Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

Mai 1839 - Thomas Jefferson Farnham
Nach Westen! Der Treck bricht auf
Independence / Kansas City, Missouri

Unser Ziel war das Oregon-Gebiet. Einige von uns lockte das gesunde Leben der Wildnis, andere die Wildnis um ihrer selbst willen, und wieder andere suchten eine Heimat in den Urwäldern und zwischen den wilden Bergen des Columbia Tales; jeder aber, auf die eigene Wohlfahrt bedacht, begann seine Vorbereitungen, die Grenzen der zivilisierten Welt zu verlassen.
   Lasttiere, Pferde und Packsattel wurden gekauft und zum Gebrauch zurecht gemacht; Speck und Mehl, Salz und Pfeffer, um eine ungefähre Strecke von 4000 Meilen auszureichen, in Säcke gepackt, unsere Pulverfäßchen in Wachstuch eingeschlagen, und große Stücke desselben Stoffes angeschafft, um diese Sachen, wie unsere Säcke mit Kleidungsstücken, vor dem Regen zu schützen. Unsere Waffen wurden dann genau nachgesehen, Kugeln gegossen, Pulverhörner und Zündhütchen-Futterale gefüllt und überhaupt alles getan und besorgt, was wir glaubten besorgen zu müssen, ehe wir es wagen konnten, die Grenze des indianischen Gebiets zu überschreiten.
   Bevor wir jedoch diese kleine "hölzerne Stadt" [Independence] verlassen, möchte es wohl nicht uninteressant sein, noch zu bemerken, daß es der gewöhnliche Sammel- und Ausrüstungsplatz für alle Kaufleute, aus dem oberen Land nach Santa Fe und den anderen mexikanischen Staaten ist. Zum Mai jeden Jahres versammeln sich diese hier, und kaufen große pennsylvanische Wagen und Gespanne von Maultieren, um ihre Kattune, baumwollenen Zeuge, Kleider, Stiefel, etc. etc. durch die ungeheuren Steppen nach jenem fernen und so unzuverlässigen Markte hinzuschaffen.
   Wohl interessant ist es dann für alle diejenigen, die noch niemals das Aufbrechen eines solchen Zuges gesehen haben, zu beobachten, wie man die wilden Maultiere zum Ziehen und Arbeiten zwingt.
   Zuerst werden sie eingeschirrt und zu zweien an die Deichsel gespannt, dann die übrigen davor, zwei und zwei in langen, schwingenden Ketten; hierauf, um sie freundlich zu erinnern, daß sie ein Leben monotonen Beschauens gegen die tätigen Pflichten des Santa-Fe-Handels vertauscht haben, wird ein heißes Eisen gegen ihre Schenkel oder ihre Schulter gepreßt, das auf dem zuckenden Fleische die Anfangsbuchstaben des Eigentümers zurückläßt.
   Nachdem dies geschehen ist, besteigt ein mexikanischer Spanier, als Haupt der Maultiertreiber, das Rechte-Hand-Maultier, ein anderer das zu linken, zunächst den Führern, während vier oder fünf andere noch als Fußwache, mit Peitschen und ledernen Riemen bewaffnet, an jeder Seite stehen. Die Zügel werden gestrafft, und der erste Versuch, unbedingten Gehorsam von den bis jetzt nie Gezügelten zu fordern, wird gemacht.
   Der Haupttreiber schreit seinen Marschruf und preßt seine langen Sporen in die Seiten des Tieres, das ihn trägt. Sein Kamerad folgt seinem Beispiel, aber - vergebens sind die Bemühungen; ein Zusammenzucken, ein wilder Seitenblick, und ein gellender Schrei sind die einzigen Antworten dieser Märtyrer menschlicher Gewalt. Noch einmal werden die Ketten gestreckt - der blutige Sporen noch einmal eingestoßen, alle Umstehenden schreien und toben und gebrauchen die Peitschen; die ungelehrigen Tiere aber schlagen und springen, bäumen und reißen, fallen in ihr Geschirr und betragen sich, mit einem Wort, vollkommen als Maultiere.
