1898 - Charles D. Sigsbee
Noch Freund oder schon Feind?
Vor dem Ende der Maine
Havanna, Kuba
Meine Befehle lauteten, mit der Maine zu einem Freundschaftsbesuch nach Havanna zu fahren. Ich konnte nach eigenem Gutdünken und entsprechend den üblichen Formalitäten verfahren. Das heißt, man nahm an, dass ich wüsste, wie ich vorzugehen hatte, und für dieses Vorgehen trug ich die Verantwortung. Die Situation schien nichts anderes zu erfordern als den wohl bekannten, bei der Marine üblichen Austausch von Höflichkeiten. Man konnte erwarten, dass die spanische Bevölkerung es lieber gesehen hätte, wenn die Maine nicht gekommen wäre. Aber wegen der schwelenden Aufstände, deren Ende nicht in Sicht war, der Beeinträchtigung der amerikanischen Interessen und wegen der um ihre Sicherheit besorgten amerikanischen Bürger hatten die Vereinigten Staaten beschlossen, auf einem eigenen Schiff in kubanischen Gewässern Flagge zu zeigen. Es ist ganz klar, dass ich keine besonderen Bedenken wegen der Eigenheiten der Situation hatte. Mein Schiff war ausgewählt worden, Havanna anzulaufen, und ich war erfreut über die Wahl, wie es jeder andere kommandierende Offizier auch gewesen wäre.
Gegen 11 Uhr abends fuhr die Maine [von der Küste Floridas] nach Süden in den Golfstrom. Ich wollte in Havanna nicht am frühen Morgen ankommen, sondern hineindampfen, wenn die Stadt lebendig und alles auf den Beinen war. Deshalb kamen wir am nächsten Morgen bei Tagesanbruch noch weit im Westen unter Land. Das war am Dienstag, dem 25. Januar. Dann verringerten wir die Geschwindigkeit und machten Klarschiff, sodass die Maine sich ordentlich präsentieren konnte, wie es für Hafenaufenthalte üblich ist. Der Mannschaft wurde befohlen, das allerbeste Zeug anzulegen, die Offiziere trugen lange Uniformröcke. Als alles bereit war, nahm die Maine östlichen Kurs zum Hafen, etwa parallel zum Ufer der Stadt. Sie fuhr mit voller Geschwindigkeit an der Stadt vorbei, die US-Flagge oben auf dem Mast, den »Jack« am Vormast gehisst. Das zeigte auf einen Blick unsere Nationalität und was wir vorhatten, nämlich, dass wir ein US-amerikanisches Kriegsschiff waren und einen Lotsen für den Hafen von Havanna anforderten. Alle Lotsendienste in den und aus dem Hafen unterstehen dem Hafenkapitän, der Marineoffizier ist. Der Lotsendienst ist ganz in der Hand des Staates.
Unverzüglich machte sich ein Lotse auf den Weg zur Maine und kam auf der Seeseite des Kastells Morro an Bord, ganz wie üblich und ohne Einwände oder ungewöhnliche Fragen. Er brachte die Maine mit so großem Geschick langsam durch die enge Einfahrt, dass ich ihn beglückwünschte, nachdem wir an einer Boje festgemacht hatten. Ich empfahl ihn später auch dem Hafenkapitän. Zu der Zeit lagen an festen Anlegebojen zwei andere Kriegsschiffe: der spanische Kreuzer Alfonso XII, der seine Position während der ganzen Zeit, die die Maine bis zur Versenkung dort lag, nicht veränderte, und der rahgetakelte deutsche Schuldampfer Gneisenau. Die Maine fuhr langsam zwischen den beiden Schiffen hindurch und wurde an einer Boje festgemacht, die der Lotse bestimmt hatte. Sie befand sich etwa 400 Meter südlich des deutschen Kriegsschiffes auf der Reede für Fahrzeuge der Kriegsmarine; sie hat diese Boje nicht verlassen und nahm sie beim Untergang mit sich. Als die Maine explodierte, hatte das spanische Postboot Legazpi den Liegeplatz eingenommen, den vorher die Gneisenau inne gehabt hatte. Einen oder zwei Tage nach der Ankunft der Maine lief das deutsche rahgetakelte Schulschiff Charlotte in den Hafen ein. Andere Schiffe lagen vor Anker oder hatten in mehr oder weniger großer Entfernung von der Maine festgemacht, 200 Meter oder weiter entfernt.
