1874 - Martha Summerhayes
Als Soldatenfrau in Camp Apache
Arizona
Am vierten Oktober hatten wir die Berge hinter uns und sahen langsam so etwas wie Straßen. Unsere Tiere waren bis zur Erschöpfung geschunden, aber jetzt ging das Reisen viel leichter und es gab gute Weide; und nach drei weiteren langen Tagesmärschen kamen wir in Camp Apache an. Jetzt war unsere Fahrt zu Ende, nach zwei Monaten ohne Unterbrechung unterwegs, und endlich schien mir nun ein Obdach und ein Feuer für den Winter hinreichend sicher zu sein. Ich wußte, daß die Beförderung meines Mannes zu erwarten war, aber die unmittelbare Gegenwart war so fesselnd, daß Gedanken über unsere Zukunft keinen Platz hatten.
Zu der Zeit (es war das Jahr 1874) bestanden die Offizierswohnungen aus Blockhäusern, nahe an der Kante der tiefen Schlucht gebaut, durch die der White Mountain River fließt, bevor er auf den Black River trifft.
Von den Offizieren der Fünften Kavallerie, die hier stationiert war, wurden wir willkommen geheißen. Es war alles sehr malerisch und reizend. Neben den Blockhäusern gab es riesige Ställe und Regierungsgebäude und einen Marketenderladen. Für einen oder zwei Tage waren wir Gäste, und dann wurde uns unser Quartier zugewiesen. Die Zweiten Leutnants hatten eine eher magere Auswahl, denn Wohnraum war knapp. Man gab uns ein halbes Blockhaus, das ein Zimmer, einen kleinen viereckigen Flur und einen leeren Schuppen bot; letzterer war vom Haus getrennt und sollte als Küche dienen.
Das Zimmer auf der anderen Seite des Flurs wurde vom Stationsarzt bewohnt, der zur Zeit nicht da war.
Unsere Sachen wurden abgeladen und in dieses Blockhaus gebracht. Es fehlte ein Faß mit Geschirr und ich erfuhr, daß es auf dem Unglückswagen gewesen war, der am Berg abgestürzt war. Noch hatte ich nicht die Gelassenheit meines späteren Armeelebens. Damals bedeuteten meine Sachen mir viel, und der Ärger über den Verlust des Geschirrs war doch erheblich. Ich wußte, daß es in Camp Apache keines gab, denn die meisten Handelswaren kamen mit den Frachtwagen an diesen abgelegenen Ort. Mrs. Dodge von der Dreiundzwanzigsten Infanterie, die kurz davor war, diesen Posten zu verlassen, hörte von meiner Verlegenheit und bot mir einige Teller und Tassen aus Porzellan an, die, wie sie sagte, das Einpacken nicht wert seien, und ich nahm sie gerne an und dankte ihr, den Tränen nahe.
Bowen [der Bursche von Mr. Summerhayes] nagelte unseren einzigen Teppich auf dem armseligen Bretterboden fest, nachdem er darauf eine dicke Lage sauberes Stroh verteilt hatte, das er aus den Ställen des Quartiermeisters geholt hatte. Von der Krankenstation kamen zwei eiserne Bettstellen, und zwei Bettsäcke, mit frischem, süß duftenden Stroh gefüllt, wurden darauf gelegt. Darauf kamen unsere Matratzen. Sprungfedern waren zu dieser Zeit an diesem Ort unbekannt.
Wir stellten unsere Klappstühle auf, richteten ein Feuer im Kamin, holten uns irgendwo einen alten Waschtisch mit wackeligen Beinen und einen runden Tisch, und fertig war das Wohnzimmer. Ein Kieferntisch wurde für den Flur aufgetrieben, der unser Eßzimmer werden sollte, ein paar Stühle mit Sitzen aus unbehandeltem Leder brachte man aus den Dienstgebäuden, und ein paar Regale wurden an einer Wand befestigt als Anrichte. Und nun die Küche!
Ein Kochherd und verschiedene andere Dinge wurden aus dem Lager des Quartiermeisters herübergeschickt, und Bowen, das Wunder, schlug Nägel ein und hing meine Zinnsachen aus Fort Russell auf, baute Regale, stellte Töpfe und Pfannen in Reih und Glied auf, putzte den Herd, ging los und stahl irgendwo einen Tisch (Bowen war in diesen Dingen unbezahlbar), polierte das Zinkblech unter dem Herd, und siehe da, da war sie, meine Armeeküche!
