1511 - Bartolomé de las Casas
Vom Wüten der Spanier
Hispaniola und Kuba
Auf der Insel Hispaniola, wo die Spanier zuerst [auf Dauer] gelandet waren, hat auch ihr Wüten und Würgen angefangen. Denn erst haben sie mit Gewalt den Indianern ihre Frauen und Kinder genommen und nach ihrem Willen missbraucht; und dann haben sie alles aufgefressen und waren nicht zu sättigen mit dem, was man ihnen gutwillig abgegeben hatte. Denn die Indianer haben nicht viele Vorräte, sondern ihnen genügt das, was sie mit wenig Arbeit zuwege bringen. Woran drei Häuser, in denen jeweils wenigstens zehn Menschen leben, einen ganzen Monat genug haben, fressen die Spanier in einem Tag auf. Da nun die Spanier dies und dergleichen Mutwillen, Gewalt und Überdruss angefangen haben auszuüben, haben die Indianer gemerkt, dass die Spanier nicht vom Himmel kommen, wie sie sich anfangs haben einreden lassen. Dann haben die einen ihre Lebensmittel versteckt, die anderen ihre Frauen und Kinder weggeschickt, etliche sind gar in die Berge geflohen, damit sie nicht bei einem so abscheulichen Volk wohnen mussten. Die Spanier aber haben sie nur umso mehr geplagt, geschlagen und gestoßen, auch in den Städten an die Herren und Vornehmsten Hand angelegt und sie gefangen; sie sind auch in ihrem ruchlosen Leben so weit gekommen, dass sie die Ehefrau des vornehmsten Herrn und Königs auf dieser Insel genotzüchtigt haben.
Von da an haben die armen Indianer angefangen, auf Wege zu trachten, wie sie die Spanier wieder aus ihrem Land heraus brächten und haben sich zur Wehr gestellt, aber leider ist ihr Widerstand gegen gewappnete Leute gering zu achten, weswegen ihr Krieg gegen den unseren nur ein Kinderspiel ist. Die Spanier haben ihnen mit ihren Pferden nachgesetzt und mit ihren Spießen und Schwertern alles zu Boden gestochen, was sie angetroffen haben. Dann sind sie in die Städte und Dörfer eingefallen und haben weder jung noch alt geschont, auch die Schwangeren und Wöchnerinnen nicht, sondern haben alle erwürgt, wie wenn sie unter einem Haufen eingesperrter Schäflein rumorten, und haben miteinander gewettet, wer auf einen Streich einen mitten entzweihauen oder am besten einen Kopf abschlagen oder den Leib öffnen könnte, dass die Eingeweide herausfielen. Sie rissen die armen kleinen Kreaturen von der Mutterbrust und schmissen sie gegen die Felsen, dass das Hirn daran kleben blieb. Andere warfen sie ins Wasser, und sie lachten und spotteten und sprachen, schwimme nur hin und zapple! Andre erwürgten sie samt den Müttern, und wo immer sie waren, musste alles sterben. Sie richteten lange, aber niedrige Galgen auf, daran hingen sie 13 Indianer so auf, dass sie mit den Füßen die Erde fast erreichten; sie sagten, das geschähe, um unseren Erlöser und seine zwölf Apostel zu ehren, und machten ein Feuer darunter und verbrannten sie lebendig. Denen sie das Leben schenken wollten, hieben sie beide Hände ab, hängten sie ihnen um den Hals und sagten: Lauf hin mit den Briefen und bring’ denen, die in das Gebirge geflohen sind, diese Nachricht. Im Allgemeinen brachten sie die vornehmsten Herren auf folgende Weise um: Sie machten eine sonderliche Art von Rosten auf hohen Stöcken, darunter schürten sie ein kleines Feuer, damit sie in so großer Marter mit jämmerlichem Geschrei und Heulen den Geist aufgaben. Ich habe einmal vier oder fünf der vornehmsten Herren auf diesen Rosten braten sehen und glaube, dass anderswo noch etliche mehr standen. Und weil es ein jämmerliches erbärmliches Geschrei gab, wodurch der Hauptmann bewegt und an seinem Schlaf gehindert wurde, befahl der, man solle sie ersticken und von der Marter nehmen. Aber der Profoss, der ärger war als der Henker selbst, der das Feuer gelegt hatte (ich weiß seinen Namen wohl und kenne auch seine Freunde zu Sevilla) wollte nicht, dass man sie ersticke, sondern er legte ihnen Knebel in den Mund, dass sie nicht schreien konnten, und schürte das Feuer, bis sie genug und nach seinem Gefallen gebraten waren. Solche und ähnliche unzählige Martern habe ich selbst gesehen.
