1579 - Francis Fletcher
Mit Francis Drake in der Bucht von San Francisco
Am Tag nach dem wir in der Bucht vor Anker gegangen waren, zeigen sich die Bewohner des Landes; sie sandten uns in gleich einen ihrer Männer in einem Kanu. Als er noch nicht weit weg vom Ufer, aber noch weit weg von uns war, begann er zu sprechen und paddelte dabei weiter. Schließlich, in vernünftiger Entfernung, hielt er ein, und begann feierlich eine lange und eintönige Rede nach seiner Art und benutzte dabei Zeichen und Gesten, bewegte seine Hände und drehte Kopf und Körper auf vielerlei Weise und bezeigte Ehrerbietung und Unterwerfung. Als er mit seiner Rede fertig war, kehrte er zum Ufer zurück. Bald kam er ein zweites Mal auf die gleiche Weise, und auch ein drittes Mal. Da brachte er als Geschenk von seinen Leuten ein Büschel Federn, ähnlich den Federn der schwarzen Krähe, sehr ordentlich und kunstvoll auf einer Schnur aufgereiht und in ein Bündel zusammengedreht; sie waren sehr sauber und fein geschnitten, in der Länge aneinander angeglichen; sie sind, wie wir später herausfanden, ein besonderes Zeichen, das die Leibwache des Königs auf dem Kopf trägt. Er brachte auch einen kleinen Binsenkorb, gefüllt mit Kräutern, die sie Tabáh [Tabak] nennen. Beides war an eine kurze Stange gebunden und wurde in unser Boot geworfen. Unser General [Drake] wollte ihm gleich viele gute Dinge als Gegengabe zukommen lassen, aber der Mann war nicht dazu zu bewegen, sie anzunehmen; ausgenommen ein Hut, der vom Schiff ins Wasser geworfen worden war. Den nahm er auf, weigerte sich aber, irgendetwas anderes anzurühren, obwohl es ihm auf einem Brett vorgehalten wurde. Danach konnte unser Boot nirgendwohin rudern, ohne dass wir für Götter gehalten und uns voller Bewunderung gefolgt wurde.
Am dritten Tag, dem 21. [Juni], wurde das Schiff näher ans Ufer gebracht; es hatte ein Leck und die Ladung sollte gelöscht und das Schiff repariert werden. Um jeder Gefahr zu entgehen, die unsere Sicherheit betraf, gingen zuerst Männer mit genügend Lebensmitteln an Land, um Zelte zu bauen und ein Fort zu errichten, damit wir uns selbst und unser Gut verteidigen konnten. In dessen Schutz konnten wir unsere Aufgaben in größerer Sicherheit erledigen, was auch immer geschehen würde. Als die Einwohner des Landes merkten, was wir vorhatten, kamen sie wie Leute, die in den Krieg ziehen, um ihr Land zu verteidigen, in großer Eile und in großer Menge mit ihren Waffen auf uns zu. Aber sie waren uns nicht feindlich gesinnt und hatten nicht die Absicht, uns zu schaden. Als sie uns nahe gekommen waren, blieben sie stehen, hingerissen vom Anblick von Dingen, die sie nie vorher gesehen und von denen sie nie vorher gehört hatten. Sie wollten lieber uns mit Furcht und Ehrfurcht als Götter anbeten als mit uns wie mit gewöhnlichen Menschen Krieg führen. So wie es sich schon hier zeigte, wurde es während der ganzen Zeit unseres Aufenthaltes immer deutlicher. Nun, da ihnen mit Zeichen bedeutet wurde, sie sollten Pfeil und Bogen beiseite legen, taten sie das, wie auch alle anderen, die noch dazu kamen; nach und nach wurde es eine große Anzahl von Männern und Frauen.
