Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1777 - Heinrich Zimmermann, Matrose, auf der dritten Reise von Cook
Die Entdeckung von Christmas Island
Kiribati

Am 24. Dezember entdeckten wir unter der Linie ungefähr bei 1 1/2 Grad nördlicher Breite und etwa 210 Grad östlicher Länge eine unbewohnte mittlere Insel. Zur Bestimmung der Länge dieser Insel und der beiden folgenden bediente ich mich (weil sie mir nicht mehr genau erinnerlich) der von uns von Tahiti aus - das bekanntlich unter 17 Grad 29 Minuten südlicher Breite und 208 Grad Länge von der Greenwicher Mittagslinie gerechnet liegt - gegen die östliche Küste von Amerika unter dem 44. Grad genommenen Straße. Wir gingen mit drei Booten an Land und suchten Wasser. Die Insel ist ganz niedrig, hat einen ganz weißen sandigen Boden, ist mit gar keinen Bäumen, sondern nur mit Büschen bewachsen; hat aber einen Überfluß an allerlei schönen und großen Vögeln, die ganz zahm sind, dann an Schildkröten und Fischen.
   Die drei Boote trennten sich, fanden aber kein Frischwasser. Mit einem Boot, worin sich zwei Offiziere und mit mir noch sieben Gemeine befanden, kamen wir in eine in das Land gehende Öffnung hinein. Wir verfolgten sie bis zwölf englische Meilen weit, stiegen an Land und nach Eintritt der Nacht, wo die Schildkröten gemeiniglich auf das Land kommen, fingen wir eine große Anzahl. Die meisten von diesen Schildkröten waren bis zwei Zentner schwer; wir trugen sie zusammen, legten sie auf den Rücken, damit sie uns nicht mehr entwischen konnten, gingen mit einer Ladung davon am andern Tag früh an das Schiff zurück und machten über unseren glücklichen Fang die Anzeige. Wir wurden mit Lebensmitteln und frischem Wasser versehen, bekamen Befehl uns wieder dahin zurückzubegeben und in der folgenden Nacht noch mehr zu fangen.
   Die übrigen Boote waren bei unserer Ankunft schon alle auf Fischerei ausgeschickt, und wir bekamen Befehl, wenn wir auf einige von ihnen stoßen sollten, sie mitzunehmen, und diese sollten die schon gefangenen und auf der Insel zurückgelassenen Schildkröten an Bord der Schiffe bringen. Zwei von diesen Booten begegneten uns unterwegs, sie hatten aber ihre mitgeführten Lebensmittel schon aufgezehrt. Wir nahmen sie nach dem Befehl mit uns, teilten mit ihnen unsere Lebensmittel und hatten dadurch bald selber keine mehr, und hauptsächlich fehlte es uns an frischem Wasser. Wir waren daher entschlossen, und sozusagen in die Notwendigkeit versetzt, gleich wieder mit den zwei Booten, ohne zum weiteren Fang die Nacht abzuwarten, an das Schiff zurückzukehren. Die zwei Boote gingen mit der eingenommenen Ladung von Schildkröten voraus, und wir wollten ihnen mit unserer Ladung, die wir noch nicht völlig an Bord hatten, gleich folgen. Zwei Mann von uns namens Bartholomäus Lohmann aus Kassel und ein Engländer namens Stritscher, die die letzte Schildkröte (die wir alle eine Stunde Wegs weit über das Land schleppen mußten) an Bord bringen sollten, verfehlten den Weg und gingen, statt zu uns zu kommen, immer tiefer in das Land hinein. Wir erwarteten sie lange Zeit bei der außerordentlichen Hitze des dortigen Klimas, wo man es fast keine Viertelstunde ohne frischen Trunk bestehen kann, vergeblich, und ohne sie wollten wir doch nicht zurückgehen. Wegen des außerordentlichen Durstes gruben wir in die Erde, fanden auch in einer Tiefe von ungefähr fünf bis sechs Schuhen Wasser, dieses war aber salziger als das Seewasser, daher auch nicht zu genießen. Wir fingen endlich Vögel, schnitten ihnen die Hälse ab und saugten das warme Blut aus; dieses half aber nur auf eine ganz kurze Zeit, nachher wurde das Übel ärger. Einige von uns tranken Seewasser, diesen erging es noch schlimmer, denn sie fielen krank darnieder. Die dunkle Nacht kam an, wir machten an verschiedenen Plätzen Feuer, schossen mit Gewehr, aber unsere beiden verlorenen Kameraden ließen nichts von sich hören noch merken. Vor Durst und Mattigkeit konnten wir fast nicht vom Ufer hinweggehen und legten uns daher im Sand nieder. In der Nacht, als es etwas kühl wurde, machten sich unsere zwei Offiziere auf und wollten sehen, ob sie keines der übrigen ausgeschickten Boote auf der Insel finden und von diesen vielleicht Wasser bekommen könnten. Wir übrigen fünf Mann blieben aber still liegen. Bei Anbruch des Tages beratschlagten wir, was wir tun sollten; wir entschlossen uns, lieber an das Schiff zu gehen, als hier zu verschmachten und machten uns, so schwach wir waren, in das Boot. Als wir ungefähr den halben Weg zurückgelegt hatten, sahen wir von weitem zwei Menschen, die ihre Sacktücher an einen Stock gebunden hatten und sie statt einer Fahne herumschwenkten; wir fuhren auf sie zu und erkannten in der Nähe, daß es unsere beiden Offiziere waren. Diese konnten vor Durst und Mattigkeit kaum mehr sprechen; wir nahmen sie auf und setzten glücklich unsern Weg nach den Schiffen fort.
   Endlich erblickten wir ein Boot am Lande und als wir uns ihm näherten, trafen wir einige von unsern Leuten an, die noch nicht lange vom Schiffe abgegangen waren. Sie reichten uns Brot und Branntwein mit Wasser vermischt, und wir wurden dadurch wieder hergestellt. Auf dem Schiff meldeten wir Herrn Cook den Verlust unserer zwei Mann; es wurden sogleich sämtliche Boote der zwei Schiffe mit Mannschaft und Lebensmitteln abgeschickt, um die Insel zu durchsuchen. Am selben Tag gegen Abend wurde der eine noch gefunden, konnte aber keine Nachricht von dem andern geben. Am andern Tag wurde endlich auch der zweite wiedergefunden. Der erste hatte nach seiner Erzählung sein Leben damit erhalten, daß er Schildkröten aufgeschnitten und das Blut ausgesaugt, auch einige Vogeleier gefunden und sie ausgetrunken. Der letzte aber hat seinen Urin getrunken, er war aber auch, als man ihn fand, mehr tot als lebendig.
   Die Insel nannten wir die sandige, verließen sie am 2. Januar 1778 und hatten uns einen solchen Vorrat von lebendigen Schildkröten da gesammelt, daß wir die Zeit, wo wir uns dort aufhielten, mitgerechnet, vier bis fünf Wochen gar nichts anderes aßen; wir hielten sie auch am Leben durch tägliches Auswaschen der Augen.

Zimmermann, Heinrich
Reise um die Welt mit Capitain Cook
Mannheim 1781

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!