1720 - Charles Johnson
Das Ende der Piraten: John Rackam, Anne Bonny und Mary Read
Jamaika
John Rackam fuhr zu den Bermudas und nahm unterwegs ein Fahrzeug, das von Carolina nach England wollte und auch eine Flute, die von Neu-England kam. Die brachte er mit zu den Bermudas. Sobald Kapitän Rogers, Gouverneur von New Providence, Nachricht von dem Verlust dieser Schiffe bekam, rüstete er sofort eine Schaluppe aus und schickte sie gegen ihn, die die gekaperten Schiffe zwar zurückeroberte, die Seeräuber aber konnten entkommen.
Die Piraten fuhren nach Kuba, wo Rackam eine Art von Familie hatte. Dort blieben sie geraume Zeit und machten sich mit ihren Mätressen lustig, bis sie kein Geld mehr hatten. Als nun auch ihre Vorräte aufgezehrt waren, entschlossen sie sich, sich um neue zu bemühen. Ihr Schiff war schon ausgebessert, und sie wollten gerade Segel setzen, als die spanischen Strandwächter mit einer kleinen englischen Schaluppe ankamen, die sie unter dem Vorwand genommen hatten, sie hätte an den Küsten Schmuggelschäfte betrieben. Die Spanier attackierten die Seeräuber; weil Rackam aber sich hinter einer kleinen Insel hielt, konnten sie an diesem Tag nichts ausrichten und beschlossen, auf den folgenden Tag zu warten, denn sie meinten, dann würde es ihnen leicht fallen, sich des Schiffes der Seeräuber zu bemächtigen. Als Rackam merkte, dass die Lage verzweifelt war und nicht die geringste Hoffnung bestand, ehrenvoll aus der Sache herauszukommen, entschloss er sich zu einem Unternehmen, das ihm auch gelang.
Rackam hatte bemerkt, dass die Spanier ihre Prise zur Sicherheit weit unter Land gebracht hatten. Er befahl seinen Leuten, gut bewaffnet mit Pistolen und Säbeln in ein Boot zu steigen. In tiefster Stille und finsterer Nacht umfuhr er die kleine Insel und stieg auf die Prise über, ohne entdeckt zu werden. Dann drohte er den darauf befindlichen Spaniern mit dem Tod, wenn sie auch nur den geringsten Lärm machten, und bemächtigte sich so dieses Schiffes, ließ die Taue kappen und segelte los, ohne dass es die Spanier [auf dem Mutterschiff] merkten. Als diese nun, die auf nichts als ihre neue Prise bedacht waren, bei Tagesanbruch ein entsetzliches Feuer auf die von den Seeräubern verlassene Schaluppe richteten, merkten sie bald, was für einen Streich ihnen die Seeräuber gespielt hatten und dachten, sie würden toll, dass man sie so geäfft hatte, dass sie eine reich beladene Prise für ein altes und schadhaftes Schiff verloren hatten.
Rackam und seine Leute hingegen waren über diesen glückhaften Tausch sehr erfreut, der sie in Stand setzte, die ihnen gemäße Lebensart weiter fortzusetzen. So gingen sie im August 1720 wieder in See und liefen alle Häfen und kleinen Inseln vom Norden bis zum Westen Jamaikas an. Sie nahmen zwar verschiedene kleine Fahrzeuge, konnten aber keine richtig große Beute machen. Sie waren nur wenige Leute und mussten warten, bis sich eine Gelegenheit ergab, ihre Kompanie zu verstärken, um Großes unternehmen zu können.
Anfang September nahmen sie sieben oder acht Fischerboote, aus denen sie Netze und anderes Werkzeug raubten, und begaben sich dann zum französischen Teil von Hispaniola; dort setzten sie Leute aus, die einiges Vieh wegnahmen und sich dreier Franzosen bemächtigten, die sie gegen Abend bei der Schweinejagd antrafen. Die Franzosen gingen mit ihnen aufs Schiff, ich kann aber nicht sagen, ob aus freiem Willen oder mit Gewalt gezwungen. Dann beraubten sie zwei Schaluppen und kehrten zurück nach Jamaika, wo sie in der Nähe des Hafens Port Marie an der Nordküste am 19. Oktober noch ein Fahrzeug, kommandiert von Thomas Spendlove, wegnahmen; am folgenden Tag ging Rackam auf eine Schaluppe los, die er in der Bucht von Dry Harbour fand. Er feuerte aus seinen Kanonen, worauf die erschrockene Mannschaft an Land floh und ihr Fahrzeug samt voller Ladung verließ, deren sich die Seeräuber bemächtigten. Als aber die Besatzung dieser Schaluppe bemerkte, dass es Seeräuber waren, die sie besiegt hatten, gaben sie zu verstehen, sie hätten Lust, sich zu ihnen zu schlagen.