In der Absicht, den Frieden, den sie so bereitwillig suchten, von unserer Seite aufrecht zu erhalten, damit wir schnell und in Sicherheit unsere Angelegenheiten in Ruhe regeln konnten, machte der General alle erdenklichen Anstrengungen, sich ihnen gegenüber freundlich zu zeigen und verteilte freigiebig gute und notwendige Sachen, mit denen sie ihre Nacktheit bedecken konnten; er versuchte, ihnen klar zu machen, dass wir keine Götter, sondern Menschen seien und diese Dinge benötigten, unsere Blöße zu verhüllen, und zeigte ihnen, wie man sie dazu benutzt. Aus dem gleichen Grund aßen und tranken wir in ihrer Gegenwart, damit sie merkten, dass wir sonst nicht am Leben bleiben konnten, und genau so Menschen wären wie sie.
Aber nichts konnte sie von ihrer vorgefassten Meinung abbringen, dass wir Götter seien.
Als Gegengabe für die Sachen, sie sie von uns erhalten hatten, Hemden, Leinen, Tuch und so weiter, schenkten sie dem General und anderen von uns verschiedene Dinge: Federn, Netzte, Pfeilköcher aus Rehleder und Felle von Tieren, wie sie ihre Frauen trugen.
Nachdem sie uns nun genügend besucht und betrachtet hatten, zogen sie fröhlich nach Hause ab. Ihre Häuser sind rund und in die Erde gegraben, und am oberen Rand sind Holzpfähle aufgestellt, die oben zusammengefügt sind, wie bei uns in den Kirchtürmen. Sie sind mit Erde bedeckt, lassen kein Wasser herein und sind sehr warm; bei den meisten dient die Tür auch als Schornstein und lässt den Rauch abziehen. Nach der Größe und der Bauart entsprechen sie einer Luke auf einem Schiff und sind ebenso geneigt. Ihr Bett ist die harte Erde, nur mit Binsen bestreut. Sie liegen rund um das Feuer in der Mitte, und weil das Haus so niedrig, rund und eng ist, gibt es ihren Leibern wunderbare Wärme.
Die meisten Männer gehen nackt, die Frauen benutzen lange Binsen, behandeln sie wie wir den Hanf und machen daraus eine loses Gewand, das, in der Mitte zusammengehalten, über ihre Hüften hängt und so das bedeckt, was die Natur zu verbergen verlangt. Um ihre Schultern tragen sie noch ein Hirschfell mit den Haaren. Sie sind ihren Ehemännern sehr gehorsam und überaus eifrig bei ihren Aufgaben; von selbst machen sie nichts ohne die Zustimmung oder die Aufforderung ihrer Männer.
Sobald sie in ihre Häuser zurückgekehrt waren, erhoben sie ein sehr deutliches Weinen und Schreien, das lange anhielt und so laut war, dass wir es dort, wo sie uns verlassen hatten, etwa einen Kilometer entfernt, sehr deutlich hören konnten; wir wunderten uns und bewunderten sie, besonders die Frauen, die mit ihren lautesten Stimmen besondern elend und klagend schreien.
Trotz ihres bescheidenen Auftretens uns gegenüber und ihrer großen Unterwürfigkeit hielten wir es für weise, ihnen nicht zu weit zu trauen; vorherige Erfahrungen mit Heiden mahnten uns zur Vorsicht, falls sich ihr freundliches Verhalten ändern oder ein Bruch des Friedens entstehen sollte. Deshalb beeilten wir uns, unsere Zelte aufzuschlagen und uns mit Steinwällen zu umgeben: So beschützt, konnten wie den Feind fernhalten, falls er denn kommen wollte. Das war schnell geschehen, und wir machten uns in guter Stimmung und in Sicherheit an unsere Arbeit.
Nach zwei Tagen, in denen sie nicht bei uns gewesen waren, sammelte sich eine große Menge Männer, Frauen und Kinder. Es schien, unsere ersten Besucher wären in dieser Zeit ins Land ausgezogen, um die Neuigkeiten zu verbreiten; jetzt kamen sie wieder und brachten, wie schon zuvor, Federn und Säcke mit Tabak als Geschenke oder eher als Opfergaben, weil sie ja überzeugt waren, dass wir Götter wären.
