Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1833 - Prinz zu Wied
Bei den Indianern
Fort Clark

Obwohl uns die ersten, bitterkalten Schneestürme verlockten, am wärmenden Kaminfeuer des Forts zu bleiben, brachen wir am 30. Oktober gegen 11 Uhr vormittag auf, um den Missouri abwärts nach Fort Clarke zu reisen, wo ich den Winter zu verbringen und die Indianer vom Stamme der Mandans und Mönnitarris einer ausführlichen völkerkundlichen Erforschung zu unterziehen gedachte.
   Wir erreichten am 9. November Fort Clarke und wurden von dem Direktor, Herrn Kipp, herzlich begrüßt. Ganz in der Nähe lag das Hauptdorf der Mandan-Indianer, Mih-Tutta-Hangkusch, das mir in der Folgezeit als Studienort indianischer Gepflogenheiten dienen sollte.
   Herr Kipp teilte mit, daß unsere Winterwohnung - ein einstöckiges Haus, dessen Bau Herr McKenzie freundlicherweise befohlen hatte - noch nicht vollendet sei. Es wurde während der nächsten, äußerst kalten Tage in höchster Eile errichtet. Die Folge dieser raschen Bauweise war, daß die Wohnung der Kälte wenig Widerstand leistete. Die starken, zwischen dem Holz der Wände befindlichen Ritzen wurden in der Eile mit Ton bestrichen, den der Frost sogleich sprengte, so daß der kalte Wind überall eindrang.
   Unser Haus bestand aus zwei Räumen. Ein jedes dieser Zimmer war mit einem gemauerten Kamin versehen, in welchem wir große Blöcke von grünem Pappelholz verbrannten.
   Schon bald besuchte uns der berühmte Mandan-Häuptling Mato-Tope mit seiner Frau und seinem kleinen Sohn Matoa-Berocka (Der männliche Bär).
   Da ich mit Mato-Tope in der Folgezeit eine herzliche Freundschaft schließen sollte, möchte ich hier einige Einzelheiten über diese ausgezeichnete indianische Persönlichkeit vorausschicken:
   Er war nicht nur ein ausgezeichneter Krieger, sondern es lagen seinem Charakter auch edle Züge zugrunde.  Im Kriege hat er sich allzeit einen ausgezeichneten Ruf zu erhalten gewußt.
   Mit eigener Lebensgefahr führte er einst zahlreiche Assiniboins, die, um Frieden zu schließen, zu den Mandans nach Mih-Tutta-Hangkusch gekommen waren, in das Fort Clarke ein. Seine eigenen Leute jedoch achteten die Friedensvorschläge nicht und eröffneten ein lebhaftes Feuer auf die Assiniboins. Mato-Tope versuchte alles in seinen Kräften Stehende, um diese Feindseligkeiten zu hintertreiben und führte dann persönlich die Assiniboins langsamen Schrittes zwischen den pfeifenden Kugeln und Pfeilen hindurch, indem er Entschuldigungen für dieses tadelhafte Benehmen seiner eigenen Leute machte.
   Er hatte viele Feinde erlegt, unter ihnen fünf Häuptlinge. Einmal befand er sich mit einigen wenigen Mandans zu Fuß auf einem Kriegs-Streifzug, da begegneten sie vier berittenen Chayenne-Indianern - ihren erbittertsten Feinden.
   Als der Chayenne-Häuptling sah, daß die Feinde zu Fuß waren, das Gefecht daher ungleich gewesen sein würde, stieg er ab. Beide Parteien gingen aufeinander los.
   Es kam zu einem Zweikampf zwischen Mato-Tope und dem Chayenne-Häuptling.  Sie schossen zunächst aufeinander, fehlten, warfen dann die Gewehre weg und griffen schnell zu der blanken Waffe. Der Chayenne-Häuptling, ein großer, starker Mann, zog sein Messer. Der leichtere, gewandtere Mato-Tope führte die Streitaxt.
