1793 - Alexander Mackenzie
Über die Wasserscheide der Rocky Mountains
Gegen Südosten sahen wir eine Reihe schneebedeckter Berge. Rechts war das Land drei bis vier Meilen weit niedrig und morastig, stieg dann aber zu einer Reihe Anhöhen auf, die sich in Richtung auf das Gebirge erstreckten. Wir fuhren neuneinhalb Meilen weiter. Hier floss vom linken Ufer her ein Fluss ein, der ungefähr ein Viertel so groß war wie der, in den er mündete. Von da fuhren wir sechs Meilen. Abends um sieben landeten wir. Den größten Teil des Weges lief der Fluss auf der linken Seite dicht unter dem Gebirge hin.
Auf die ermunternden Äußerungen meines Dolmetschers an unseren Führer, alle Besorgnisse fahren zu lassen, mit treu zu bleiben und nicht in der Nacht zu entfliehen, erwiderte der: »Wie wäre es möglich, die Hütte des Großen Geistes zu verlassen! Wenn es mir sagt, dass er mich nicht mehr braucht, dann werde ich zu meinen Kindern zurückkehren.« Auf der weiteren Reise verlor er jedoch bald und aus guten Gründen seine hohe Meinung von mir.
Am 11. [Juni] schifften wir uns bei hellem und klarem Wetter früh um vier wieder ein und steuerten OzS eineinhalb Meilen, OSO eine halbe Meile. Hier erschien links ein Fluss am Fuß eines Berges, der wegen der kegelförmigen Gestalt von meinen jungen Indianern Biberbauberg genannt wurde. Eine halbe Meile weiter nach SSO fiel ein anderer Fluss rechts ein. Wir kamen nun in eine Linie mit dem Anfang des Gebirges, dessen wir gestern ansichtig wurden. Ein anderes, ähnliches Gebirge lief mit diesem parallel auf der linken Seite des Flusses, der hier nur 15 Yards breit war und eine gemäßigte Strömung hatte.
Jetzt fuhren wir drei Meilen. Hier schien das Gebirge zur Linken aus einer Reihe runder Berge zu bestehen, die fast bis an den Gipfel mit Holz bewachsen, oben aber mit Schnee und verdorrten Bäumen bedeckt waren. Von hier fuhren wir 17 Meilen. Das Kanu hatte so viel Wasser geschöpft, dass wir landen mussten, um das Leck zu verstopfen. Nach einer Stunde steuerten wir dann drei Meilen bei einem links einströmenden kleinen Fluss vorüber, dann noch zwei Meilen.
Hier verließen wir den Hauptarm, der, den Angaben unseres Führers zufolge, nach kurzer Entfernung endet, und an seine Stelle tritt der Schnee, der das Gebirge bedeckt. In dieser Richtung liegt auch ein Tal, das sehr tief zu sein scheint und voller Schnee ist, der beinahe bis an das Hochland herankommt und ein hinlänglich großer Wasserbehälter ist, um bei mäßiger Hitze einen Fluss entstehen zu lassen. Der Arm, den wir verließen, war jetzt nicht über zehn Yards breit, noch weniger breit aber war der, in den wir nun einfuhren. Die Strömung war sehr gering, und der Lauf schlängelte sich so, dass wir es oft schwer fanden, vorwärts zu kommen. Die gerade Richtung auf einen kleinen See oder Teich war östlich eine Meile. Die Einfahrt in diesen See wurde fast ganz durch eine Menge Treibholz gehemmt, was mich wunderte, bis ich herausfand, dass es vom Gebirge herabfällt. Das Wasser war jedoch so hoch, dass die Gegend völlig überschwemmt war und wir mit dem Kanu zwischen Baumästen dahinfuhren. Das häufigste Gehölz entlang dem Ufer ist dem Pechtanne; dazwischen stehen einige weiße Birken an einzelnen Stellen, andere sind mit Weiden und Erlen bewachsen. Wir kamen ungefähr eine Meile in den See hinein und nahmen unser Nachtquartier bei einem indianischen Lager. Hier erwarteten wir, Eingeborener ansichtig zu werden, aber vergebens. Doch machte uns unser Führer Hoffnung, dass wir sie am folgenden Morgen sehen würden. Nachmittags kamen uns Biber zu Gesicht, aber aus Besorgnis, die Eingeborenen zu erschrecken, schossen wir auf sie nicht, ebenso wie auf die zahlreichen Schwäne, Gänse und Enten. An kleinen Vögeln sahen wir – außer einer Art gelb gefiederter - blaue Dohlen und einen schönen Kolibri. Die letzten beiden hatte ich im Nordwesten noch nicht gesehen. Auch bemerkten wir Fähren von Elchen, die über den Fluß gegangen waren, und fanden eine Menge wilden Pastinak als willkommenes Gemüse.