Als sie auf die Kuppe des Hügels kamen, an dessen Fuß wir unser Fort gebaut hatten, hielten sie an und einer, ihr Vorredner, ermüdete uns als Zuhörer und auch sich selbst mit einem langen und langweiligen Vortrag, begleitet von merkwürdigen und heftigen Gesten; seine Stimme erhob er so laut wie die Natur zulässt, und die Worte purzelten so übereinander her, dass er kaum Atem holen konnte. Als er fertig war, verbeugten sich alle anderen ehrerbietig träumerisch und langsam und riefen: »Oh!« Damit bestätigten sie, dass alles, was er gesagt hatte, wahr war und dass er die Meinung aller zum Ausdruck gebracht hatte. Nun legten die Männer ihre Bogen auf die Erde und kamen mit ihren Geschenken den Hügel herunter. Frauen und Kinder ließen sie zurück. Sie erschienen, als ob sie wirklich vor einen Gott träten. Sie hielten sich für glücklich, weil sie dem General nahe kommen konnten, und für noch glücklicher, als sie merkten, dass er ihre aus freiem Willen angebotenen Gaben aus ihren Händen entgegennehmen würde. Zweifelsohne wähnten sie sich Gott am nächsten, wenn sie in seiner Nähe standen oder saßen.
Gleichzeitig misshandelten sich die Frauen mit unnatürlicher Grausamkeit wie aus Verzweiflung selbst, sie weinten und schrieen Mitleid erregend, rissen sich in so abschreckender Weise mit ihren Nägeln das Fleisch von den Wangen, dass das Blut über ihre Brüste floss. Dann warfen sie vom Oberkörper das einzige Kleidungsstück ab, das sie trugen, hielten ihre Arme über den Kopf, um ihre Brüste nicht vor Verletzung zu schützen, und warfen sich heftig auf den Boden, ohne darauf zuachten, ob er sauber oder weich war, sondern warfen sich auf harte Steine, unebenen Boden, Gestrüpp, stachelige Büsche oder was immer da lag. Das wiederholten sie immer wieder. Auch schwangere Frauen taten sich diese Grausamkeiten an, neun oder zehn Mal, andere hielten fünfzehn oder sechzehn Mal aus, bis ihre Kräfte sie verließen. Wie es schien, war das für uns trauriger anzusehen als für sie es zu tun.
Als diese Blutopfer (die gegen unseren Willen gebracht wurden) beendet waren, begann unser General mit seinen Leuten vor den Fremden zu beten. Und mit Zeichen, indem wir unsere Augen und Hände zum Himmel erhoben, wollten wir ihnen klar machen, dass der Gott, dem wir dienten und den sie auch anbeten sollten, über uns war. Wir beteten, Gott möge, wenn es ihm gefiele, ihre blinden Augen auf irgendeine Weise zu öffnen, damit sie beizeiten Kenntnis von ihm, dem wahren und ewigen Gott, erhielten und von Jesus Christus, den er ausgesandt hatte, die Heiden zu erlösen. Während wir beteten, Psalmen sangen und Kapitel aus der Bibel vorlasen, saßen sie sehr aufmerksam dabei; und wenn eine Pause eintrat, riefen sie mit einer Stimme »Oh!«, und genossen unsere Handlungen. Ja, das Singen der Psalmen war ihnen so angenehm, dass, wenn immer sie zu uns kamen, sie als Erstes mit »Gnaah« darum baten, dass wir singen sollten.
Unser General hatte ihnen verschiedene Dinge überreicht; als sie abzogen, gaben sie sie alle zurück. Niemand nahm etwas mit, was er erhalten hatte; sie hielten sich für hinreichend beschenkt und waren glücklich, weil sie ungehinderten Zugang zu uns hatten.