   Es gelingt ihnen dann auch gewöhnlich, Hals oder Bein eines ihrer Kameraden zu brechen und einen Spektakel zu vollführen, der ihren langohrigen Vorfahren zur Ehre gereichen würde. Nachdem sie übrigens einige Male auf diese Art vorgenommen sind, ziehen sie sehr gut, und obgleich auch dann und wann ein Unglückliches sich solcher Unterdrückung seiner Freiheit gewaltsam widersetzen will, schleppt doch die Mehrzahl, die gewöhnlich passiven Gehorsam einer aktiven Tracht Prügel vorzieht, es mit sich fort, bis es, wie sie selber, sich der Oberherrschaft der Führer unterwirft.
   Am 30. Mai waren wir endlich zum Aufbruch in das indianische Gebiet fertig gerüstet. Unsere Packsättel wurden auf die Maultiere gelegt, unsere Säcke mit Provisionen und anderen Sachen gehörig und zweckmäßig darauf befestigt, und vor dem Regen, der schon zu fallen anfing, geschützt, und wir selbst dann, gut beritten und bewaffnet, schlugen den Weg ein, der südwestlich von Independence fort nach Santa Fe hinführt.
   Wir waren erst drei Meilen gezogen, als furchtbare Regengüsse uns nötigten, in einem am Wege stehenden Schulhause Schutz und Obdach für die Nacht zu suchen. Der nächste Morgen aber war klar und schön und wir brachen früh auf, setzten etwa um zwölf Uhr über den Big Blue, der seine Wasser in den Missouri ergießt, und näherten uns der indianischen Grenze.
   Ängstlich gespannt suchten wir jetzt die geringsten Kleinigkeiten auf, an denen wir erkennen konnten, daß wir die Grenzen der Zivilisation noch nicht überschritten hätten. Es machte einen fast peinlichen Eindruck auf uns, die letzte Fenz, die letzte Wohnung eines weißen Mannes, die letzte Ähnlichkeit mit der Heimat zu verlassen. Endlich näherten wir uns der äußersten Hütte, tranken noch einmal aus dem Brunnen und wanderten weiter. Jetzt waren wir vorbei - alles lag hinter uns, was die Sympathie unserer Jugendjahre durch süße Erinnerung geheiligt hatte.
   Vor uns aber sahen wir die grünen, baumlosen Ebenen, wie sie sich dort seit der Sintflut ausbreiteten; schön und großartig, ununterbrochen durch Busch oder Fels, unberührt von Pflug oder Grabscheit, würzige Luft von ihren ersten Frühlingskindern ausströmend.
   Seit dem Anbeginn der Zeit waren diese der Schauplatz indianischer Tapferkeit gewesen, der Schauplatz ihrer Hoffnungen, Freuden und Schmerzen. O wie viele großartige Erinnerungen mußten sich in der Brust eines Wilden an diese Ebenen knüpfen, die sich in ihrer wunderbaren Schönheit fast zauberhaft vor den entzückten Blicken entfalteten!
   Nachdem wir ungefähr fünfundzwanzig Meilen über diese liebliche Prärie gezogen waren, hielten wir an dem Ufer eines kleinen Flusses, im sogenannten Ulmenhain.
   Hier schlugen wir unsere Zelt auf, banden die Pferde an eigens zu diesem Zwecke mitgenommene Pfähle, kochten, nachdem wir mit vieler Arbeit genug Brennholz herzugeschafft hatten, unser Abendbrot und verzehrten, zum ersten Mal auf indianischem Gebiet, unser frugales Mahl.