Endlich wurde die Fahrt längs der Küste für Rackam zum Schicksal, denn als der Gouverneur durch ein Kanu, das Rackam in der Bucht von Ocko überrascht hatte, hörte, was vorging, ließ er schnell eine Schaluppe mit bewaffneter Mannschaft auslaufen mit Kapitän Barnet als Kommandant, um die Räuber zu vertreiben. Rackam streifte derweil weiter um die Insel herum. Als er an der Landspitze im äußersten Westen war, die man Kap Negril nennt, bemerkte er ein kleines Fahrzeug, dass an das Ufer eilte, als man die Seeräuber nahen sah. Alle begaben sich an Land, und einer von ihnen befragte die Seeräuber, wer sie seien, und die Seeräuber antworteten, sie seien Engländer und lüden zu einem Glas Punsch ein. Sie nahmen die Einladung an, sodass die ganze Gesellschaft, neun Personen, mit Flinten und Säbel bewaffnet, zu ihrem Unglück mit auf das Schiff der Seeräuber ging. Ich weiß nicht, was ihre Absicht dabei war, sie hatten kaum ihr Gewehr aus der und die Tabakspfeife in die Hand genommen, als sich die von Kapitän Barnet kommandierte Schaluppe zeigte.
Als die Seeräuber sahen, dass diese Schaluppe gerade auf sie los ging, befürchteten sie einen üblen Ausgang der Geschichte, lichteten den Anker und suchten ihr Heil in der Flucht. Kapitän Barnet verfolgte sie und erreichte sie bald, begünstigt von einem frischen Landwind. Er sprang zu ihnen über und brachte sie nach Port Royal, nachdem er sie nach einigen Widerstand überwältigt hatte. Nach 15 Tagen, am 16. November 1720, wurden die Gefangenen an Land gebracht, und in Spanish Town wurde ein Admiralitätsgericht abgehalten; Kapitän John Rackam und acht anderen wurde das Todesurteil gesprochen. Fünf wurden am nächsten Tag gehenkt und die übrigen noch einen Tag später.
Verwunderlich war dabei war die Verurteilung der neun Personen, die an dem Tag auf Rackams Schiff kamen, als es eingenommen wurde. Sie wurden ebenfalls als Seeräuber verurteilt, weil sie sich zu Rackam und seinen Leuten gesellt hatten, obwohl sie wussten, dass es Seeräuber waren, und wurden zum Tode verdammt und gerichtet. Zwei Verurteilte von des Rackams Leuten wurden befragt, ob sie vor der Verkündigung des Todesurteils etwas sagen wollten, und erklärten, dass sie Frauen und schwanger wären. Das Gericht sprach zwar das Todesurteil aus, ließ die Sache aber noch weiter untersuchen.
[Die Frauen waren Mary Read und Anne Bonny. Mary war schwanger von einem Mann, der im Prozess freigesprochen wurde, dessen Namen sie aber nicht preisgab. Sie starb im Gefängnis am Fieber. Anne hatte Rackam schon auf Kuba ein Kind geboren und bekam im Gefängnis ein zweites. Ihre Hinrichtung ist nicht belegt; man hat vermutet, dass ihre Familie sie freigekauft hat.]
Man erlaubte dem Rackam aus einer besonderen Gnade, am Tage seiner Hinrichtung Anne Bonny noch einmal zu sehen. Aller Trost aber, den sie ihm gab, war, dass sie sagte, es wäre ihr leid, ihn in solchem Stand zu sehen; wenn er gefochten hätte wie ein Mann, müsste er sich nicht hängen lassen wie ein Hund.
Johnson, Carl (Pseudonym für Daniel Defoe?)
Schauplatz der Englischen See-Räuber ...
Goslar 1728