Gegen Ende des dritten Tages (die Nachrichten waren noch weiter verbreitet worden, wie es schien, eine weite Strecke ins Land hinein), waren mehr Leute versammelt; eigentlich konnten wir uns gar nicht vorstellen, dass so viele im Umkreis lebten. Unter ihnen war der König, eine stattliche und beeindruckende Gestalt; er kam heute, am 26. Juni, mit einer Leibwache von etwa hundert großen und kriegerischen Männern, um uns zu begrüßen.
Vor seinem Eintreffen wurden zwei Botschafter oder Boten gesandt, die ankündigten, dass ihr »Hioh« bald eintreffen würde. Um ihre Nachricht zu überbringen, sprach einer mit einer sanften und leisen Stimme die Worte vor; der andere wiederholte Wort für Wort mit besser hörbarer Stimme. Ihre Proklamation (denn das war es) dauerte etwa eine halbe Stunde. Als sie zu Ende war, baten sie mit Zeichen darum, der General möge ihnen etwas mitgeben für ihren Hioh oder König zum Zeichen, dass er in Frieden kommen könne. Der General erfüllte ihren Wunsch bereitwillig, und sie zogen erfreut zu ihrem Hioh zurück. Es dauerte nicht lange, bis ihr König (der so königlich auftrat wie möglich) mit all seinem Gefolge erschien.
Beim Näherkommen stießen sie die ganze Zeit mit aller Kraft eine Art singendes Schreien aus. Je näher sie uns kamen, desto mehr bemühten sie sich, Schicklichkeit und Feierlichkeit zu zeigen.
Ganz vorne kam ein Mann mit einem großen Körper von gutem Aussehen, der ein Zepter (aus einer Art schwarzen Holzes, etwa eineinhalb Yards lang) vor dem König hertrug. Daran hingen zwei Kronen, eine größer, eine kleiner, mit drei Ketten von wunderbarer Länge und zum großen Teil doppelt, und auch ein Sack mit Tabak. Die Kronen bestanden aus Flechtwerk, mit Federn verschiedener Farbe ganz merkwürdig verwoben, die sehr kunstvoll angebracht waren. Die Ketten schienen aus Knochen zu bestehen; die einzelnen Glieder waren sehr klein, dünn und poliert und hatten ein Loch in der Mitte. Die Anzahl der Glieder, die eine Kette machen, ist nicht begrenzt. Aber diese Ketten werden so hoch geschätzt, dass den Personen, die sie tragen dürfen, vorgeschrieben wird, wie viele es sein können. Einige tragen zehn, andere zwanzig, und je höher die Anzahl der Ketten ist, desto höher steht die Person.
Nach dem Zepterträger kam der König selbst mit seiner Leibwache. Sein Kopfputz war geflochten , ungefähr so wie die Kronen, aber ganz anders im Aussehen und der Güte der Arbeit; um seine Schultern trug er einen Umhang aus Kaninchenfellen, der bis zur Taille reichte. Seine Leibwächter trugen Umhänge von der gleichen Form, aber aus anderen Fellen; manche hatten auch eine Art Dutt, mit Federn besteckt oder bedeckt mit gewissem Flaum, der weiter drinnen im Land auf einem Kraut wächst, das unserem Salat ähnelt. Dieser Flaum ist feiner als jede Daune auf der Welt, und als oberste Lage auf ihren Dutts kann kein Wind ihn forttragen. Er wird so hoch geschätzt, dass nur Männer in der Umgebung des Königs ihn tragen dürfen. (Ihnen ist auch erlaubt, auf dem Kopf einen Federbusch als Ehrenzeichen zu tragen.) Die Samen werden nur für Opferdienste genutzt.
Der Leibwache folgten die nackten gemeinen Leute; deren langes Haar war hinten zu einem Knoten zusammengebunden, in dem Federbüsche steckten, aber über der Stirn trugen sie nur einzelne Federn wie Hörner, jeder, wie es ihm gefiel.