   Hier wurden nun auch bestimmtere Anordnungen zu unserer Reise durch die Prärien getroffen, und zu diesem Zweck Provisionen, Waffen, Munition, Gepäck und Sättel noch einmal nachgesehen und ein Verzeichnis unseres gemeinschaftlichen Güterbestands für den indianischen Handel aufgenommen.
   Ebenso erwählten wir jetzt Anführer, deren Pflichten wir bestimmten und verließen dann am 3. Juni den Ulmenhain, wanderten noch ungefähr fünfzehn Meilen auf der Santa Fe-Straße fort und schlugen unser Lager auf einem kleinen Hügel auf, von dem wir die Aussicht über die ganzen umliegenden Flächen hatten.
   Das Gras war ungefähr 4 Zoll hoch und schwankte und wogte in malerischer Schönheit unter dem leisen Lufthauche, der dann und wann darüber hin streifte.
   Wir blieben hier, auf zwei der Unsrigen wartend, die ein entsprungenes Pferd suchten, anderthalb Tage liegen, die Zeit verfloß aber angenehm genug. In der Tat beseelte uns, von aller menschlichen Gesellschaft abgeschnitten und uns selber überlassen, der Geist der kühnen, sorglosen Indianer; wir schulterten die Büchsen und galoppierten dem schmalen Holzstreifen zu, der die Prärie im Westen begrenzte, um einen Hirsch zu erlegen. Obgleich wir nun zwar nichts fanden, so war es doch den Versuch wert - wir hatten angefangen, unsere Lebensmittel zu erjagen.
   Den 4. nachmittags kehrten unsere Kameraden mit dem entflohenen Tiere zurück; die Signalschüsse wurden gegeben, und in kurzer Zeit waren wir alle versammelt.
   Unsere Straße zog sich am 5. durch eine fruchtbare, ebene, mit dem in diesen Gegenden eigentümlichen wilden Gras bekleidete Fläche. Dann und wann nur dehnte sich ein dünner Streifen von Schwarzeichen am Horizont hin, oder er zog sich, unfern der Straße, in einer Schlucht hinauf; hier aber bemerkten wir recht deutlich, wie vorsichtig die Santa Fe Kaufleute an solchen Stellen stets zu Werke gingen, denn nirgends näherte sich die Spur ihrer schwer beladenen Wagen irgendeinem dieser Dickichte auf Büchsenschußnähe.
   Ein Marsch von fünfzehn Meilen brachte uns zu unserem Lagerplatz. Kaum dort angelangt, packte ein Teil unserer Gesellschaft, dem dies Geschäft übertragen war, die Maultiere ab, ein anderer Teil spannte die Zelt auf, während einige Holz herbeitrugen und ein Feuer anzündeten, wieder andere Wasser holten und die Kochgeschirre herbeischafften, so daß hier, wie an jedem anderen Abend, unsere kleine Truppe in wenigen Minuten aus einem reisenden Zug in ein fröhliches, essendes Lager verwandelt war.
   Ein Gewitter brach die Nacht über uns herein; die Blitze waren ungeheuer grell und die Donnerschläge schnell und laut. Wie zwei feindliche Batterien feuerte eine nördliche und eine südliche Wolkenwand gegeneinander, und der Regen schlug in Strömen aus den dunklen Massen herunter. Da wir keinen kleinen Ablaufgraben um unser Zelt gemacht hatten, lagen wir sowohl wie unser Gepäck nur kurze Zeit nach dem Anfang des Regens im Wasser und wurden tüchtig eingeweicht.
   Am nächsten Abend, nachdem wir den ganzen Tag durch Schlamm und Sumpf gewandert waren, tötete einer der Gesellschaft eine Schildkröte, die uns ein herrliches Abendessen bereitete. Das war der einzige, einem Wild ähnliche Gegenstand, den wir, seit wir die Grenze betreten, gesehen hatten.
   Am 7. bei Sonnenaufgang erreichten wir den Osage-Fluß (ein Strom, der sich unterhalb der Stadt Jefferson in den Missouri ergießt).
