1773 - Georg Forster
Auf Eua
Tonga
Die Gutherzigkeit des Volks äußerte sich in ihren kleinsten Handlungen, ja in jeder Gebehrde. Sie ließen sichs sehr angelegen seyn, uns mit Cocos-Nüssen zu bewirthen, deren Milch überaus wohlschmeckend war. Alles vereinigte sich, uns diesen Aufenthalt angenehm zu machen; selbst die Luft, die wir einathmeten, war mit balsamischen Dünsten angefüllt. Anfänglich wußten wir nicht, wo dieser vortrefliche Geruch herkäme; bey näherer Untersuchung aber fand sich, daß wir ihn einer schattenreichen Art von Citronen-Bäumen zu verdanken hatten, die hinter dem Hause und eben in voller Blüthe standen. Wir durften uns nicht lange an dem bloßen Geruch begnügen, denn die Einwohner setzten uns bald auch Früchte von diesem Baume vor. In Westindien sind solche unter dem Namen Shaddocks bekannt; zu Batavia aber und in den ostindischen Inseln, werden sie Pompelmusen genannt. Diese hier waren kugelrund, beynahe so groß als ein Kindeskopf und von ganz vortreflichem Geschmack. Zu beyden Seiten der vor dem Hause befindlichen Wiese, lief ein Zaun von Rohrstäben hin, die durchaus creutzweis geflochten und fest mit einander verbunden waren. Durch diesen Zaun gelangte man, vermittelst einer Thür von Brettern, in eine ordentlich angelegte Plantage oder Baumgarten. Die Thür war so gehangen, daß sie von selbst hinter uns zufiel; und das Rohrgehäge war mit Zaun-Winden (Convolvulus) überwachsen, die größtentheils himmelblaue Blüthen hatten. Um die guten Anstalten der Einwohner genauer zu untersuchen, trennten wir uns in verschiedne Partheyen und fanden bey jedem Schritt neue Ursach, zufrieden zu seyn. Das Land sahe überall wie ein weitläufiger Garten aus, indem es durchgehends mit hohen Cocos-Palmen und Bananen, ungleichen mit schattigen Citronen- und Brodfrucht-Bäumen besetzt war. In diesen anmuthigen Gefilden streiften wir einzeln umher und fanden eine Menge neuer Pflanzen, dergleichen auf den Societäts-Inseln nicht wuchsen. Ein Fussteig leitete uns endlich nach einem Wohnhause, welches gleich jenem auf der Wiese angelegt und mit Buschwerk umgeben war, dessen Blüthe die ganze Luft mit Wohlgeruch erfüllte. Die Einwohner schienen thätiger und fleißiger als die Tahitier zu seyn. Sie ließen uns überall ungehindert gehen, begleiteten uns auch nie, wenn wir sie nicht ausdrücklich darum baten, und alsdenn konnten wir für unsre Taschen unbesorgt seyn; nur mußten wir keine Nägel bey uns führen, denn diese ließen sie nicht leicht unangerührt. Wir kamen nach und nach durch mehr als zehn solcher Plantagen oder Gärten, die alle besonders verzäunt waren, und vermittelst Thüren von vorbeschriebner Art, Gemeinschaft mit einander hatten. Fast in jedem dieser Gärten fanden wir ein Haus, die Bewohner aber waren durchgehends abwesend. Die Verzäunung ihrer Ländereyen schien einen höhern Grad von Cultur anzudeuten, als man hier wohl hätte vermuthen sollen. Das Volk war auch in der That, sowohl in Hand-Arbeiten als in Manufactur-Sachen und in der Music, weiter und ausgebildeter als die Einwohner der Societäts-Inseln, welche dagegen, besonders in Tahiti, wohlhabender, aber auch träger waren als diese. So viel wir sahen, gab es hier nur wenig Hühner und Schweine; auch waren die Brodfrucht-Bäume, welche dort einen so reichlichen und vortreflichen Unterhalt geben, hier sehr selten, daher sich denn die Einwohner hauptsächlich von Wurzelwerk, imgleichen von Bananen zu nähren scheinen. In Absicht der Kleidung waren sie ebenfalls nicht so reich als die Tahitier; wenigstens gieng man in diesem Artikel hier noch nicht wie dort bis zur Verschwendung. Endlich so fanden wir auch ihre Wohnungen, zwar sehr artig gebauet und allemal in wohlriechendem Buschwerk angelegt, sie waren aber weder so räumlich noch so bequem als in Tahiti. Unter diesen Beobachtungen und Reflexionen kehrten wir wieder nach dem Landungs-Platz zurück, woselbst sich viele Hundert Einwohner versammlet hatten. Ihr äußerer Anblick bewies, daß, wenn ihr Land gleich nicht so reich an Natur-Güthern war als Tahiti; diese Reichthümer doch mit mehrerer Gleichheit unter dem Volk ausgetheilt seyn müßten. Dort konnte man den Vornehmen gleich an der hellem Gesichts-Farbe und an dem wohlgemästeten Cörper erkennen: Hier aber war aller äußere Unterschied aufgehoben.
Forster, Georg
Reise um die Welt
Berlin 1784, Nachdruck Frankfurt/M. 1967