Eines war allen gemeinsam: Jeder hatte sein Gesicht bemalt, manche mit weißer, manche mit schwarzer, manche mit noch anderen Farben. Jeder trug auch in der Hand das eine oder andere als Gabe oder Geschenk. Die Nachhut oder der letzte Teil der Gesellschaft bestand aus Frauen und Kindern, jede Frau trug vor der Brust einen oder zwei runde Körbe, in denen Verschiedenes war: Tabak, eine Wurzel, die sie Petah nennen, aus dem sie eine Art Mehl bereiten und aus dem sie entweder Brot backen oder das sie roh essen, gegarte Fische, den Sardinen ähnlich, Samen und Flaum wie oben erwähnt. Die Körbe waren wie tiefe Schüsseln gemacht, und obwohl das Material Binsen oder ähnliches war, war es doch so gekonnt verarbeitet, dass die meisten wasserdicht waren. An den Rändern hingen Stücke von Perlmuscheln und an manchen zwei oder drei Glieder der schon beschriebenen Ketten; dadurch wurde angezeigt, dass diese Gefäße nur für die Götter, die sie anbeteten, bestimmt waren. Darüber hinaus waren sie bedeckt mit den ineinander geflochtenen Daunen roter Federn in verschiedenen Formen und Macharten.
In der Zwischenzeit hatte unser General seine Männer zusammengerufen (um möglicher Gefahr und Bösem vorzubeugen) und suchte einen sicheren Platz, so dass wir jederzeit bereit zur Verteidigung waren, sollte sich etwas ereignen, was nicht gewünscht oder unerwartet war.
Als jeder Mann gefechtsbereit war, ließ er innerhalb des Forts marschieren und stellte der Annäherung der anderen eine sehr kriegerische Schau entgegen (wie er es übrigens immer tat). Wären sie also erbitterte Feinde gewesen, wäre ihnen bei dem Anblick nichts anderes übrig geblieben, als in Angst und Furcht zu verfallen und von jedem Angriff gegen uns abzusehen.
Als sie uns als ein großer Haufen näher gekommen waren, gaben sie uns eine allgemeine Begrüßung, dabei herrschte Schweigen. Dann sprach der, der vor dem König das Zepter hertrug und dem ein anderer, den der König dazu bestimmt hatte, vorsagte, in lauter und mannhafter Stimme. Seine Rede oder Proklamation dauerte mindestens eine halbe Stunde. Als er geendet hatte, gab es eine Art gemeinsames Amen von jedem als Zeichen der allgemeinen Zustimmung. Und dann kamen der König samt allen Männern und Frauen (nur die Kinder blieben zurück) weiter den Hügel herunter wie schon einmal.
Als sie nun fast am Fuß des Hügels und nahe an unserem Fort waren, begann der Zepterträger in gesammelter Haltung und mit stolzem Auftreten einen Gesang und machte dazu Tanzbewegungen; dem folgten der König und alle anderen; sie sangen und tanzten, die Frauen tanzten auch, aber schweigend. Im Tanz bewegten sie sich vorwärts; unser General verstand ihre klare und einfache Botschaft und befahl, sie ungehindert unsere Befestigung betreten zu lassen. Nachdem sie hereingekommen waren, setzten sie Tanz und Gesang noch eine Weile fort. Die Frauen kamen ebenfalls, mit den Schüsseln in Händen, ihre Leiber wund, die Gesichter zerrissen, ihre Brüste und andere Körperteile mit Blut bespritzt, das aus den Wunden tropfte, die sie sich vorher mit den Fingernägeln selbst beigebracht hatten.
