1521 - Antonio Pigafetta
Mit Magellan auf Guam, Marianen
Den 6. März entdeckten wir eine kleine Insel gegen Nordwesten und zwei andere gegen Südwesten, von denen eine aber höher und größer als die beiden anderen war. Auf dieser war der Kapitän zu landen gesonnen, um uns von unseren ausgestandenen Beschwerden zu erholen; aber diese Hoffnung schlug fehl, weil die Einwohner dieser Insel, sobald sie unsere Schiffe gewahr wurden. Sich in ihren Kähnen näherten, an Bord kamen und alles, was ihnen vorkam, stahlen, so daß man sich nicht genug vor ihnen hüten konnte. Endlich verlangten sie sogar, wir sollten die Segel einziehen, damit sie die Schiffe an Land ziehen könnten. Der Kapitän wurde zuletzt aufgebracht, nahm 40 bewaffnete Leute mit, stieg ans Land, verbrannte 40 bis 50 von ihren Wohnungen nebst vielen Fahrzeugen, tötete sieben Mann und brachte das Boot eines unserer Schiffe, welches die Einwohner gestohlen hatten, wieder zurück, worauf er sogleich wider unter Segel ging und seine Reise fortsetzte.
Bei dieser Gelegenheit bemerkten wir, daß, wenn sie von unseren Pfeilen verwundet wurden, sie solche herauszogen, mit Verwunderung betrachteten und bald darauf starben. Aber sie verließen uns nicht, sondern folgten unseren Schiffen mit mehr als hundert ihrer Kähne, kamen ganz nah heran, zeigten uns eine Arte Fische, vermutlich, um sie uns zu geben, und entfernten sich dann geschwinde wieder. Wir liefen aber mit vollen Segeln mitten durch ihre Boote, in welchen wir verschiedene Weiber sahen, welche weinten und sich die Haare ausrauften, wahrscheinlich, weil ihre Männer das Leben in diesem Streit verloren hatten.
Diese Leute leben, so viel wir erfahren konnten, ganz nach ihrem eigenen Gutdünken und haben kein Oberhaupt. Sie gehen nackend, einige unter ihnen haben schwarze Haare und Bärte, die so lang sind, daß sie sie an den Gürtel binden. Sie tragen Hüte von Palmfasern gemacht wie bei uns die Straßenräuber. Sie sind groß, wohlgestaltet und olivenfarbig, obgleich sie weiß zur Welt kommen. Ihre Zähne sind rot und schwarz, welches sie für schön halten. Ihr Weiber gehen auch nackend, ausgenommen, daß sie die Geschlechtsteile mit der dünnen Rinde eines Palmbaumes bedecken. Diese Weiber sind schön und zart gebaut, weißer als die Männer und haben dabei pechschwarzes, dickes Haar, das bis zur Erde hängt. Sie verrichten keine Arbeit außer dem Hause, sondern bleiben immer daheim, und verfertigen aus den Fasern des Palmbaums Matten und Netze und andere Geräte auf eine sehr künstliche Art. Ihre Nahrung besteht aus Kokosnüssen und aus Bataten. Außerdem haben sie eine Menge Vögel, Feigen, eine Hand groß, Zuckerrohe, fliegende Fische nebst vielen anderen Dingen. Sie salben ihren ganzen Leib und ihre Haare mit Kokosnußöl. Ihre Häuser sind aus Holzwerk verfertigt, mit Brettern gedeckt, über welche Feigenblätter, eine Elle lang, gelegt werden. Diese Häuser bestehen aus einem großen Zimmer mit Fenstern und Kammern, und ihre Schlafstellen sind mit schönen Palmmatten versehen. Sie schlafen dabei auf Palmblättern, die sehr klein und weich sind. Sie habe keine anderen Waffen als einen großen Knüttel oder langen Stock, der oben mit einem spitzen Knochen versehen ist. Diese Leute sind sehr arm, aber dabei geschickt und sehr zum Stehlen geneigt, daher wir denn auch diese Insel die Diebinsel nannten.
Sie gehen mit ihren Weibern zur See und fangen mit Fischhaken von Knochen fliegende Fische. Einige von ihren Kähnen sind schwarz, andere weiß, noch andere rot. An einer Seite des Segels ist ein großes, oben zugespitztes Holz mit einer Querstange, welche dazu dient, das Segel besser zu befestigen; letzteres besteht aus zusammengenähten Palmblättern. Statt des Steuerruders haben sie eine Art von Schaufel mit einem Holz oben daran, und wenn sie wollen, machen sie aus dem Vorderteil das Hinterteil und umgekehrt. Mit diesen Booten segeln sie so schnell, daß sie Delphinen gleichen, die auf der Oberfläche des Meeres schwimmen.
Pigafetta, Antonio
Erste Reise um die Welt durch Ferdinand Magelhan
Übersetzt aus dem Italienischen
In: Beiträge zur Völker- und Länderkunde, Band 4, Leipzig 1784