1586 - Anonymus
Francis Drake erobert Santo Domingo
Dominikanische Republik
Wir fuhren [von den Kapverden] zu den Westindischen Inseln. Unterwegs wurden wir von einer heftigen Krankheit heimgesucht, die etwa 300 Mann innerhalb weniger Tage sterben ließ. Diese Krankheit quälte unsere Leute mit hohem Fieber und brennenden Schmerzen. Wer sie überlebte, war sehr geschwächt an Körper und Geist. Nach 28 Tagen sichteten wir die Insel Dominica. Sie wird von Wilden bewohnt, die ganz nackt gehen; ihre Haut färben sie mit einem rötlichen Braun; sie sind wohl gebaut und kräftig. Sie vermeiden den Umgang mit den Spaniern, aber zu uns waren sie sehr freundlich und halfen uns mit dem, was wir brauchten. Sie brachten uns eine Menge Tabak und auch eine Art Brot, Kassawa genannt, das sehr weiß ist und gut schmeckt; es wird aus der Wurzel der Cassania gemacht. Wir gaben dafür Glas, bunte Perlen und ähnliches.
Dann segelten wir zur Westküste von St. Christopher [St. Kitts], wo wir um Weihnachten einige Tage verbrachten, aber auf keine Bewohner trafen. Hier wurde einmütig beschlossen, nach Hispaniola weiter zu fahren. Unterwegs trafen wir auf eine kleine Fregatte, die auch dorthin unterwegs war und die wir als Prise nahmen. Wir befragten die Männer darauf; einer von denen sagte uns, dass es eine elende Gegend sei und mit einem Fort stark befestigt. Innerhalb von zehn Meilen um die Stadt [Santo Domingo] könne man nicht landen. Er versprach, uns zur Stadt zu führen.
Wir segelten die Nacht über weiter und der General [Drake] setzte als Admiral auf die Bark Francis über; am Morgen kamen wir an die Landestelle zehn Meilen westlich von Santo Domingo. Nachdem wir an Land gegangen waren, kehrte der General zur Flotte zurück und übergab das Kommando an den Generalleutnant. Um acht Uhr begannen wir den Marsch gegen die Stadt, und um Mittag waren wir ihr ganz nah. Etwa 150 Reiter aus dem Fort zeigten sich, aber wir setzten ihnen mit unseren Handwaffen so zu, dass sie sich bald zurückzogen. So konnten wir uns den zwei Toren nähern, die dem Meer zu lagen. Beide waren bemannt und mit Geschützen bestückt, und es gab auch Schützen im Hinterhalt entlang unseres Weges. Wir teilten unsere Kräfte, alle zusammen waren wir 1.200, um beide Tore anzugreifen.
Bald waren ihre Geschütze auf uns losgegangen, richteten aber nur wenig Schaden an, und der Generalleutnant ließ uns mit aller Geschwindigkeit vorrücken, bevor die Kanonen wieder geladen werden konnten. Trotz der Heckenschützen erreichten wir die Tore und liefen bis zu einem weitläufigen Platz vor der großen Kirche; hierher kam auch Kapitän Porvel mit der anderen Abteilung. Auf diesem Platz verschanzten wir uns und blieben den Tag über an Ort und Stelle. Nach Mitternacht verließen die Truppen das Fort, weil sie uns an den Toren gehört hatten. Manche entflohen, andere wurden gefangen genommen.
Am nächsten Tag richteten wir uns in der Stadt ein und blieben für einen Monat. Eines Tages, als wir uns noch in der Stadt befanden, schickte der General einen Negerjungen mit einer weißen Fahne als Boten zu den Spaniern. Unglücklicherweise traf dieser Junge auf ein paar Spanier, die ihn mit einer Pike durchbohrten. Trotzdem kehrte der Junge zu unserem General zurück, aber nachdem er ihm berichtet hatte, starb er vor seinen Augen. Darüber war der General so erzürnt, dass er zwei gefangene Mönche an dieselbe Stelle bringen und hängen ließ. Auch schickte er einen Boten zu den Spaniern mit der Nachricht, dass er, wenn nicht der Schuldige am Tod des Jungen ausgeliefert würde, jeden Tag zwei Gefangene hängen lassen würde, bis keiner mehr übrig sei. Daraufhin sollte der Schuldige am nächsten Tag am Stadtrand überstellt werden, aber der General befahl, dass sie selber ihn hinrichten sollten. Und das taten sie.
Während wir in der Stadt lagen, fanden viele Verhandlungen wegen eines Lösegeldes statt. Aber da keine Einigung erzielt werden konnte, wurden jeden Morgen die Häuser beschossen; es war nicht einfach, dabei eine Wirkung zu erzielen, denn die Häuser hatten mächtige Steinwände. 14 Tage lang verbrachten 20 Seesoldaten jeden Vormittag damit, die Häuser zu beschießen, aber nicht einmal ein Drittel der Stadt wurde zerstört. Schließlich waren wir es leid und nahmen das Angebot von 25.000 Dukaten als Lösegeld für den verbliebenen Teil der Stadt an.
Ich will nicht versäumen, eine bemerkenswerte Sache zu berichten, die mit der Unersättlichkeit des spanischen Königs zu tun hat. Als wir das Regierungsgebäude betraten, sahen wir uns einem großen Schild mit dem Wappen des Königs gegenüber. Im unteren Teil zeigt es eine Weltkugel und ein steigendes Pferd, dessen hinterer Teil in der Weltkugel, das Vorderteil aber außerhalb ist. Darüber steht der Wahlspruch »non sufficit orbis«, die Welt ist nicht genug. Einige der klügeren Spanier, mit denen wir zu tun hatten, schämten sich deswegen.
Obwohl Santo Domingo eine reiche Stadt ist, fanden wir keine Schätze. Der Grund ist, dass die Gold- und Silberminen kaum noch betrieben werden, weil seit langem die Indianer infolge der spanischen Tyrannei ausgestorben sind; nun ist Kupfer in Gebrauch. Die hauptsächlichen Handelsgüter sind Zucker, Ingwer und Rinderhäute; Rinder von ungeheurer Größe werden in unzähligen Herden gezüchtet. Es gab auch starken Wein, süßes Öl, Essig, Oliven, ausgezeichnetes Weizenmehl, verpackt in Schläuchen wie Wein, Woll- und Leinenstoffe, Seidenstoffe. Alle diese Dinge werden aus Spanien gebracht. Wir fanden wenig Metallgeschirr, weil hauptsächlich Porzellan verwendet wird.
Von Santo Domingo fuhren wir zum Festland nach Cartagena.
Ohne Verfasser
The voyages of the ever renowned Sir Francis Drake into the West Indies
London 1683
Übersetzung: U. Keller