1541 - Pedro de Castaneda
Am Grand Canyon
Nach einem Marsch von zwanzig Tagen kamen sie an einen Fluß, dessen Ufer sich über mehr als 15 oder 20 Kilometer erstreckten. Das Gelände war hoch gelegen und voller Krüppelkiefern, sehr kalt und nach Norden ungeschützt, so daß man es der Kälte wegen nur mit Mühe dort aushalten konnte, auch wenn jetzt Sommer war.
Die Spanier marschierten drei Tage das Ufer entlang auf der Suche nach einem Weg hinunter zum Fluß, der von oben so aussah, als wäre er nicht mehr als zwei Meter breit; die Indianer jedoch behaupteten, er sei zwei Kilometer breit. Ein Abstieg aber war nicht möglich. Am zweiten oder dritten Tag beschlossen Kapitän Melgosa und ein gewisser Juan Galeras und noch ein Soldat, die drei leichtesten und beweglichsten Männer, einen Versuch zu wagen; und sie kletterten hinunter, bis sie von oben nicht mehr zu sehen waren. Gegen vier Uhr nachmittags kamen sie zurück und berichteten, sie hätten den Talgrund nicht erreichen können wegen der großen Schwierigkeiten, auf die sie gestoßen waren; denn was von oben einfach aussah, war es in der Tat beim Abstieg nicht. Sie berichteten, sie hätten etwa ein Drittel des Weges nach unten geschafft und schon von dort hätte der Fluß sehr breit ausgesehen, was Angaben der Indianer bestätige. Sie versicherten, daß gewisse große Felsen, die man von oben sehen konnte und die etwa Mannesgröße erreichten, größer seien als der Turm der Kathedrale von Sevilla.
Die Spanier marschierten nicht weiter das felsige Ufer entlang, weil es kein Wasser gab. Bisher hatten sie jeden Abend 4 oder 8 Kilometer landeinwärts gehen müssen, um Wasser zu finden, und die Führer sagten, daß es sinnlos sei, weiter zu gehen, weil es dann für vier Tage kein Wasser gäbe. Wenn sie selber durch diese Gegend reisten, nähmen sie Frauen mit, die Wasserkalebassen trügen, die sie unterwegs vergraben würden für den Rückweg; und im übrigen würden sie selber in einem Tag so weit kommen wie die Spanier in zweien.
Castaneda de Nagera, Pedro de
Relation du voyage de Cibola, entrepris en 1540
Paris 1838
Übersetzung: U. Keller
Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg)
Reisende in den USA 1541 – 2001
Wien 2002