   Unsere Gesellschaft teilten wir jetzt in zwei Schüsselkameradschaften, eine von sieben und die andere von acht Mann und keine schlechte Gruppe müssen wir dem Beschauer, jeder nach Schneiderart am Boden niedergekauert, gewährt haben, wie wir, von einem Blechbecher mit Tee, Kaffee oder Wasser gefüllt, und einem Teller mit gebratenem Speck und in fett geschmortem Weizenmehl da lagen, jeder sein langes "scalping knife"(Skalpier- oder bei den Weißen Jagdmesser) in der Rechten haltend.
   Morgens, als wir unsere Tiere sattelten, kamen zwei der Kauzaus-Indianer dicht vor unser Lager und schienen eine Einladung zu erwarten. Sie waren mit Flinten und Messern bewaffnet, und mir fiel besonders die Art auf, in der sie, ganz der indianischen Vorsicht gemäß, ihr Schießgewehr trugen.
   Die rechte Hand hielt den dünnen Teil des Schaftes gerade über dem Kolben umspannt und der Lauf ruhte im linken Arm, so daß sie stets zum Feuern fertig waren.
   Sie beobachteten uns sehr aufmerksam, um zu erspähen, ob wir Freunde der Feinde seien; als wir ihnen aber winkten, näher zu kommen, setzten sie sich nahe zum Feuer hin, und begannen mit der größten Kaltblütigkeit ihre Mischung von Weidenrinde und Tabak zu rauchen. Als wir den Lagerplatz verließen, warf einer von unseren Leuten ein paar alte Stiefel weg, an denen die Sohlen mit eisernen Nägeln befestigt waren, unsere Gäste aber fielen mit einer wahren Gier über dieselben her, und schienen sich mit freudigen Gebärden und einigen rauhen Gaumenlauten zu der Erlangung von so viel Reichtum Glück zu wünschen.
   Um acht Uhr fanden wir uns wieder auf dem Weg; die Morgenluft war wahrhaft balsamisch; Myriaden junger Blumen schmückten die grüne Ebene, und heiter und froh gestimmt begannen wir unseren Tagesmarsch, als drei unserer besten Leute sich entschlossen erklärten, die Reise nicht fortzusetzen, sondern mit einer Gesellschaft von Wagen, denen wir am vorigen Abend begegnet waren, nach den Ansiedlungen zurückzukehren; gleich darauf verließen sie uns, Abschied nehmend.
   Ein Schatten von Mißvergnügen umwölkte wohl jedes Auge, doch war es nur von kurzer Dauer. Der Entschluß, zu den fernen Tälern des Oregon zu dringen, scheuchte bald jedes andere Gefühl hinweg, und nachdem wir zwei Jäger, um irgend etwas zu erlegen, vorausgeschickt, reisten wir fröhlich weiter.
   Der Osage-Fluß ist dort etwa hundert Schritt breit und zweieinhalb Fuß tief. Seine Ufer sind mit Baumwollenbäumen, Eichen und Hickory (einer Art weißer Walnuß) bedeckt. Wir ritten durch den Fluß, durchschnitten das Dickicht, das ihn umgibt, und folgten dann aufs Neue der Santa Fe Spur. Das Land, welches wir an diesem Tage durchzogen, war wellenförmig und schön, der Boden sehr fruchtbar, hatte außerordentlich tiefe Ackererde, und war von drei kleinen Wassern durchschnitten, die ihrem Kurs nach in den Osage mündeten. Am Abhang eines kleinen Hügels, den wir am Abend erreichten, waren die Überreste eines alten Kauzaus-Lagers, und ein kristallheller Quell sprudelte dicht darunter zwischen den Stämmen hervor.