Bowen war wirklich ein Schatz; er sagte, er würde gern für uns kochen, für zehn Dollar im Monat. Wir nahmen dies Angebot nur zu gern an. In diesen entlegenen Gegenden gab es sonst niemanden, der für die Offiziersfamilien kochen konnte, und so war es üblich, einen Soldaten zu beschäftigen; und diese Soldaten zeigten oft bemerkenswerte Fähigkeiten im Kochen, hin und wieder in der Tat mehr als im Soldatendasein. Sie schätzten das kleine Zusatzgehalt, wenn sie bescheiden waren. Sie hatten auch ihr eigenes ruhiges Zimmer zum Schlafen, und ich habe mir oft gedacht, daß das Familienleben mit seinem Gegensatz zu der Einfachheit und Einsamkeit in den lauten Unterkünften dem häuslichen Instinkt entgegenkam, der bei manchen Männern sehr stark ist. Auf jeden Fall war es damals immer einfach, jemanden aus der Kompanie zu bekommen; manchmal blieben sie über Jahre bei einer Offiziersfamilie und manchmal nahmen sie nebenbei noch an Musterungen und Appellen teil.
Nun ging es an das Auspacken von Kisten und Kasten. In unserem einen winzigen Raum und im Flur war kein Schrank, kein Haken an der Wand, kein Platz, um etwas zu stellen oder zu legen, und ich wußte nicht weiter. Ich war verzweifelt; Jack kam und fand mich auf einer halbausgepackten Kiste sitzend, den Inhalt auf dem Boden. Ich war traurig, und er sah nicht ein, warum.
»Oh! Jack! Wohin mit den Sachen!«
»Welche Sachen?« sagte dieser unmögliche Mann.
»Na, alle unsere Sachen«, sagte ich ärgerlich »siehst Du sie nicht?«
»Tu sie in die Kisten zurück - und hol sie raus, wenn Du sie brauchst«, sagte dieser Sohn des Mars und gürtete sein Schwert.
»Mach's so gut Du kannst, Martha, ich muß hinüber zum Dienst; bin bald zurück.«
Ich sah mich um und versuchte mit dem Problem fertig zu werden. Es gab keinen Schreibtisch, nichts; keine Nische oder Ecke, in der man etwas unterbringen konnte. Ich starrte auf das Durcheinander an Bettwäsche, Kehrblechen, silbernen Flaschen, Stiefelknechten, Sätteln, alten Uniformen, Paradehelmen, Degengehenken, Reitstiefeln, Kristall, Lampenschirmen, Nähkörben und Büchern, und gab voller Verzweiflung auf. Denn, merke, ich war keine richtige Soldatenfrau und wußte mich nicht zu behelfen.
Auf jeden Fall konnte ich nichts anderes tun als Jacks Rat zu folgen. Und so stopfte ich die Stiefel, Sattel und Gerätschaften unter das Bett, legte die anderen Sachen zurück in die Kisten, machte sie zu und ging aus, um mich auf der Station umzusehen. Gegen Abend kam ein Soldat wegen Bestellungen für Rindfleisch, und ich lernte, wie das geht. Mir wurde gesagt, daß wir unser Fleisch direkt von einem Händler kauften; ich mußte angeben, wie viel und welche Stücke ich wollte. Ein anderer Soldat brachte uns Milch, und ich fragte Jack, wer der Milchmann sei, und er sagte, er habe keine Ahnung. Später erfuhr ich, daß die Soldaten einige von den wilden Texas-Kühen, die auf einer Regierungskoppel gehalten wurden, einfingen und so festbanden, daß sie nicht treten konnten, und sie dann melkten. Die Milch wurde unter den Offiziersfamilien nach Rang verteilt. Wir bekamen jeden Abend etwa einen halben Liter. Ich machte klar, daß das nicht genug sei; aber ich entdeckte schnell, daß, egal wie wichtig Ausbildung, Stellung und Geld im zivilen Leben sein mögen, der Rang ein und alles in der Armee war, und damals hatte Jack davon noch nicht besonders viel.
Das Problem, sich behaglich einzurichten, machte mir immer noch zu schaffen, und ein oder zwei Tage später ging ich zu Mrs. Bailey, um zu sehen, wie sie es angefangen hatte. Zu meiner Überraschung fand ich sie auf dem Tennisplatz, ihr kleiner Junge schlummernd an dessen Rande in einem Kinderwagen, den sie den ganzen Weg von San Francisco hergebracht hatte. Ich gesellte mich zu der Gruppe und fragte sie dann nach Rat in dieser Angelegenheit. Sie lachte freundlich und sagte: »Oh! Sie werden sich daran gewöhnen, und alles löst sich von selbst. Natürlich ist es mühsam, aber sie können Regale und andere Dinge bekommen - sie werden schon sehen.« Und immer noch lächelnd gab sie ihrem Ball einen sauberen Aufschlag mit der Linken.
Ich kam zu der Schlußfolgerung, daß meine Neu-England-Erziehung zu formal und steif gewesen war, und fragte mich, ob es wohl ein gräßlicher Fehler gewesen war, einen Armeeangehörigen zu heiraten oder zumindest meinem Mann nach Arizona zu folgen.