Wahrscheinlich gibt es wenige Formen der Etikette, die so unveränderlich sind wie die Ehrenbezeugungen zwischen Seestreitkräften. Sie sind in den Dienstvorschriften niedergelegt und aus eindeutigen internationalen Verfahren entstanden. Der Austausch von Ehrenbezeugungen zwischen Schiffen einer Kriegsmarine einerseits und militärischen und zivilen Stellen andererseits ist ebenso festgelegt. In allen Häfen mit regelmäßigem Verkehr sind sie wohl bekannt. Beim Einlaufen eines fremden Schiffes in einen Hafen schickt der ranghöchste anwesende Marineoffizier des Heimatstaates einen Leutnant oder einen anderen niedrigen Dienstgrad zum kommandierenden Offizier des ankommenden Schiffes zwecks Austausch von Höflichkeiten oder zum Überbringen des Angebotes, alle mögliche Unterstützung zu gewähren. Bei der Verabschiedung des Offiziers, der diesen zeremoniellen Besuch abstattet, wird unverzüglich ein Offizier des angekommenen Schiffes abgesandt, um im Namen seines kommandierenden Offiziers zu danken. Als nächster Schritt folgt der Besuch des kommandierenden Offiziers des angekommenen Schiffes bei den ranghöheren Offizieren der Marine des Gastlandes. Innerhalb von 24 Stunden müssen diese Besuche erwidert werden. Es ist auch üblich, den höchsten zivilen Beamten und den höchstrangigen Offizier der Streitkräfte aufzusuchen. Deshalb war ich verpflichtet, mich in Havanna bei dem Generalkapitän (der auch Generalgouverneur ist), dem spanischen Admiral, dem Hafenkapitän und dem Kapitän der Alfonso XII einzufinden. Da es unter Angehörigen der Vereinigten Staaten üblich ist, dass der Kapitän eines eingelaufenen Kriegsschiffes bei dem Repräsentanten der USA vorspricht, war auch ein Besuch bei General Fitzhugh Lee, dem Generalkonsul, abzustatten.
Als Kommandant der Maine in Havanna hatte ich nur den einzigen Wunsch, mich den spanischen Behörden gegenüber so zuvorkommend zu zeigen wie möglich, wie es ja auch in meinen Befehlen stand, und entsprechend handelte ich. Der erste spanische Offizier, der an Bord kam, vertrat den Hafenkapitän. Er trat würdevoll und höflich auf (was übrigens bei Angehörigen der spanischen Marine immer so ist), aber er kam mir in der Erfüllung seiner Pflichten peinlich berührt und sogar gedemütigt vor. Ich bedauerte das sehr und tat alles, was in meiner Macht stand, damit er sich wohler fühlte. Nachdem ein zweiter spanischer Offizier angekommen war, der die Angelegenheit philosophischer anging, und auch ein deutscher Offizier seine Aufwartung machte, schien er sich unbefangener zu fühlen.
Ich machte die erforderlichen Besuche und wurde überall sehr höflich empfangen. Es ist nicht entscheidend, ob unter der Oberfläche tatsächlich echte Freundlichkeit steckte, die spanischen Vertreter waren auf jeden Fall genau so höflich, wie sie es schon immer gewesen waren, und taten das mit all dem Charme, der ihrer Nation eigen ist. Ich hielt ihr Verhalten für unverstellt.
Es ist hier nicht wichtig, in die Einzelheiten des Verfahrens für das Schießen von Salut zu gehen. Es sei nur gesagt, dass die Konvention verlangte, dass die Maine die spanische Flagge salutierte und ebenso Admiral Manterola. Aber Salut wird nur geschossen, wenn klar ist, dass er auch erwidert wird. Deshalb hielt ich es für angebracht, diesen Punkt klarzustellen, obwohl der Besuch des spanischen Offiziers eigentlich schon dafür sprach. Während der Unterhaltung mit dem spanischen Offizier, der als Erster an Bord gekommen war, sagte ich: »Ich werde es mir zur Ehre anrechnen, Ihre Flagge zu salutieren. Welche Batterie wird den Salut erwidern?«, worauf er antwortete: »Die Cabaña.« Nach dieser Rückversicherung wurden beide Salute gefeuert und erwidert. Den Salut für den spanischen Admiral erwiderte sein Flaggschiff, die Alfonso XII.