   Das Ganze sah so einladend aus, daß wir beschlossen, müde und hungrig, wie wir waren, für die Nacht dort zu bleiben; demzufolge feuerten wir unsere Signalschüsse für die Jäger, spannten die Zelte auf, gebrauchten die Zweige, welche die Indianer gebraucht hatten, um ihre Wigwams zu bauen, zu Feuerholz und waren bald häuslich eingerichtet.
   Dieses Lager war von den Kauzaus vor sechs Jahren aufgeschlagen, als sie südlich zu ihrer jährlichen Büffeljagd zogen.
   Wie es schien, hatten die äußersten Hütten einen Halbzirkel beschrieben, dessen Inneres dann mit Wigwams ausgefüllt wurde, die in gerader Linie vom Mittelpunkt nach dem äußersten Kreise zu liefen. Man baut sie etwa auf folgende Art: Zweige, von ungefähr zwei Zoll im Durchmesser, werden mit dem starken Ende in den Boden gesteckt, oben bogenförmig zusammen befestigt und über diese dann wollene Decken oder Felle gebreitet. Vor der Hütte zünden sie ein Feuer an, legen in das Innere, auf das weiche Gras, zarte Felle, und die Heimat des Indianers ist fertig.
   Wir benutzten hier übrigens ohne den geringsten Skrupel alles, was uns an Wasser oder Holz nützlich zu sein schien, und waren gar bald recht behaglich eingerichtet.
   Um neun Uhr ungefähr wurden unsere Signalschüsse von den Jägern beantwortet - sie hatten den ganzen Tag das Land durchstöbert, aber nicht das geringste Wild gefunden; das wies sich als ein harter Schlag für unsere Hoffnungen aus.
   Wir besaßen nur noch hundert Pfund Mehl und eine Seite Speck, dazu waren die Büffel, nach der genauesten Schätzung, die wir machen konnten, noch wenigstens an dreihundert Meilen von uns entfernt, und das Land, bis dorthin fortwährend von Indianern durchzogen und bejagt, schien uns wenig Hoffnung auf anderes Wild zu lassen; doch machten wir uns keine zu große Sorge über dies alles, setzten uns auf etwas kürzere Rationen herunter und schliefen die Nacht vortrefflich.
   Am andern Morgen zogen wir den Hügel hinab und mußten ein kleines Dickicht durchschneiden, doch so sehr wir auch die Frische und Lieblichkeit dieses freundlichen Hains bewundern mochten, konnten wir uns doch nicht dem ganzen Genuß hingeben, da wir ein scharfes Auge auf alle Büsche und Verstecke halten mußten, wo etwa ein lauernder Feind verborgen liegen konnte.
   Dieser Hain ist die nördlichste Grenzlinie der wandernden Komantschen, eines indianischen Stammes, der eigentlich seine Heimat in den weiten Prärien von Texas hat. Seine zehntausend Krieger, die unvergleichliche Reitkunst derselben, die Staunen erregende Schnelle, mit der sie ihre Feuerwaffen abschießen und wieder laden, wie ihr nicht zu löschender Blutdurst machen sie gefährlicher und fürchterlicher als irgend einen anderen Stamm der wilden Ureinwohner.
   Glücklicherweise jedoch sahen wir nichts von diesen Spartanern der Prärien und durchschnitten fröhlich die kleine Steppe, die uns noch von Council Grove trennte.
   Council grove oder Beratungshain hat seinen Namen eigentlich davon erhalten, daß sich hier die Reisenden - sowohl nach dem Westen als auch nach den südlichen mexikanischen Provinzen - gewöhnlich versammeln, ihre Anführer wählen und ihre Gesetze entwerfen, um all den Gefahren, die ihnen weiter im Innern der Prärien drohen, zu begegnen.
   Zuerst wird ein Hauptanführer gewählt, und seine Pflicht ist dann, wieder die anderen, unter ihm stehenden Rottenführer zu ernennen, die Eigentümer der Güter und die Leute selbst in verschiedene Wachen einzuteilen und jedem seine bestimmten Wachzeiten für den übrigen Teil dieser gefährlichen Reise anzuweisen.
