zum 60. Grad kamen, fanden wir am 12. Juni abermals eine große Öffnung gegen Süden in das Land. Wir fuhren in dieselbe hinein, und nach zwei Tagen stießen wir wieder auf einen frischen, uns entgegenkommenden Strom. Herr Cook ging, ohne das Ende aufzusuchen, wieder zurück, und äußerte, daß hier keine Durchfahrt sei, sondern der im 59. Grad entdeckte Strom in diese Straße einmünde und andeute, daß das vorspringende Land, nämlich das schon oben gemeldete Kap, eine Insel sei.
Nach der Rückkehr aus dieser Öffnung änderte Herr Cook seinen Lauf und ging hinüber gegen die asiatische Küste.
Zimmermann, Heinrich
Reise um die Welt mit Capitain Cook
Mannheim 1781