Kurz nach der Ankunft der Maine schickte ich meinen Adjutanten zu General Lee, um ihm zu melden, dass ich bald selbst kommen würde. Ich gab auch Befehl, dass niemand ohne ausdrücklichen Befehl das Schiff verlassen dürfe. Ich wollte zuerst einen Eindruck über die Stimmung zur Ankunft der Maine gewinnen, sowohl auf offizieller Seite wie auch auf der des allgemeinen Publikums. Ich machte meinen Antrittsbesuch beim Admiral in Galauniform mit Dreispitz, Epauletten etc. Ich landete bei der Machina, dem Landungskai der Kriegsmarine, der unmittelbar an der Residenz des Admirals liegt. Es hatten sich Leute versammelt, aber es war nur eine Gruppe von bescheidener Größe. Es gab keine Meinungsäußerungen irgendwelcher Art. Die Menge gruppierte sich lose um mich herum. Mir kamen die Leute unbeteiligt und träge vor, soweit ich im Überblick feststellen konnte, aber ich sah nicht besonders genau hin, bei meiner Rückkehr jedoch besser und beobachtete das Verhalten der verschiedenen Gruppen spanischer Soldaten, die ich passierte. Sie grüßten, aber so nachlässig, dass der Gruß nichts wert war. Sie zeigten aber auch keine Regungen gegen mich, nicht einmal mit Blicken.
Wenn jemand bei einem Freund zum Essen eingeladen ist und die Gerichte auf Gift testet, macht er wohl keinen Freundschaftsbesuch. Das Hafenbecken konnte also nicht abgesucht werden, ohne Ärgernis zu erregen, es konnten auch nachts keine eigenen Patrouillen gefahren werden, und Suchscheinwerfer konnte ich auch nicht einsetzen. Aber jede interne Vorsichtsmaßnahme wurde ergriffen, wie es die Situation erforderte. Es gab Wachen an Bug und Heck, Quartiermeister und Signalgast waren auf der Brücke, ein weiterer Signalgast befand sich auf dem Achterdeck, und allen war aufgetragen, besonders scharf Ausguck zu halten. Der Unteroffizier der Seesoldaten hatte spezielle Instruktionen für die Steuerbord-Gangway, und der Decksoffizier und der Quartiermeister für die Backbord-Gangway.
Statt der üblichen Ankerwache gab es nachts Deckswachen für einzelne Abschnitte. Sie hatten scharfe Munition, weitere Munition für Schnellfeuergewehre war im Lotsenhaus und in der zweiten Kapitänspantry in den Aufbauten achtern bereitgestellt. Für die 12-cm-Geschütze stand zusätzlich Munition bereit. Um ganz reaktionsbereit zu sein, wurden zwei Kessel statt einem unter Dampf gehalten, damit die Geschütztürme hydraulisch bewegt werden konnten. Das hydraulische System wurde besonders überprüft. Der Decksoffizier hatte Befehl, selbst kleine Vorkommnisse zu melden, denn wir hatten ja den Verdacht, möglicherweise in einem unfreundlichen Hafen zu sein. Ich instruierte persönlich den Waffenmeister und den diensthabenden Maat, alle Besucher an Bord zu beobachten und das auch ihre Leute tun zu lassen. Sie sollten ihnen in einigem Abstand folgen, wenn sie unter Deck gingen, und besonders darauf achten, ob irgendwelche Päckchen abgelegt würden, für den Fall, dass Dynamit oder anderer Sprengstoff zum Einsatz kommen sollte. Deshalb waren auch die Besucherwege nachzuverfolgen. Der Offizier, der für die Seesoldaten verantwortlich war, musste zumindest zwei Mal in jeder Nacht die an den verschiedenen Stellen des Schiffes aufgestellten Wachen inspizieren. Die Befehle an mich besagten, dass die Maine in einer Situation sei, die extreme Wachsamkeit und entsprechendes Verhalten bei Tag und Nacht erfordere.
