Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1911 - Paul Ebert
Die Ruinen von Ponape
Pohnpei, Karolinen

Das interessanteste Ereignis meines Aufenthaltes in Ponape bildete ein Besuch des Hafens von Metalanim mit den berühmten Ruinen von Nanmatal, die denen auf der Löllö-Insel bei Kusaie ähnlich sind. Am 13. Januar früh ging der „Kormoran“ nach Metalanim in See und traf gegen neun Uhr vormittags dort ein. Der Metalanim-Hafen liegt an der Ostseite von Ponape. Ein hoher Wasserfall im Innern des durch Koralleninseln stark eingeengten Hafens bot ein gutes Merkmal für die Ansteuerung. Gleich nach dem Ankern erschien der Nanmareki en Metalanim, der Oberhäuptling von Metalanim, mit zahlreichen Kanus und in Begleitung seiner Unterhäuptlinge und überbrachte Früchte als Gastgeschenke. Nach Auswechslung der üblichen, vom Dolmetscher übersetzten Ansprachen ließ ich zum Entzücken unser eingeborenen Gäste die Bordmusik spielen, während ich mich mit einer größeren Gesellschaft mittels Kanus über das flache Riff nach Tauadsch, einer südlich gelegenen kleinen Insel begab, wo die berühmten Ruinen sich befinden.
    Ein tückischer Hai, der uns dieser Überfahrt in dem kleinen, schwankenden Kanu verfolgte, bildete eine wenig angenehme Begleiterscheinung. Ich lasse nun eine Schilderung des Gesehenen folgen, wobei ich mich an eine mir zugänglich gewordenen Beschreibung des berühmten Forschers Kubary anlehne: Alter und Erbauer dieser Steinbauten sind wahrscheinlich nicht den Voreltern der jetzigen Ponapesen, sondern einer andern Rasse. Die Bauten bilden einen Komplex von aus Basaltsäulen aufgetürmten, meist vierseitigen Umzäunungen, die stadtartig angelegt sind und eine Oberfläche von annähernd 42 Hektar bedecken. Der westliche Rand der Anlage lehnt sich im Bogen an die Insel Nantauadsch an. Von hier aus schieben sich die einzelnen viereckigen Steingerüste in radialer Richtung vor. Nach See zu wird die ganze Anlage durch zwei in nordwestlicher Richtung parallel zueinander verlaufende Reihen von Vierecken, die gewissermaßen mehrfach unterbrochene Schutzwälle darstellen, abgeschlossen. Die Grundflächen dieser Vierecke sind entweder Quadrate von 18 bis 27 Meter Seitenlänge oder Parallelogramme oder, seltener, Trapeze oder Kombinationen dieser Formen. Diese viereckigen Bauten waren nach Kubary zum Teil Fundamente für Häuser, zwischen denen eine System von Kanälen sich verzweigte, die als Verkehrsstraßen für Kanus dienten, also eine Art Venedig bildeten, Man baute aus den Basaltblöcken einen viereckigen Raum, der sich eben über das Wasser erhob und den man mit Korallenschutt füllte. Die Oberfläche pflasterte man ebenfalls mit Basaltblöcken, und das künstliche Inselfundament für das Haus war fertig.
    Außer diesen vermutlichen Häuserfundamenten sind aber noch weitere, höhere Bauten vorhanden. In allen diesen Bauten fand man Menschenknochen, Steingeräte und primitive Schmuckgegenstände. Es handelt sich also augenscheinlich um Grabstätten. Das bedeutendste der Gräber befindet sich im nordöstlichen Teile der Anlage und besteht aus einem ganzen System von Terrassen und Höfen, die die eigentlichen Grabkammern umgeben.
    Wenn man das gewaltige Gewicht der bewegten Basaltblöcke in Betracht zieht, so muß die Technik jener unbekannten Bewohner Ponapes höchste Bewunderung erregen. Jedenfalls waren sie den jetzigen Bewohnern dieser Inselwelt weit überlegen. Übrigens schildert Kubary, daß noch zu seiner Zeit auf Ponape ein heidnisch-religiöser Geheimbund bestand, dessen Mitglieder aus dem Distrikte Metalamin ihren Haupttempel in den Ruinen von Nanmatal, und zwar auf der künstlichen Insel Nangutra hatten, wo sie einmal im Jahr Ende Mai oder Anfang Juni zu einer Feier zusammenkamen.
    Dieses Gewirr gewaltiger, aufeinandergetürmter Basaltblöcke fanden wir von einer üppigen Vegetation bedeckt. Mächtige Brotfruchtbäume und zum Himmel strebende Kokospalmen hatten zwischen den Gesteinsmassen Wurzel zu schlagen vermocht und spendeten dem Besucher kühlenden Schatten. Es war eine tüchtige Kletterei, die her zu bewerkstelligen war, und mit regem Interesse bin ich in verschiedenen der geöffneten, jetzt leeren Grabkammern hineingekrochen. Nun schwer vermochte man sich von idser geheimnisvollen, zu weiteren Nachforschungen reizenden Stätte loszureißen. Aber die Zeit drängte, da das Schiff noch am gleichen Tage nach Ponape zurückkehren sollte, In strömendem Regen ging es dann an Bord zurück, und bereits mittags zwölf Uhr wurde zur Heimfahrt Anker gelichtet.

Ebert, Paul
Südsee-Erinnerungen
Leipzig 1924

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