1718 - Charles Johnson
Der Tod von Captain Blackbeard
Ocracoke Island, North Carolina
Den 17. November 1718 ging der Leutnant [Maynard] von Ricquetan ab, auf dem Fluß S. Jacob in Virginia, und den 21. gegen Abend fuhr er in die Insel Okerekok ein, wo er die Seeräuber entdeckte. Diese Fahrt war in aller möglichsten Verschwiegenheit angestellt und durch die Offiziere mit aller möglichen Klugheit geführt, indem sie alle Barken und Fahrzeuge, die ihnen begegneten, anhielten, um zu verhüten, daß Teach [der eigentliche Name von Blackbeard] Nachrichten von ihnen bekäme, und zugleich sich zu informieren, an welchem Ort dieser Seeräuber sich verborgen hielt. Ungeachtet aber all dieser Vorsicht erlangte Schwarzbart sogar von dem Gouverneur der Provinz Nachricht von alledem, was wider ihn geschmiedet wurde, und Mr Knight, seiner Exzellenz Sekretär, schrieb besonders deswegen an ihn, und bemerkte, daß er ihm vier von seinen Leuten zugeschickt habe, welche alle gewesen, so er in der Stadt und deren Gegend habe finden können, und vermahnte ihn sehr, auf seiner Hut zu sein. Diese Leute waren von des Schwarzbart Gesellschaft, und von Bath Town nach der kleinen Insel Okerokok, so ungefähr 20 Meilen davon gelegen, wo er sich einer Schaluppe aufhielt, an ihn abgeschickt.
Schwarzbart hatte schon oft dergleichen Nachricht erhalten, welche er aber nicht für wahr befunden, daher er auch dieser letzten keinen Glauben beilegte, und dieselbe nicht für wahr hielt, bis er selbst die Schaluppen sah, die man wider ihn ausgesandt hatte. Wie er nun überzeugt war, daß die Sache sich also verhielte, setzte er sein Schiff in Defensionsstand, und obgleich seine ganze Mannschaft nur aus 25 Personen bestand, so gab er doch vor, daß sie 40 Mann stark wären. Wie er nun alle Anstalten zum Streit gerichtet hatte, brachte der die ganze Nacht mit Saufen zu, in Gesellschaft eines Schiffers von seiner Kaufmanns-Schaluppe. Unterdessen hatte der Leutnant Maynard Anker geworfen, weil er diese Nacht dem Teach nicht näher kommen konnte, da die Gegend seicht und der Kanal mit allerhand Schlamm verstopft war. Am folgenden Tage aber lichtete er die Anker, und nachdem er das Fahrzeug vor seinen Schaluppen hatte hergehen lassen, um die Tiefe zu erforschen, kam er endlich den Seeräubern bis auf einen Kanonenschuß nahe, und versuchte deren Feuer. Um deswillen steckte Maynard die Königliche Fahne auf und versuchte, mit allen Segeln und Rudern ihm näher zu kommen. Schwarzbart seinerseits kappte alle Schiffsseile, und tat sein möglichstes, indem er kontinuierlich aus seinen Kanonen feuerte, um zu verhüten, daß es zur Niederlage kommen möchte.