Am 12. war das Wetter wie am Tag vorher. Wir brachen zwischen drei und vier Uhr auf. In den am vorigen Abend aufgestellten Netzen fanden wir eine Forelle, einen Weißfisch, einen Karpfen und drei Jubs. Der See ist in Richtung Ost zu Süd ungefähr zwei Meilen lang und 300 bis 400 Yards breit. Wahrscheinlich ist es die höchste und südlichste Quelle des Peace River, der nach einem schlängelnden Lauf durch eine ungeheure Landstrecke, nachdem er viele große Flüsse aufgenommen hat, durch den Sklavensee geht und sich ins Eismeer ergießt. [Diese Annahme ist richtig. Südlich des Sklavensees heißt er heute Slave River, nördlich Mackenzie River.]
Wir landeten und entluden das Kanu an einer Stelle, an der wir einen benutzten Fußsteig über einen niedrigen Landrücken von 817 Schritten zu einem anderen kleine See fanden. Die Entfernung der beiden Gebirge voneinander ist hier ungefähr eine Viertelmeile, an beiden Seiten zeigen sich felsige Abhänge. Einige große Pechtannen und Pappeln waren hier auf dem Umtrageplatz verstreut. Auch standen längs des Ufers Weiden mit viel Gras und Unkraut. Die Einwohner hatten hier ihre alten Kanus und Körbe zurückgelassen. In den Körben befanden sich allerlei Gerätschaften, von denen ich ein Netz, einige Angelhaken, ein Bockshorn und eine Art hölzerner Fallen, in denen nach Aussage unseres Führers Murmeltiere gefangen werden, mitnahm, und dafür ein Messer, einige Feuerstähle, Glaskorallen, Pfrieme und dergleichen hinterlegte.
Hier stürzten rechts zwei Ströme von den Felsen in den See herab, den wir soeben verlassen hatten, während von den vor uns liegenden Höhen zwei andere in den See fielen, dem wir uns näherten. Wir befanden uns hier auf der höchsten Landesspitze, die diese Gewässer trennt, und gingen nun mit dem Strom. Der letztere See liegt mit dem vorigen in der gleichen Richtung, ist aber schmaler und nicht halb so lang. Wir mussten einiges Treibholz aus dem Weg räumen, um zum Umtrageplatz zu kommen, über den ein benutzter Pfad von nur 175 Schritten ging.