Ich diskutierte die Frage mit mir selbst von allen Seiten, und entschied auf der Stelle, daß junge Soldatenfrauen zu Hause bleiben sollten bei Mutter und Vater und nicht in solche wilden und unzivilisierten Gegenden gehörten. Ich dachte, bei dieser Meinung würde ich für immer bleiben.
Vor die zwei kleinen tiefen Fenster in unserem Zimmer hingen wir Gardinen aus dunkelrotem Baumwollstoff, Jack baute nach Feierabend für mich ein Sofa, und langsam sah unsere kleine Behausung gemütlich aus. Ich fing an, mich ein wenig mit dem gesellschaftlichen Leben zu beschäftigen. Wir waren zum Essen eingeladen bei Hauptmann Montgomery, dem kommandierenden Offizier; seine Frau war eine berühmte Schönheit aus Washington. Er war von höherem Rang und hatte deshalb eine größere Wohnung als wir, und sie war sehr bequem und hübsch.
Es gab viel Neues und Interessantes auf der Station. Die Indianer in dieser Reservation waren White Mountain Apaches, ein wilder und grausamer Stamm, dessen Verheerungen und Grausamkeiten über Jahre hin gingen, in und bei und sogar weit weg von ihrem Stammesgebiet. Aber jetzt war dieser Stamm unter Kontrolle durch die Regierung, überwacht von der starken Garnison von Kavallerie und Infanterie in Camp Apache. Sie bestanden aus Gruppen unter den Häuptlingen Pedro, Diablo, Patone und Cibiano; sie kamen zweimal in der Woche auf die Station, um gezählt zu werden und ihre Rationen an Rindfleisch, Zucker, Bohnen und anderen Lebensmitteln zu erhalten, die Onkel Sam's Versorgungsoffizier ausgab.
Mangels anderer Vergnügungen nahmen die Offiziersfrauen an dieser feierlichen Zeremonie teil. Zumindest vermittelte der ernste Ausdruck auf den Indianergesichtern bei der Verteilung der Rationen diesen Eindruck von Feierlichkeit.
Große Pfähle wurden in den Boden getrieben; an jedem Pfahl saß oder stand der Führer der Gruppe; eine Art von Vater für seine Leute; und der Rest breitete sich über mehrere lange Reihen aus, Männer jung und alt, Squaws und Wollköpfe, nach Familien gruppiert; insgesamt ungefähr 1.700 Leute.
Ich ging mit den anderen Frauen die Reihen auf und ab, und die Squaws betrachteten unsere Kleider und kicherten und machten untereinander unverständliche Bemerkungen. Die jungen Männer bewunderten die weißen Frauen, besonders die Schönste der Kavallerie, Mrs. Montgomery, aber es kam mir so vor, als ob Häuptling Diablo speziell ein Auge auf Mrs Bailey von der Infanterie geworfen hatte. Diablo war ein gutaussehender Mann. Von seinem fabelhaften Äußeren war ich besonders beeindruckt.
Zur Zeit war der Stamm ruhig, nur ein paar Abtrünnige waren in den Bergen auf wilde Abenteuer aus. Aber ich vertraute ihnen nie, sondern hatte eher Angst vor ihnen. Die Squaws waren schüchtern und kamen selten in die Nähe der Offizierswohnungen. Einige Mädchen waren wunderhübsch, mit feingliedrigen Händen und kleinen Füßen in gutgeschnittenen Mokassins. Sie trugen Röcke, die aus Baumrinde gemacht waren, die anmutig ihre nackten Knie und geschmeidigen Glieder umspielten, und meistens eine Art von ausgeschnittenem Hemd aus grobem, ungebleichtem Nessel mit einem Band um Hals und Arme; wenn es kalt war, trugen sie eine hübsche Decke um die Schultern, die auf der Brust verknotet war. Im Sommer trugen sie statt der Decke ein Stück leuchtende Baumwollstoff. Ihr dickes, schwarzes Haar hing in langen Flechten vor den Schultern, und fast jede trug das Haar in die Stirn gekämmt und über den Brauen gerade geschnitten. Hüte waren natürlich unbekannt. Die Apachen, Männer wie Frauen, hatten noch nicht die Sitten ihrer Ahnen aufgegeben, und zeigten noch die außergewöhnliche und malerische Schönheit ihrer ursprünglichen Kleidung. Manchmal trugen sie ein Kleidungsstück aus feinem Hirschleder, und, wenn von hohem Rang in ihrem Stamm, Halsketten aus Elchzähnen.
Summerhayes, Martha
Vanished Arizona; Recollections of Army Life of a New England Woman
Nachdruck der 2. Auflage von 1911, Salem, Mass. o.J.
Übersetzung: U. Keller
Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende in den USA 1541 – 2001
Wien 2002