Maynard hingegen, welche keine Kanonen hatte, feuerte unaufhörlich aus Musketen, während viele von seinen Leuten aus allen Kräften ruderten. Kurz hernach strandete des Teach' Schaluppe. Weil aber des Maynard Fahrzeug mehr Wasser schöpfte als das des Seeräubers, konnte er ihm nicht beikommen; deswegen warf er auf einen halben feindlichen Kanonenschuß Anker, um sein Schiff zu erleichtern, damit er zum entern kommen möchte, und deshalb befahl er, einen Auswurf zu tun, und das Wasser im Unterteil des Schiffes auszupumpen, womit er auf den Seeräuber losging. Wie derselbe ihn sich nähern sah, befragte er ihn mit vielen Flüchen, wer er wäre und woher er käme. Worauf der Leutnant antwortete: »Ihr könnt an unseren Fahnen sehen, daß wir keine Seeräuber sind!« Schwarzbart befahl ihm, sein Fahrzeug zu ihm zu schicken, damit er sehen könne, wer er wäre. Maynard setzte hinzu, daß er sein Fahrzeug nicht entbehren könne, er wollte aber, so bald es möglich wäre, selbst mit seiner Schaluppe zu ihm an Bord kommen. Worauf Schwarzbart ein Glas mit Getränk nahm, und ihm zurief, nachdem er es ausgetrunken: Es sollte ihn der Teufel holen, wenn er ihm Quartier geben oder solches von ihm verlangen wollte. »Ich erwarte solches von dir nicht«, antwortete Maynard, »und du kannst sicher sein, daß du auch kein Quartier von mir bekommen wirst.«
Während der Zeit war des Schwarzbarth's Schaluppe wieder flott geworden, und die Leute des Leutnants ruderten aus allen Kräften den Seeräubern zu. Wie sie sich denselben genähert, gaben sie ihnen eine ganze Lage, die um so größeren Schaden unter des Leutnants Leuten verursachte, weil die Kanonen mit Kartuschen geladen waren. Maynard hatte zwanzig Tote und Blessierte and Bord, und neun auf der anderen Schaluppe, und weil es windstill war, war er genötigt, sich der Ruder zu bedienen, damit der Seeräuber nicht entkommen möchte.
Der Leutnant ließ seine Leute ins Schiff hinunter steigen, damit nicht eine gleiche Lage diesem Streit ein Ende und ihren gänzlichen Untergang verursachen möchte. Er blieb allein, nebst einem Steuermann, oben, der sich aber mit großer Sorgfalt verbarg. Diejenigen, so ins Schiff hinuntergestiegen, hatten Befehl, ihre Pistolen und Säbel zum Streit fertig zu machen, und auf den ersten Befehl wieder heraufzusteigen, weswegen man einige Leitern angelegt hatte. Wie sich des Leutnants Schaluppe and die von Kapitän Teach angehängt hatte, warfen seine Leute viele neuerfundene Granaten. Es bestanden dieselben in gewissen mit Pulver angefüllten Flaschen, worin zugleich Stücke von Eisen, Blei und anderen Zutaten waren, welche, in ein Fahrzeug geworfen, unbeschreiblichen Schaden anrichteten, und die Mannschaft in äußerste Konfusion brachten. Zum guten Glück aber taten sie hier keine böse Wirkung. Der größte Teil von des Leutnants Leuten war, wie erwähnt, hinuntergestiegen, so daß Schwarzbarth, indem er wenige oder mehr an Bord sah, zu seinen Leuten sagte: Es wären alle ihre Feinde bis auf drei oder vier umgekommen, darum, setzte er hinzu, »Haut sie in Stücke und werft sie ins Meer!«
Kaum hatte er dieses gesagt, als er unter Bedeckung eines dicken Dampfes, der aus einer der vorerwähnten Flaschen ging, mit vierzehn anderen Räubern in des Leutnant Maynard Schaluppe hinübersprang, welcher ihrer nicht eher, als wie der Dampf sich zu verteilen anfing, gewahr wurde. Doch hatte er noch eben Zeit, denen so unten im Schiff waren, das verabredete Zeichen zu geben, welche also sofort wieder heraufstiegen und die Seeräuber so beherzt angriffen, als man nur bei dergleichen Gelegenheiten hoffen konnte. Schwarzbart und der Leutnant zogen zuerst ihre Pistolen, wobei der Seeräuber blessiert wurde. Sie schlugen sich darauf mit Säbeln, bis der des Leutnants in Stücke sprang, und wie der sich zurückzog, um eine Pistole zu laden, hätte Schwarzbart ihn mit seinem kurzen Degen durchstochen, wenn nicht zu gleicher Zeit einer von des Leutnants Leuten dem Seeräuber einen entsetzlichen Streich über den Hals zugemessen, welcher den Leutnant rettete, so daß er mit einer leichten Blessur an den Fingern davon kam.