Nach diesem Umtrageplatz ergießt sich dieser See in einen kleinen Fluss, den wir so voll von Holz fanden, dass wir einige Zeit und Mühe anwenden mussten, um hindurch zu kommen. Bei der Einfahrt fanden wir kaum Wasser genug, um das Kanu weiterzubringen; bald aber wurde er durch viele kleine Ströme vergrößert, die in unregelmäßigen Bächen von der schroffen Bergseite herabkamen und wahrscheinlich aus geschmolzenem Schnee entstanden waren. Diese Ströme waren so kalt wie Eis. Unsere Fahrt wurde indessen noch immer sehr von Sandbänken und Bäumen, die in den Fluss gefallen waren, gehemmt. Mit viel Zeit und Mühe mussten wir uns durch erstere einen Weg erzwingen und durch letztere hauen. Auch war der Fluss an vielen Stellen reißend und schlängelnd. Um vier Uhr nachmittags mussten wir landen und umtragen. Um fünf Uhr kamen wir an einen kleinen runden See, der etwa eine halbe Meile im Durchmesser hatte. Vom letzten See bis hierher möchte die gerade Linie Ost zu Süd sechs Meilen betragen, bei dem schlängelnden Lauf des Flusses ist aber die Entfernung zweimal so groß. Wir kamen von neuem in den Fluss und fanden ihn jetzt sehr schnell und ungestüm über ein Bett von flachen Steinen strömend. Um halb sechs Uhr wurden wir durch zwei große Bäume aufgehalten, die sich quer über den Fluss gelegt hatten, und nur mit großer Mühe konnten wir verhindern, dass das Kanu dagegen getrieben wurde. Hier luden wir aus und schlugen unser Nachtlager auf.
Das Wetter an diesem Tag war trübe und rau, und da die Umstände uns genötigt hatten, oft in dem eiskalten Wasser zu sein, waren wir sehr erstarrt. Einige meiner Leute, die ans Ufer gegangen waren, um das Kanu zu erleichtern, fanden es wegen des schroffen Bodens sehr schwer, zu uns zu kommen, und es war beinahe finster, als sie uns erreichten. Bald nach unserer Landung schickte ich zwei meiner Leute ab, um die Gegend weiter unten zu untersuchen, um eine Vorstellung der Schwierigkeiten von morgen zu erhalten. Sie kamen mit einem fürchterlichen Bericht über Stromschnellen, gefallene Bäume und große Steine zurück.
Jetzt bemerkten wir an unserem Führer augenscheinliche Spuren von Missvergnügen; er war bei der Fahrt über einige Stromschnellen sehr unruhig geworden und äußerte großes Verlangen nach Rückkehr. Er zeigte uns ein nicht weit entferntes Gebirge mit der Bemerkung, es liege auf der anderen Seite eines Flusses, in den sich der unsere ergieße.
Am 13. fingen meine Leute sehr zeitig an, einen Weg freizuhauen, um Knau und Ladung über die Stromschnelle zu bringen. Um sieben Uhr waren sie damit fertig, und nun war das Umtragen bald abgetan. Das Kanu wurde nun wieder beladen, um mit dem sehr schnellen Strom zu gehen. Um unser Fahrzeug zu erleichtern, wollte ich mit einigen anderen zu Fuß wandern. Meine Leute verlangten aber sehr ernsthaft, dass ich mich einschiffen sollte, damit, wenn sie ihren Untergang finden sollten, ich mit ihnen umkommen müsste. Ich dachte nicht, dass ihre Besorgnisse so bald ihre Berechtigung finden würden. Wir stießen nun vom Ufer ab und waren noch nicht weit gekommen, als das Kanu sich drehte und trotz aller Anstrengungen seitwärts den Fluss hinunter getrieben und an der ersten Ducht zerbrochen wurde. Ich sprang sogleich ins Wasser und meine Leute folgten mir. Ehe wir aber das Kanu gerade richten oder auch nur aufhalten konnten, kamen wir in tieferes Wasser, sodass wir schleunigst wieder einsteigen mussten. Einer der Kanuführer, der nicht schnell genug war, musste so gut er konnte ans Ufer zu kommen versuchen. Wir waren kaum wieder im Kanu eingerichtet, als wir an einen Felsen getrieben wurden, der das Heck des Fahrzeuges so zerschmetterte, dass es bloß noch am Dollbord hing und der Steuermann nicht mehr länger an seinem Platz bleiben