Als sie meinten, nun sei es genug – oder weil sie einfach müde waren – machten sie dem General Zeichen, er möge sich setzen. Der König wie auch andere hielten Reden oder, wenn wir sie denn hätten verstehen können, trug Bitten vor, der General möge Land und Königreich übernehmen und ihr König und Beschützer werden. Sie machten Zeichen, dass sie ihre Rechte und Titel über das ganze Land an ihn übergäben und seine Vasallen wären jetzt und immerdar. Wir glaubten, dass sie das wirklich meinten und vorhatten. Der König setzte ihm selbst unter Zustimmung aller anderen bei fröhlichem Gesang und mit großer Ehrerbietung die Krone auf das Haupt, schmückte seinen Hals mit allen Ketten, bot ihm viele andere Dinge dar, und ehrte ihn mit dem Namen Hioh. Dann kam noch, wie es schien, ein Freudengesang und -tanz, denn sie wurden ja nicht nur von den Göttern aufgesucht (für die hielten sie uns nach wie vor), sondern der höchste Gott war nun ihr Gott, König und Beschützer, und sie selbst waren nun das einzig glückliche und gesegnete Volk auf der Welt.
Die so freiwillig dargebrachten Gaben wollte unser General nicht zurückweisen; zum einen wollte er ihnen keinen Grund zu Misstrauen oder Abneigung geben (denn das hier war die einzige Stelle, wo wir uns viele Dinge beschaffen konnten, die wir dringend brauchten), zum anderen und hauptsächlich, weil er nicht wusste, mit welcher Absicht Gott es so gefügt hatte, und welche Ehre und welchen Gewinn es unserem Land in Zukunft bringen könnte.
Deshalb übernahm er Zepter und Krone und Königswürde dieses Landes im Namen Ihrer Allerhöchsten Majestät. Er wünschte nichts mehr, als dass es zum Nutzen Ihrer Majestät [Elizabeth I.] günstiger gelegen wäre, denn nun sei es ihr Eigentum, und dass seine Waren und Schätze (von denen es im Landesinneren reichlich gibt) so bequem befördert werden könnten zur Bereicherung ihres Königreiches daheim, wie hier viel gewonnen werden könnte; und auch, dass ein so leicht lenkbares und liebreiches Volk, als das sie sich gezeigt hätten, Mittel und Wege fänden, der Königin ihren bereitwilligen Gehorsam zu beweisen, und dass die Königin als Mutter und Pflegerin der Kirche Christi Mittel und Wege fände, durch die Verkündigung des Evangeliums sie zum rechten Glauben und zum Gehorsam gegenüber dem einzigen und ewigen Gott zu bringen.
Als die Zeremonie der Machtübergabe beendet war, verließen alle Männer und Frauen den König und die ihn umgebende Leibwache, mischten sich unter unsere Leute und nahmen sie genau in Augenschein. Und wenn ihnen jemand gefiel (das waren in der Regel unsere Jüngsten), versammelten sie sich um ihn, boten ihre Opfergaben an, schrieen laut mit Stöhnen und Seufzen, weinten und rissen sich mit den Fingernägeln das Fleisch vom Gesicht. Das taten nicht nur die Frauen, sondern auch alte Männer, die brüllten und schrieen und so gewalttätig waren wie die Frauen.
Wir seufzten in Gedanken, als wir die Macht Satans so regieren sahen, dass er solch harmlose Leute verführt, und versuchten mit allen Mitteln, sie auf den lebendigen Gott zu verweisen, dem sie dienen sollten, und richteten unsere Augen und Hände gen Himmel; wir taten unser Missfallen kund und, als das nichts half, hinderten wir mit Gewalt ihre Hände an ihren Verrücktheiten. Aber so eigensinnig waren sie in ihrem Götzendienst, dass das nicht half, denn sobald sie ihre Hände wieder frei hatten, waren sie so rasend wie zuvor und fuhren damit fort, bis die Männer, die sie anbeteten, von ihnen weg in die Zelte geführt wurden; und auch dann noch versuchten sie, ihnen in wilder Raserei zu folgen.
Nachdem sie mit der Zeit ein bisschen ruhiger geworden waren, begannen sie, uns die Übel und Krankheiten zu zeigen, die sie an sich hatten; manche hatten schon lange Schmerzen, manche geschrumpfte Sehnen, manche alte Wunden und Krebsgeschwüre, einige frische Wunden und ähnliches; in sehr Mitleid erregender Weise baten sie uns um Hilfe und Heilung und machten Zeichen, dass wir nur ihren Kummer anhauchen müssten oder die kranken Stellen berühren, und schon wären sie wieder ganz.