Bis zum Zeitpunkt der Explosion gab es keinerlei Anzeichen dafür, dass diese Wachsamkeit begründet war. Viele Leute kamen an Bord, meistens in Gruppen. Wahrscheinlich waren fast alle Kubaner. Sie gehörten überwiegend den besseren Kreisen an, die es sich als Ehre anrechneten, das Schiff zu besuchen – es waren mehr, als ich angesichts der Lage wünschen konnte. Zeitweise waren mehr als drei- oder vierhundert Gäste an Bord. Sie waren demonstrativ herzlich zu uns und meinten, dass wir ihre Besuche erwidern sollten. Ich glaube, manche Offiziere nahmen solche Einladungen wahr. Ich aber erklärte jedes Mal, dass ich in einer besonders prekären Situation sei und beide Seiten, die Spanier und die Kubaner, kennenlernen wolle und mich nicht imstande sähe, ihre Gastfreundschaft anzunehmen, bis die Spanier ein Zeichen gegeben hätten, dass sie die Gastfreundschaft des Schiffes annehmen würden. Ich erkundigte mich auf eher scherzhafte Weise bei den Damen nach ihrer Politik. Die Damen nannten mir Besucher mit unterschiedlichen Standpunkten, aber ich habe meine Zweifel, ob auch nur einer dabei war, der wirklich mit den Spaniern sympathisierte. Ich ließ überall bekannt machen, dass es mich sehr freuen würde, Spanier an Bord begrüßen zu dürfen, und machte erhebliche Anstrengungen in dieser Richtung, aber ohne jeden Effekt. Es war ganz klar, dass die Spanier mit uns gesellschaftlich nicht verkehren würden. Sie erfüllten ihre offiziellen Pflichten, aber mehr auch nicht.
In den ersten zwei Tagen nach der Ankunft de Maine hatten die Offiziere keine Erlaubnis zum Landgang. Dann konnten sie sich frei bewegen, Tag und Nacht. Während unseres ganzen Aufenthaltes blieb die Mannschaft an Bord, mit Ausnahme gelegentlicher Arbeitsaufenthalte an Land unter der Aufsicht eines Unteroffiziers. Es tat mir sehr leid, die Mannschaft an Bord zu halten, bisher hatte ich immer großzügig Landgang gewährt. Selbst die Händler in den Bumbooten schienen sich nicht für das Geschäft mit unseren Männern zu interessieren, zweifelsohne wegen der unterschwelligen Antipathien. Die Mannschaft hat sich nie beschwert – mir sind keine Klagen zu Ohren gekommen. Sie nahmen die Situation philosophisch ruhig hin. Ich selbst bewegte mich in Havanna bei Tag oder Nacht ganz allein, wie immer ich wollte, ohne je irgendwie behindert zu werden. Nach dem Augenschein war Havanna eine so ruhige Stadt wie ich sie kaum jemals anderswo erlebt habe.
Vor der Zerstörung der Maine war ich ohne mein Zutun in gewisse Misshelligkeiten verwickelt. An ähnlichen Beispielen gemessen war ich völlig im Recht. Die autonome kubanische Regierung war von General Blanco eingesetzt worden. Die Regierungsmitglieder waren hoch geschätzte Einheimische. Als Kapitän der Maine wurde von mir nicht erwartet, politische Präferenzen zu zeigen, aber es war meine Pflicht, gute Beziehungen mit der Regierung, so wie sie bestand, aufrecht zu erhalten. Ich dachte, ich hätte mit dem Besuch beim Generalkapitän, der auch der Generalgouverneur war, und bei den Marinestellen alle Höflichkeitsbesuche wie üblich erledigt. Deshalb war es mir nicht eingefallen, die zivilen Mitglieder des autonomen Rates aufzusuchen. Während meiner Fahrten durch die Karibik hatte ich Kolonialgouverneure und Marine- und Militärbehörden besucht, aber nie war von mir erwartet worden, die Mitglieder einer gesetzgebenden Versammlung einer britischen Kolonie aufzusuchen. Ich war daher aufs höchste überrascht, als ich feststellte, dass nach Washington berichtet worden war, ich hätte es versäumt, mich mit den Mitgliedern des autonomen Rates zu treffen. Ich bekam mehrere Telegramme vom Marineministerium, die sich darauf bezogen. Die Nachrichten mögen an Bord der Maine nicht korrekt entziffert worden sein; ich konnte ihnen nicht entnehmen, dass ein solches Treffen stattzufinden habe. Ich zögerte, ohne eindeutige Befehle tätig zu werden, nachdem die Angelegenheit bis zur Regierung in Washington gelangt war. Schließlich aber meinte ich den Telegrammen den Wunsch des Marineministeriums entnehmen zu können, dass ich auf eigene Verantwortung einen Besuch unternehmen sollte.
