Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

Um 1895 - Stefan von Kotze
Queen Emmas Residenz
Kokopo, New Britain (Bismarck-Archipel),
Papua-Neuguinea

Es war wohl zehn Jahre später, zur Zeit der Moderne, da blühte mir das zweifelhafte Glück, Tuahina - pardon, den Bismarck-Archipel - noch einmal zu sehen. Man soll das bekanntlich nie tun, wiederkommen. Aber ich war leichtsinnig, und ich wurde gestraft.
    Schon die Einfahrt in die Blanchebucht war eine Enttäuschung. Rings waren die idyllischen Niggerdörfer verschwunden, der Strand entholzt, in der Sonne brieten hier und da Ansammlungen viereckiger Wellblechschuppen, und hässliche Landungsbrücken steckten ihre mageren Polypenarme begehrlich nach uns aus. Über die Hügel zogen sich Plantagen, säuberlich in Reih und Glied geordnet, und präsentierten. Was sie präsentierten, weiß ich nicht, ob Wechsel oder Dividenden. Und ich forschte auch nicht weiter nach. Ich war schon durch das Landschaftsbild bis in die innerste Seele ernüchtert worden.
    Und die Menschen erst! Noch immer herrschte Queen Emma, die berühmte Rose der Südsee, die einst vielgeliebte Samoahalbblut, über die Ralum-Plantage. Aber anstatt ihrer von blühenden Ranken behangenen Bungalows, aus eingeborenen Materialien kunstvoll zusammengefügt, unter der Masse duftender Blumensträucher, bunter Krotonibüsche, herrlicher Limonenbäume fast erstickt, fand ich auf einem „geklärten“ Platze ein modernes Eisenhaus, anzuschauen wie die grünen Gartenmöbel bei Piefkes nebenan in Berlin O. Und statt der niedlichen Papinas bedienten bei Tisch nicht ganz geruchlose Boys in Hose (!) und Frack (!), vielleicht trugen sie sogar Stiefel. Und die Honneurs machte der deutsche Gatte der Dame; und als ich mich erkundigte nach ihren Schwestern und Cousinen aus Samoa, deren sie früher immer reichlich bei sich wohnen hatte, und begeistert von der etwas bacchantisch-lieblichen Polonaise sprach, blumenbekränzt, aus dem Zimmer hinaus, durch die warme leuchtende Nacht, den einen Landungssteg hinunter und ins laue Wasser, und paarweise schwimmend zum Kopf des zweiten Steges hinüber und - und - da wurde mir eine „abgeklärte“ Strafpredigt gehalten. Endlich wäre unter deutscher Flagge (besonders die leise Ironie ärgerte mich) das wüste Land aufgelebt und die Leute anständig und arbeitsam geworden, und es wäre Zeit, ich täte desgleichen.
Ich nahm’s zu Herzen; doch ich hoffe, man kann auch anständig und arbeitsam werden, ohne alle Poesie zu zertreten.

Kotze, Stefan von
Südsee-Erinnerungen - Aus Papuas Kulturmorgen
3. Auflage, Berlin 1921

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!