Wir konnten nicht anders als mit ihren Kümmernissen mitfühlen und wollten ihnen nach Kräften helfen. Aber damit sie verstanden, dass wir nur Menschen und keine Götter waren (wenn es denn Gott gefallen sollte, ihnen die Augen zu öffnen), benutzten wir die üblichen, zu ihren Leiden passenden Mittel wie Tränke, Pflaster und Salben – so weit unsere Kenntnisse reichten. Wir flehten zu Gott, er möge zu seinem Ruhm diese Mittel helfen lassen.
Während unseres Aufenthaltes gab es nur wenige Tage, an denen sie nicht zu uns kamen; und in der Regel brachten sie uns jeden dritten Tag ihre Opfergaben, bis sie verstanden, dass wir daran keine Freude fanden, sondern Missfallen. Da nahm ihr Eifer ab und die Opfergaben hörten zu unserem Wohlgefallen für eine Zeit auf. Trotzdem aber kamen sie immer noch in großer Anzahl zu uns, und zwar so, dass sie häufig vergaßen, Fleisch für ihre eigenen Mahlzeiten mitzubringen. Daher musste unser General (den sie als ihren Vater betrachteten) sich auch als Vater zeigen und ihnen Lebensmittel zukommen lassen, die eigentlich für uns selbst gedacht waren, wie Muscheln, Seehunde und dergleichen, womit sie höchlich zufrieden waren. Und da sie gemerkt hatten, dass ihre Opfergaben uns missfielen, versuchten sie doch, weil sie auf keinen Fall undankbar erscheinen wollten, es wieder gutzumachen mit den Dingen, die sie besaßen, obwohl sie sie dringend selbst brauchten.
Sie sind ein leicht lenkbares, freies und liebenswertes Volk, ohne Arg oder Betrug. Ihre Pfeile und Bogen (ihre einzigen Waffen und fast ihr einziger Reichtum) benutzen sie sehr geschickt, aber sie können damit nicht viel Schaden anrichten, denn sie sind sehr schwach, mehr für Kinder als für Männer geeignet; ein Pfeil fliegt weder weit noch mit großer Geschwindigkeit. Und doch sind die Männer körperlich so stark, dass einer von ihnen so viel auf seinen Rücken nimmt und ohne Murren eine Meile bergauf und bergab trägt, wie zwei oder drei von uns kaum schleppen können. Sie können sehr schnell laufen und sind sehr ausdauernd; daran sind sie so gewöhnt, dass sie selten gehen, sondern meistens rennen. Eines sahen wir mit Bewunderung: Jedes Mal, wenn sie einen Fisch so nahe am Strand entdeckten, dass sie ihn erreichen konnten ohne zu schwimmen, entging er ihnen nie oder nur selten.
Nachdem wir alle unsere Arbeiten beendet hatten, ging unser General mit seinen Offizieren und vielen von der Mannschaft auf eine Erkundungsreise ins Hinterland, um zu sehen, wie die Leute leben und was die Natur und die Güter dieses Land sind. Alle Wohnungen waren so wie schon beschrieben; viele davon bildeten hier und da an einer Stelle Dörfer. Das Land war ganz anders als der Strand, ein gutes Land mit furchtbarer Erde, das viel Segen zum Nutzen des Menschen bietet: Unendlich groß war die Anzahl von starkem und fettem Rehwild, das wir zu Tausenden sahen und das vermutlich zu einer Herde gehörte. Dann auch eine große Menge Kaninchen, die in noch größerer Zahl auftraten. An Kopf und Körper gleichen sie unseren Kaninchen, sind aber kleiner; der Schwanz ist wie der einer Ratte, sehr lang, und die Pfoten sind wie die Klauen eines Maulwurfs. Auf jeder Seite unter dem Kinn sitzt ein Sack, in dem es das Fleisch sammelt, wenn es unterwegs selbst genug gefressen hat, um seine Jungen oder sich selbst zu füttern, wenn es nicht aus seinem Bau kommen will. Die Leute essen das Fleisch und schätzen die Felle sehr, denn der Mantel ihres Königs war daraus gemacht.