Und weil, wer da fliehen konnte, sich in das Gebirge begab und auf den höchsten Bergen versteckte, damit er den unbarmherzigen Leuten ohne alle Gottesfurcht entflöhe,die weniger Mitleid als die unvernünftigen wilden Tiere hatten, nur geboren, um das menschliche Geschlecht auszulöschen, und die ihre ärgsten Feinde waren, richteten die Spanier ihre Hunde ab und machten sie auf Menschenfleisch bissig, so dass, wenn sie die Hunde auf die Indianer hetzten, diese sie in einem Hui zerrissen und fraßen, als ob es Säue wären. Diese Hunde richteten sehr großen Schaden an. Weil es sich bisweilen zutrug, dass die Indianer nicht unbillig einige Spanier umbrachten, machten die Spanier ein Gesetz, dass für einen Spanier hundert Indianer umgebracht werden sollten.
Im Jahr 1511 kamen die Spanier auf die Insel Kuba, die so lang ist wie der Weg von Valladolid nach Rom. Dort gab es viele Ländereien und eine große Zahl Volk. Auf dieser Insel haben sie, wie auf den anderen, sich als Tyrannen aufgeführt, ja, sie sind täglich grausamer, verruchter und wilder geworden. Es haben sich auf dieser Insel Dinge zugetragen, die man sich zu Herzen nehmen soll. Ein großer Herr oder Kazike mit Namen Hathuey war mit vielen seiner Leute von der Insel Hispaniola geflohen, um dem Wüten und der Tyrannei der Spanier zu entgehen. Als er nun von einigen Indianern erfuhr, dass die Spanier auch nach Kuba kämen, hat er alle seine Leute zusammengerufen und folgendermaßen zu ihnen geredet: »Ihr wisst, was man sagt, nämlich, dass die Spanier auch hierher kommen. Und ihr habt auch erfahren, wie sie mit den einen und den anderen umgegangen sind, und auch, wie sie die Hayti (das sind die Bewohner von Hispaniola) gemartert und geplagt haben. Nun werden sie es hier nicht anders machen, wisst ihr aber, warum das geschieht?« Darauf antworteten sie ihm, sie wüssten nicht, warum, es sei denn, sie wären von Natur aus so böse und tyrannisch. »Ja«, sagte er, »nicht nur darum, sondern auch, weil sie einen Gott haben, den sie anbeten, begehren sie viel, und sie wollen, dass auch wir ihn anbeten, und deswegen bringen sie uns um und zwingen uns, ihnen Dinge zu geben.« Nachdem er das gesagt hatte, zeigte er ihnen eine große Truhe oder Kiste voll mit Gold und Edelsteinen, die neben ihm stand, und sprach: »Dies ist der Gott der Spanier. Lasst uns tanzen und ihm Ehre erzeigen. Dadurch wollen wir ihn bewegen, dass er uns gnädig sei, und den Spaniern verbietet, dass sie uns etwas tun.« Darauf riefen alle, das sei richtig, und sie tanzten, bis sie sehr müde waren. Da sagte der Hathuey: »Es ist noch etwas zu bedenken. Wenn wir diesen Gott bei uns behalten, so werden die Spanier ihn wegnehmen und uns umbringen. Deshalb sollen wir ihn ins Wasser werfen!« Dem stimmten sie zu und warfen die Truhe in einen großen Fluss in der Nähe.
Dieser Herr oder Kazike wich den Spaniern aus, die nach Kuba gekommen waren, denn er kannte sie wohl. Da aber, wo er auf sie traf, wehrte er sich, so sehr er nur konnte. Letztlich wurde er aber gefangen, und nur, weil er vor einem so ungerecht wütenden Volk floh und denen Gegenwehr leistete, die ihm nach dem Leben trachteten, wurde er lebendig verbrannt. Wie er nun am Pfahl angebunden war, hat ihm ein Barfüßer-Mönch ein wenig von Gott und dem christlichen Glauben gesprochen, wie es der Kazike noch nie gehört hatte, und es war nur so viel, wie der Henker Raum und Zeit ließ, nämlich, wenn er glauben wolle, was man ihm sage, würde er in den Himmel kommen, wo ewige Ruhe und Freude herrsche. Wenn er aber nicht glauben wolle, käme er in die Hölle, in ewige Marter und Pein. Darauf hat sich der Kazike kurz bedacht und dann den Mönch gefragt, ob auch die Spanier in den Himmel kämen? Ja, meinte der Mönch, insbesondere die frommen. Ohne weiter nachzudenken, sagte der Kazike, er wolle nicht in den Himmel, sondern zur Hölle fahren, denn er wolle nicht an einem Ort sein, wo er solche wüsten tyrannischen Leute sehen müsste wie die Spanier. Solche Art von Ehre und Lob haben Gott und der christliche Glaube durch die Spanier in Indien erlangt.
Casas, Bartolome de las
Warhafftiger und gründtlicher Bericht der Hispanier grewlichen und abschwelichen Tyranney …
Frankfurt/Main 1599