General Blanco war zu der Zeit nach Havanna zurückgekehrt und hatte seine Angewohnheit wieder aufgenommen, jede Woche an einem bestimmten Abend Besucher zu empfangen. General Lee hatte für mich einen Termin am nächsten Tag arrangiert, und ich nutzte den Empfang, um eine freundliche Stimmung zu schaffen. In ziviler Abendkleidung nahm ich mit General Lee daran teil, was mir Vergnügen bereitete. Ich erklärte General Blanco, dass ich den Empfang dieses Abends inoffiziell besuchte und dass ich am folgenden Tag zu einem offiziellen Besuch erscheinen würde, der nun zu vereinbaren wäre. General Blanco ist ein vornehmer spanischer Herr, ein Mann von ausgezeichneter Haltung und Gewandtheit. Ich machte General Lee gegenüber die Bemerkung, dass General Blanco einen sehr guten Senator der Vereinigten Staaten abgeben würde. Das war ein doppelgesichtiges Kompliment, auf guten Eindruck bei beiden Seiten gerichtet.
Gleich nachdem wir auf dem Empfang erschienen waren, stellte mich General Lee Dr. Congesto vor, dem kubanischen Generalsekretär, worauf der mir sofort sagte, er wolle mich nun den Mitgliedern des autonomen Rates vorstellen. Ich erwiderte, dass mir das eine Freude wäre und ich gern schon früher gekommen wäre. Ich wurde dann mehreren Ratsmitgliedern vorgestellt, auch Señor Galvaez, dem Präsidenten. Alle waren Herren, die zu treffen eine Ehre ist, ob privat oder offiziell. Ich dachte, ich könnte offen sprechen, denn ich war in eine falsche Position geraten, und teilte den Herren mit, dass ich mir jederzeit seit meiner Ankunft in Havanna die Ehre eines Besuches gegeben hätte, wenn ich einen Hinweis bekommen hätte, dass mein Besuch willkommen sei. Ich stellte fest, dass ich keinen Besuch gemacht hätte, weil es in der Etikette der Marine kein Beispiel dafür gäbe und weil Aufwartungen bei zivilen Stellen an Land, wenn zu zahlreich, vielleicht nicht gut angenommen würden, weil Gegenbesuche an Bord vielleicht nicht konvenierten. Ich erklärte, dass ich so weit über das gewohnte Verfahren hinausginge wie sie es wünschten. Wenn es mir gestattet würde, würde ich am folgenden Tag einen offiziellen Besuch abstatten und hoffte dann auf den Besuch der Herren an Bord der Maine, wo man für sie Salut schießen würde.