Dieses Land nannte der General Albion, und das aus zwei Gründen: Zum einen wegen der weißen Ufer und Klippen, zum andern, damit es unserer Heimat auch im Namen ein wenig ähnele, die ja einmal so hieß.
Bevor wir absegelten, ließ der General ein Denkmal errichten als Zeichen unserer Anwesenheit und als Zeichen der Rechte Ihrer Majestät und ihrer Nachfolger an diesem Reich. Es war eine Platte aus Messing, an einen großen und starken Pfosten genagelt. Darauf ist Ihrer Majestät Namen und das Datum unserer Ankunft eingraviert, und dass König und Volk ihr Land freiwillig in Ihrer Majestät Hand gegeben hätten. Bild und Wappen Ihrer Majestät waren auf einer englischen Sixpencemünze zu sehen, die in einem Loch in der Platte steckte. Darunter stand auch der Name unseres Generals und so weiter.
Die Spanier haben hier noch nie etwas zu schaffen gehabt, nicht einmal einen Fuß an dieses Land gesetzt; ihre nördlichste Entdeckung liegt viele Meilen südlich von hier.
Als sie nun merkten, dass die Zeit unserer Abfahrt nahte, schienen die Trauer und das Elend der Leute zuzunehmen. Je sicherer sie sich waren, dass wir gehen würden, desto mehr waren sie im Zweifel, was sie tun sollten. Daraus konnten wir schließen, dass ihre übergroße Freude über unsere Ankunft bei unserer Abfahrt in ihrer übergroßen Trauer ertränkt würde. Sie verloren plötzlich nicht nur Freude und Frohsinn, fröhliches Benehmen und freundliche Ansprachen, lebendige Bewegungen, freundliche Treffen untereinander und alle anderen Freuden, in den Fleisch und Blut sich ergehen können; nun stießen sie mit schweren Herzen und schwarzen Gedanken Trauerklagen und Seufzer aus, vergossen bittere Tränen, wrangen ihre Hände und geißelten sich. Sie verweigerten jede Annehmlichkeit als Verlorene, die die Götter vergessen wollten. Nichts, was wir sagen oder tun konnten, verringerte ihre Last oder ihre Verzweiflung, in die unsere Abfahrt sie stürzte.
Wie dem auch sei, da ihnen bewusst war, dass sie unsere Gegenwart nicht mehr genießen würden (sie hielten uns ja für Götter), hielten sie es für ihre Pflicht, uns dazu anzuhalten, sie auch in Abwesenheit im Gedächtnis zu behalten; Sie machten uns Zeichen, dass wir sie mit der Zeit wieder sehen würden, und nahmen eine Opfergabe und setzten sie in Brand und verbrannten damit auch eine Kette und ein Federbüschel. Wir versuchten mit allen Mitteln, sie davon abzuhalten, konnten uns aber nicht durchsetzen, bis wir schließlich anfingen zu beten und Psalmen zu singen. Das verlockte sie dazu, ihre Torheit aufzugeben und vom Opferfeuer abzulassen, so dass es ausging, und ahmten uns in allem nach, was wir taten. Sie erhoben ihre Augen und Hände gen Himmel wie sie es uns tun sahen.
Am 23. Juli nahmen sie tränenreichen Abschied von uns, aber weil sie den Abschied fürchteten, rannten sie die Hügel hinauf, um uns so lange in Sicht zu behalten wie nur möglich, und zündeten Feuer an, in denen sie vermutlich Opfer zu unserer Abfahrt verbrannten.
Fletcher, Francis
The world emcompassed by Sir Francis Drake
London 1628
Übersetzung: U. Keller