konnte. Die Gewalt dieses Stoßes trieb uns auf die entgegen gesetzte Seite des nur schmalen Flusses. Hier erlitt der Bug des Kanus das gleiche Schicksal wie das Heck. Gleich ergriff der Vordermann einige Zweige eines kleinen Baumes in der Hoffnung, das Kanu anzulegen, deren Elastizität war aber so groß, dass er in einem Augenblick ans Ufer geschleudert wurde, und zwar mit einer Gewalt, dass wir ihn für verloren hielten. Unsere Lage erlaubte es aber nicht, dass wir uns nach ihm umsahen, denn nach wenigen Augenblicken kamen wir über einen Wasserfall, der mehrere große Löcher in den Boden des Kanus riss und alle Duchten zerbrach, eine hinter dem Paddlersitz ausgenommen. Aber sonst hätte das Fahrzeug unvermeidlich umschlagen müssen. Sobald das Wrack wieder flach auf dem Wasser stand, sprangen wir gerade alle heraus, als der Steuermann, der seinen Platz hatte verlassen müssen und sich noch nicht von seinem Schrecken erholt hatte. Seinen Gefährten zurief, sie sollten sich zu retten versuchen. Meine entschiedenen Befehle besiegten jedoch die Wirkungen seiner Furcht, und alle hielten sich am Wrack fest. Dieser glücklichen Entschlossenheit verdankten wir unsere Rettung, denn sonst wären wir durch die Gewalt des Wassers an den Felsen zerschmettert oder über die Fälle getrieben worden. So wurden wir mehrere hundert Yards fortgetrieben, und bei jedem Schritt waren wir am Rand des Abgrunds. Endlich langten wir jedoch glücklicherweise in seichtem Wasser und einem leichten Wirbel an, wo wir mehr durch die Schwere des auf Steinen ruhenden Kanus als durch den Aufwand unserer erschöpften Kräfte stehen zu bleiben vermochten. Denn so kurz auch unsere Anstrengungen waren, da der beunruhigende, schreckliche und gefährliche Auftritt nur einige Minuten gedauert hatte, so groß waren sie auch, da es dabei um Leben und Tod ging. Jetzt, da wir wieder ein bisschen Atem schöpften, riefen wir die am Ufer gehenden Leute zu Beistand herbei, und sie kamen sogleich. Allen voran der Vordermann, der dem außerordentlichen Sturz ans Ufer ohne Schaden entgangen war. Die Indianer weinten, statt uns zu helfen. Ich blieb im Kanu, bis alles ans Ufer gebracht worden war, in einem sehr unangenehmen Zustand, da ich so sehr erfroren war, dass ich mich schließlich vor Erstarrung kaum mehr aufrecht halten konnte.
Der Verlust, den wir bei diesem Unfall des Kanus erlitten hatten, war beträchtlich und wichtig; denn wir vermissten unseren ganzen Vorrat an Kugeln und einige Gerätschaften. Aber der Gedanke daran verlor sich vor dem Eindruck, den unsere wunderbare Rettung auf uns machte; auch hatten wir keinen persönlichen Schaden von Bedeutung erlitten, meine Quetschungen schienen die beträchtlichsten. Endlich kam auch der Kanuführer, der im ersten Augenblick der Gefahr ans Ufer hatte gehen müssen, nach wenigen Minuten zu uns.
Jetzt wurden alle ans Ufer gebrachten Vorräte getrocknet. Glücklicherweise hatte das Pulver keinen Schaden erlitten, und auch meine Instrumente waren gerettet. Übrigens waren meine Leute, nachdem sie sich von ihrem Schrecken erholt hatten und sich ihrer Rettung zu freuen anfingen, wenn nicht alle, so doch zum Teil, keineswegs über den erlittenen Unfall traurig. Sie hofften, dass er unserer Reise ein Ende machen würde, umso mehr, da wir kein Kanu mehr hatten und alle Kugeln versunken waren. Es schien ihnen unmöglich, unter diesen Umständen die Reise fortzusetzen.
Ich erwiderte aber auf alle diesen Bemerkungen nicht eher etwas, als bis sie sich von ihrem panischen Schrecken ganz erholt, durch eine derbe Mahlzeit und Rum in Mengen erwärmt und neuen Mut bekommen hatten.
Mackenzie, Alexander
Reisen von Montreal durch Nordwestamerika nach dem Eismeer und der Süd-See in den Jahren 1789 und 1793 …
Hamburg 1802