Am nächsten Tag erschien ich offiziell bei General Blanco. Ich schätzte General Blanco hoch als Menschen und Patrioten und war sehr erpicht darauf, ihn an Bord der Maine mit allen Ehren zu empfangen. Ich sprach eine sehr nachdrückliche Einladung aus und bemerkte noch dazu, ich wüsste, dass er meiner Einladung nicht persönlich Folge leisten müsse. Er schien erfreut und bemerkte amüsiert, dass es eine Dekret gäbe, das dem Generalkapitän verböte, an Bord eines fremden Kriegsschiffes zu gehen, denn vor vielen Jahren war einer von einem britischen Schiff entführt worden. Ich erwiderte, dass ich, rein persönlich gesehen, mit ihm nur zu gern davonfahren würde, und versprach, mich gut zu benehmen. Er meinte, ein Besuch sei vielleicht nicht möglich, er würde darüber nachdenken. Ich versicherte dem General, dass die Maine wirklich nur auf einem Freundschaftsbesuch war und dass meine Befehle nicht darüber hinausgingen. Er sprach sich erfreut darüber aus, dass die Besatzung der Maine keinen Landurlaub erhalten halte, und fragte, wie andere Offizielle vorher auch schon, wie lange die Maine in Havanna bleiben würde. Auf diese Frage gab ich immer die gleiche Antwort, nämlich dass die Maine in Funkverbindung mit dem Marineministerium stünde und es deshalb nicht üblich sei, vorab ein Abfahrtsdatum in den Befehlen zu nennen; ich müsse weitere Befehle abwarten. Ich wiederholte gegenüber General Blanco das, was ich auch schon General Parrado gesagt hatte, nämlich dass ich hoffte, dass spanische Kriegsschiffe sich revanchierten und die Vereinigten Staaten besuchten; dass sie freundlich empfangen würden, stünde außer Zweifel.
Eine besonders ausgeprägte Zeremonie betrifft den Abschied von spanischen Behördenvertretern, und sie fand auch in unserem Fall statt. Nach der üblichen Verabschiedung in dem Raum, in dem das Gespräch stattgefunden hatte, begleiteten General Blanco und Dr. Congesto uns bis zum Treppenabsatz und die Verabschiedung wurde wiederholt. Sie warteten, bis wir die Treppe hinuntergegangen waren und uns dann umdrehten. Beide Seiten grüßten noch einmal, und damit war der Besuch beendet.
Nachdem ich General Blanco verlassen hatte, suchte ich die Mitglieder des Rates auf und wurde freundlich empfangen. Ich glaube, sie meinten wirklich, dass ich einen Besuch bei Ihnen hatte vermeiden wollen. Ich freute mich, sie vom Gegenteil überzeugen zu können.
Die Mitglieder des Rates erwiderten prompt meinen Besuch. Sie wurden mit allen Ehren empfangen und durch die Maine geführt. Ihr Besuch bereitete uns großes Vergnügen. Gegen Ende wurden in meiner Kabine Erfrischungen gereicht, und Señor Galvaez hielt eine kleine Ansprache auf Spanisch, die mir kursorisch übersetzt wurde. Das letzte, was ich wollte, war, in die Landespolitik hineingezogen zu werden. Ich ging davon aus, dass es für mich als ausländischen Marineoffizier höchst unpassend wäre, in irgendeiner Form Stellung zu beziehen, sei es mit Worten oder Taten. Ich antwortete auf Señor Galvaez' Rede, versicherte ihm, dass ich sehr dankbar sei, den Rat besucht zu haben, und wiederholte, dass ich früher gekommen wäre, wenn ich gewusste hätte, dass meine Anwesenheit angebracht sei. Ich hieß sie in aller Form auf dem Schiff willkommen und gab meiner Hoffnung Ausdruck, dass sie mit ihren Familien und Freunden zu formlosen Besuchen wiederkämen, wann immer sie sich an Bord vergnügen wollten. Ich nahm an, dass die Ratsmitglieder so etwas wie eine Anerkennung der autonomen Regierung hören wollten, umging aber diesen Punkt und sagte nur: »Ich möchte meine Bewunderung für die hochgesteckten Ziele ihrer ehrenwerten Gemeinschaft aussprechen.« Dies wurde später in mindestens zwei Zeitungen gedruckt, aber in der Übersetzung erschien es so, als ob ich eine autonome Regierung für die Insel befürwortete. Das gefiel mir nicht, denn die Zensur hatte damit zu tun, ich protestierte aber nicht. Für einen Außenstehenden war zu dieser Zeit die autonome Regierung unpopulär und ohne wirklichen Einfluss.
Am nächsten Tag kamen Familien und Freunde der Ratsmitglieder an Bord und wurden von mir und den Offizieren empfangen. Es war eine fröhliche Gesellschaft und es gab viele Zeichen guten Willens. Damit endete die einzige Differenz, die es vor der Zerstörung der Maine gab.
Sigsbee, Charles D.
Personal narrative of the Maine: By her commander
in: Century Nr. 57, November 1898
Übersetzung: U. Keller