   Er teilte ebenfalls die Karawane in zwei Abteilungen, von denen jede, wenn sie auf dem Marsch begriffen ist, eine Kolonne bildet.
   In diesen Kolonnen bekommt jedes Gespann seinen gewissen Platz, den es nie verlassen darf. Nachdem dies alles angeordnet ist, hat die Beratung ein Ende und der Führer reitet mit denen, welche die Wache haben, voran, um teils auf der alten Spur zu bleiben, teils auch eine sich irgendwo nahende Gefahr gleich zu erspähen und ihr zu begegnen.
   Nach dieser Wache kommen die ersten Gespanne, ungefähr dreißig Schritte voneinander entfernt, und die anderen folgen in gerader Linie, bald auf dem wellenförmigen Boden emporsteigend, bald in kleinen Tälern verschwindend; zweihundert Mann, hundert Wagen, achthundert Maultiere; und Schreien, Peitschenknallen, Pfeifen und Lachen, alles tönt wild und jubelnd durcheinander, während die fröhlichen, abgehärteten Yankees auf diese Art heitern Sinnes durch Tausende von Gefahren ziehen, um sich ihren Anteil Goldes aus den reichhaltigen Minen Mexikos zu holen.
   Verschiedene Vorteile werden übrigens durch diese Einteilung gewonnen. Sollten sie auf ihrem Marsch von den Komantsche-Reitern oder anderen Feinden angefallen werden, so ziehen die ersten Gespanne zur Rechten und zur Linken, und schließen die Front, während die letzten durch eine ähnliche Schwenkung, den Rücken decken und auf diese Art eine lange Wagenburg formen, die mit, baumwollenen Gütern beladen, Männer und Tiere vor den Kugeln und Pfeilen der Indianer schützt.
   Dieselben Vorkehrungen werden abends, wenn sie halt machen, getroffen und in diese Wagenburg, nachdem sie gefüttert sind, werden die besten und nützlichsten Pferde oder Lasttiere getrieben; die andern aber an eingerammelte Pfähle, etwa zwanzig oder dreißig Schritte von den Wagen entfernt, befestigt. Die Stricke, an welche sie gebunden werden, sind gewöhnlich dreißig bis vierzig Fuß lang, und die Pfähle weit genug voneinander, daß sie sich nicht verwickeln können.
   Zwischen diese Tiere werden die Wachen gestellt, die entweder bewegungslos dastehen, oder, an den Boden geschmiegt, den ebenen Horizont beobachten, um sogleich jeden sich bewegenden Gegenstand zu erkennen.
   Das letztere Verfahren ist auf jeden Fall das zweckmäßigste, da eine aufrecht stehende Schildwache gar leicht von dem heranschleichenden Indianer gesehen und mit einem Pfeil geräuschlos niedergeschossen werden könnte, ehe diese nur die Nähe des ihres Feindes ahnen möchte; ist das Auge des Wachhabenden aber dicht auf dem Boden, so kann er leicht jeden nur etwas erhaben zwischen sich und dem helleren Horizont aufsteigenden Gegenstand bemerken.
   Wird das Lager angegriffen, so macht die Besatzung einen Ausfall, befreit ihre Tiere aus den Händen der Rothäute und feuert dann aus ihrer Wagenburg mit aller nur möglichen Schnelle und Sicherheit auf die Angreifer.
   Manches blutige Gefecht ist so auf der »Fährte« (den Wagengleisen der Santa-Fe-Wagen) gekämpft worden, und manches Grab liegt am Wege; ein stummer Zeuge der wütenden Angriffe, welche die freien Kinder der Prärien auf ihre Feinde machen.

Farnham, Thomas Jefferson
Wanderungen über die Felsengebirge in das Oregon-Gebiet
Leipzig 1846

Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende in den USA 1541 – 2001
Wien 2002

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