28. April 1789 - William Bligh
Meuterei auf der Bounty
Vor Tofua, Tonga
Wir blieben den Nachmittag über in der Nähe der Insel Kotuh, in der Hoffnung, dass sich einige Kanus an das Schiff begeben würden; meine Erwartungen wurden aber nicht erfüllt. Der Wind kam von Norden her; ich musste daher gegen Abend, um südlich unter Tofoa hin zu schiffen, westwärts steuern, und gab den Befehl, dass dieser Lauf über Nacht beibehalten werden sollte. Der Obersteuermann hatte die erste, der Konstabel die mittelste, und Herr Christian die Morgenwache. Dies war die Ordnung für den Dienst in dieser Nacht. Dienstags, den 28. April, kurz vor Sonnenaufgang kamen, als ich noch schlief, Herr Christian, der Exerziermeister, der Gehilfe des Konstabels, und Thomas Burket, ein Matrose, in meine Kajüte, ergriffen mich, banden mir die Hände mit einem Stricke auf den Rücken, und drohten, mich augenblicklich zu töten, wenn ich spräche, oder nur den mindesten Lärm machte. Ungeachtet dieser Drohung rief ich so laut, dass ich jedermann aufschreckte; allein die Empörer hatten sich der Offiziere, die nicht von ihrer Partei waren, dadurch, dass sie Schildwachen vor die Türen ihrer Kajüten gestellt, bereits versichert. Vor meiner Kajüte standen drei Mann, und in derselben waren vier andere, von denen nur Christian einen Hirschfänger, die übrigen aber Flinten mit Bajonetten hatten. Ich wurde aus dem Bett gerissen und in bloßem Hemde mit Gewalt auf das Verdeck geführt, wobei ich große Schmerzen litt, weil mir die Hände zu fest gebunden waren. Als ich nach der Ursache einer solchen Gewalttätigkeit fragte, drohte man statt aller Antwort, mich augenblicklich zu töten, wenn ich nicht schwiege. Der Steuermann, der Konstabel, Herr Elphinston, ein Steuermannsgehilfe und Nelson wurden unter dem Verdeck eingesperrt; und an das vordere Kapploch zum Matrosenraum waren Schildwachen gestellt. Der Bootsmann und der Zimmermann durften auf das Verdeck gehen, wo sie mich, die Hände noch auf den Rücken gebunden, hinter dem Besanmast stehen und Herrn Christian an der Spitze derer sahen, die mich bewachten. Der Bootsmann bekam nun Befehl, das große Boot auszusetzen, wobei man ihm drohte: wenn er nicht augenblicklich gehorchte, so möchte er sich in Acht nehmen. Sobald das Boot in der See war, befahl man den Seekadetten Herrn Hayward und Hallet, desgleichen Herrn Samuel, dass sie hineinsteigen sollten. Ich fragte wieder, weshalb man so verführe, und suchte zugleich, einige wieder zu ihrer Pflicht zurückzubringen; aber es war alles vergeblich, und man sagte immer zu mir: Schweigt Herr, oder Ihr seid des Todes! - Während der Zeit hatte der Steuermann anfragen lassen, dass es ihm erlaubt sein möchte, auf das Verdeck zu kommen; man bewilligte ihm sein Gesuch, aber bald ließ man ihn wieder nach der Kajüte zurückführen. Ich bemühte mich nun noch weiter, der Sache eine andere Wendung zu geben; aber jetzt nahm Christian, anstatt des Hirschfängers, den er bisher in der Hand gehabt hatte, ein Bajonett, das man ihm brachte, hielt mich bei dem Stricke fest, mit dem meine Hände gebunden waren, und drohte mir unter vielen Flüchen, dass er mich augenblicklich töten würde, wenn ich nicht ruhig wäre. Dabei hatten auch die Bösewichter rings um mich her die Hähne ihrer Flinten gespannt und die Bajonette aufgesteckt. Nun rief man verschiedene Leute auf und stieß sie in das Boot; daraus schloss denn, dass man mich mit ihnen aussetzen wollte. Ich machte jetzt einen neuen Versuch, die Aufrührer zu andren Gesinnungen zu bringen; aber er hatte weiter keine Wirkung, als dass man drohte, man würde mir den Kopf einschlagen. - Der Bootsmann und die Matrosen, die in das Boot gehen sollten, erhielten Erlaubnis, Bindfaden, Segeltuch, Stricke, Segel und Tauwerk zusammen zu suchen. Auch erlaubte man ihnen, eine Tonne Wasser von 28 Gallonen, und dem Zimmermann, seinen Kasten mit Handwerkszeug mitzunehmen. Herr Samuel bekam 150 Pfund Schiffszwieback nebst einer kleinen Quantität Rum und Wein. Er brachte auch einen Quadranten und einen Kompass in das Boot, aber man untersagte es ihm bei Lebensstrafe, eine Karte, Seekalender, astronomische Beobachtungen, Sextanten, Längenuhr, oder auch nur irgend eine von meinen Vermessungen und Zeichnungen anzurühren. Nun stießen die Aufrührer alle die, welche sie los sein wollten, in das Boot. Als die meisten darin waren, ließ Christian jedem von seiner Partei einen Schluck Branntwein geben. Ich sah jetzt leider, dass nichts weiter zu tun wäre, um mich des Schiffes zu bemächtigen; denn es war niemand mehr da, der mir helfen konnte, und alle Bemühungen von meiner Seite nutzten weiter nichts, als dass man mir den Tod androhte.