Der Streit wurde sehr hitzig und das Meer in der Gegend des Schiffes von Blut ganz verfärbt. Maynard, welcher nicht mehr als zwölf Leute um sich hatte, stritt wie ein Löwe wider Schwarzbart, welcher deren vierzehn hatte. Der bekam aber einen Pistolenschuß vom Leutnant, er fuhr aber dennoch mit höchstem Grimm fort, um sich zu hauen, bis er fünfundzwanzig Wunden bekommen, worunter fünf Schüsse waren, worauf er tot zu Boden stürzte, als er eine Pistole wieder laden wollte. Viele von den Räubern kamen gleichfalls um; die übrigen, so nicht weniger verwundet waren, sprangen ins Schiff hinunter und verlangten Quartier [Zuflucht], welches ihnen aber ihr Leben nur für kurze Zeit verlängerte.
Also kam dieser Unglückselige um, dessen Tapferkeit einen Helden aus ihm hätte machen können, wenn er solche in einer gerechten und billigen Sache angewendet. Seinen Untergang, welcher den Plantagen großen Nutzen brachte, hatte man einzig und allein der guten Konduite und Tapferkeit des Leutnant Maynard und seiner Leute zu danken, welche ihn mit geringem Verlust bewirkt hätten, wenn sie ein mit großen Kanonen bestücktes Schiff gehabt hätten. Sie waren aber genötigt, sich so kleiner Fahrzeuge zu bedienen, weil es nicht möglich war, mit größeren Schiffen dahin zu kommen, wo die Räuber sich verborgen hielten. Der Leutnant hatte ohnehin Mühe genug dahin zu gelangen, indem er mehr als hundert Mal an Land stieß, ohne viel anderes Ungemach, welches einen anderen Offizier, der nicht so beherzt und tapfer gewesen, hätte umkehren lassen. Die Lage, die so großen Schaden unter des Leutnants Mannschaft tat, erhielt den übrigen Haufen. Denn Teach, welcher vor dieser Abfeuerung wohl merkte, daß es ein schlechtes Ansehen hätte davon zu kommen, hatte schon in der Pulverkammer einen Mohren bestellt, mit einer angezündeten Lunte, um, sobald er es befehlen würde, dieselbe anzustecken, welches er ohne Zweifel würde getan haben, wenn der Leutnant mit seinen Leuten in seine Schaluppe wäre übergesprungen, um mit ihm seine Überwinder zugleich in die Luft fliegen und umkommen zu lassen. Zwei Gefangene, welche unten im Schiffe waren, hatten Mühe genug, den Mohren zu überreden, daß er es nicht täte, und solches auch so gar, nachdem er schon des Schwarzbarts Tod vernommen hatte. Das Verwunderlichste hierbei ist, daß viele von denen, welche sich wider Teach und seine Leute so tapfer vor anderen gehalten, nach der Zeit selbst Seeräuber geworden sind.
Der Leutnant befahl, dem Schwarzbart den Kopf abzuhauen, und denselben oben am Vordersegel zu befestigen, worauf er nach Bath Town abfuhr, um sich allda verbinden zu lassen. Als man des Seeräubers Schaluppe durchsuchte, fand man viele Briefe und andere Schriften, welche das gute Vernehmen entdeckten, so Schwarzbart mit dem Gouverneur Eden, seinem Sekretär und einigen Kaufleuten in New York unterhalten. Es würde derselbe vermutlich die Schriften verbrannt haben, damit dieselben nicht in seiner Feinde Hände geraten möchten, wenn er nicht beschlossen hätte, sich in die Luft zu sprengen, wenn alle Hoffnung verloren wäre.
Johnson, Carl (Pseudonym für Daniel Defoe?)
Schauplatz der Englischen See-Räuber ...
Goslar 1728
Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg)
Reisende in den USA 1541 – 2001
Wien 2002