   Eben wollte der Chayenne-Häuptling seinen Gegner Mato-Tope erstechen, als ihm dieser in das Messer griff, sich zwar stark an der Hand verwundete, aber dem Feinde die Waffe aus der Hand drehte und ihn damit erstach - worauf die anderen Chayenne-Indianer die Flucht ergriffen.
   Mato-Tope hat diese Heldentat in einer eigenen Zeichnung dargestellt, auch findet sich ein Bild von diesem Vorfall links unten auf der Bisonrobe, die er mir verkauft hatte. Die anderen Zeichnungen auf der Bisonrohe verweisen auf ähnliche Heldentaten.
   Auch an seinem Körper trug Mato-Tope verschiedene Hinweise auf seine kriegerische Vergangenheit: Ein aus Holz geschnitztes, rot angemaltes, etwa handlanges Messer, das er quer in seinem Haar befestigt hatte, verweist auf den eben geschilderten Kampf mit dem Chayenne-Häuptling. Sechs hölzerne Stäbchen rot, blau und gelb gefärbt, die er ebenfalls im Haar trug, bedeuten die Anzahl der Schußwunden, die er erlitten hat. Für eine Pfeilwunde, die ihm zugefügt worden war, hatte er am Hinterkopf die gespaltene Schwungfeder eines wilden Truthahns befestigt. Ein Bündel von gelb und rot gefärbten Uhufedern bedeutet seine Mitgliedschaft im "Bund der Hunde", über den ich später noch ausführlich berichten werde. Mato-Tope trug auf den Armen von der Schulter abwärts insgesamt 17 gelbe Streifen aufgemalt - der Hinweis darauf, daß er sich 17 Heldentaten rühmen darf. Eine auf seiner Brust aufgemalte Hand in gelber Farbe bedeutete, daß er viele Gefangene gemacht hatte. Um den Hals trug er ein schönes Halsband von den Klauen des Grizzly-Bären - ein Beweis, daß er solche Tiere erlegt hatte, insgesamt vier, wie sein Name besagte (Mato-Tope bedeutet: Die vier Bären).
   Der Aufputz, den ein Indianer betreibt, benötigt mehr Zeit als die Toilette einer eleganten Pariser Dame. Mato-Tope war wie alle Indianer sehr eitel. Er wechselte stets seine Kleidung, wenn er uns besuchte. Sein Aufzug war meist höchst abenteuerlich.
   Einmal kam er mit einem Wolfsfell um den Kopf, dessen Haare strahlartig auseinanderstanden, und das weit besser für eine alte Frau als für einen Krieger seiner Art gepaßt hätte. Dann erschien er wieder mit einer blauen Uniform mit roten Aufschlägen, die er von Kaufleuten erhalten hatte.
   Herr Bodmer zeichnete ihn, als er ein schönes neues Hemd von Bishorn-Leder anhatte, auf dem Kopfe die große Federmütze (Mahchsi-Arkub-Haschka) trug und in der Hand eine lange mit Skalpen und Federn behangene Lanze hielt.
   Mato-Tope erzählte oft vor unserem Kaminfeuer von seinen Heldentaten und indianischen Kriegsgewohnheiten. Wenn es zu spät wurde, dann legte er sich, während wir zu Bett gingen, vor das Kaminfeuer auf zwei Bisonfellen zu Boden, wo er sehr sanft schlief, ohne das Feuer zu unterhalten. Wenn er aufstand, reinigte er sich, ließ aber seine Bisonfelle auf dem Boden höchst sorglos liegen, wie dies alle Indianer tun, indem sie von den Weißen bedient sein wollen.

Wied-Neuwied, Maximilian von
Reise in das innere Nord-America in den Jahren 1832 bis 1834
Koblenz 1837
Nachdruck 1978: Die Reise des Prinzen Wied zu den Indianern

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!