Nun rief man die Offiziere und stieß sie mit Gewalt über Bord in das Boot, indes ich, von allen Anderen abgesondert, hinter dem Besanmaste stand, wo Christian, mit einem Bajonett in der Hand, mich noch immer an dem Strick fest hielt, mit dem mir die Hände gebunden waren. Die Wachen um mich her hielten ihre Flinten auf mich angeschlagen; aber, als ich die undankbaren Elenden aufforderte zu feuern, brachten sie den Hahn wieder in Ruhe. Isaak Martin, einer von meinen Wächtern, war, wie ich sah, geneigt, mir beizustehen. Er gab mir etwas Pompelmusfrucht zu essen, weil mir über das Bestreben, die Empörer auf andre Gesinnungen zu bringen, die Lippen ganz trocken geworden waren; und dabei äußerten wir einander unsre Wünsche durch Blicke. Aber man bemerkte dies; und nun wurde Martin sogleich von mir entfernt. Er wünschte jetzt, das Schiff zu verlassen, und ging schon in das Boot; aber man nötigte ihn mit vielen Drohungen zurückzukehren. Der Büchsenmacher, Joseph Coleman, und die beiden Zimmerleute Mackintosh und Norman wurden ebenfalls gegen ihre Neigung zurückbehalten, und sie baten mich noch, als ich schon hinter dem Schiffe im Boote war: ich möchte nicht vergessen, dass sie keinen Anteil an dem Vorgange zu haben bezeugten. Auch Michael Byrne musste, wie man mir gesagt hat, gegen seinen Willen im Schiffe bleiben. - Es wäre überflüssig, wenn ich erzählte, wie viele Mühe ich mir gab, die Pflichtvergessenen wieder zu ihrer Schuldigkeit zurückzubringen. Da ich fest gebunden war und außer der Wache niemand zu mir herankommen durfte, so konnte ich sie nur im Allgemeinen anreden; und das war ganz vergeblich.
Herrn Samuel verdanke ich die Rettung meiner Tagebücher, meines Patents und verschiedener wichtiger, das Schiff betreffender Papiere. Ohne diese hätte ich nichts zum Zeugnis für meine Handlungen; meine Ehre und mein Charakter wären vielleicht verdächtig geworden, ohne dass ich sie durch gehörige Belege hätte verteidigen können. Herr Samuel rettete alle die erwähnten Papiere mit großer Fassung, ob man ihn gleich bewachte und genau auf ihn Acht gab. Er suchte auch die Längenuhr in Sicherheit zu bringen, ferner eine Kiste mit allen meinen zahlreichen Vermessungen, Zeichnungen und seit fünfzehn Jahren gesammelten Bemerkungen; man riss ihn aber fort, und rief ihm mit einem Fluche zu: er solle zufrieden sein, dass er so viel weggebracht habe. Wie es mir schien, war Christian eine Zeit lang zweifelhaft, ob er den Zimmermann oder dessen beide Gehilfen behalten sollte; endlich entschied er sich für die letzteren, und jener musste in das Boot steigen, wohin er auch, obgleich nicht ohne einigen Widerspruch, seinen Kasten mit Handwerkszeug mitnehmen durfte. Während dieses ganzen Vorganges waren die Aufrührer unter sich selbst sehr uneins. Einige sagten: „Ich will verdammt sein, wenn er (ich nämlich) nicht den Weg nach Hause findet, sobald er etwas mitbekommt". Andere riefen, als der Zimmermann seinen Kasten wegtrug: „Verflucht! er wird sich in einem Monat ein Schiff gebaut haben". Noch andere lachten aber über den hilflosen Zustand des Bootes, da es so tief im Wasser ging und wenig Raum für so viele Menschen hatte. Christian seinerseits schien darauf zu sinnen, wie er sich selbst und alles um sich her sogleich vernichten wollte. - Ich verlangte Waffen; aber man lachte mich aus, und sagte: da ich mit dem Volke, zu dem ich hinführe, so gut bekannt wäre, so würde ich wohl keine brauchen. Indes warf man uns, als das Boot schon nach dem Hinterteile des Schiffes getrieben war, doch vier Hirschfänger zu.
Jetzt waren die Offiziere und Seeleute, mit denen man mir bis jetzt gar keine Gemeinschaft erlaubt hatte, in das Boot gebracht, und sie warteten nur noch auf mich. Der Exerziermeister benachrichtigte Christian hiervon; und dieser sagte nun zu mir: „Kommt, Kapitän Bligh! Eure Offiziere und Matrosen sind jetzt im Boot, und Ihr müsst zu ihnen; wenn Ihr nur den geringsten Widerstand zu tun versucht, so kostet es Euch augenblicklich das Leben!" Und nun ward ich, indes er mich bei dem um meine Hände gebundenen Stricke festhielt, und eine Anzahl bewaffneter Bösewichter mich umringte, ohne weitere Umstände über die Schiffsseite in das Boot gedrängt, wo man meine Hände losband. Als ich in dem Boote war, ließ man uns an einem Taue bis hinter das Schiff treiben. Dann warf man uns einige Stücke gesalzenes Schweinefleisch, einige Kleidungsstücke und auch die schon erwähnten Hirschfänger in das Boot. Jetzt riefen mir, wie ich schon vorhin erwähnte, der Büchsenmeister und die Zimmerleute zu: ich sollte nicht vergessen, dass sie bei dem Anschlag die Hand nicht im Spiele gehabt hätten. Wir mussten nun noch vielen Hohn erdulden und den gefühllosen Elenden eine Zeitlang zum Spotte dienen; dann wurden wir endlich in den weiten Ozean fortgestoßen.
Bligh; William
Aus dem Logbuch der Bounty
Berlin 1783
Nachdruck Hamburg 1963