Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1805-1818 - Mary Prince
Vom Sklavenleben
Bermuda und Turk Islands

Ich wurde auf Brackish Pond geboren, einer Farm auf Bermuda, die Mr. Charles Myners gehörte. Meine Mutter war Haussklavin und mein Vater, der Prince hieß, arbeitete an der Säge von Mr. Trimminghams Werft in der Crow Lane. Als ich noch ein Baby war, starb der alte Mr. Myners, und seine Sklaven und sein anderer Besitz wurden unter der Familie aufgeteilt. Zusammen mit meiner Mutter wurde ich von dem alten Kapitän Darrel gekauft und seiner Enkelin gegeben, der kleinen Miss Betsey Williams. Kapitän Williams, Mr. Darrels Schwiegersohn, kommandierte ein Schiff, das zwischen Amerika und Westindien hin- und herfuhr, und war selten für längere Zeit zu Hause.
   Mrs. Williams war eine warmherzige Frau und behandelte ihre Sklaven gut. Sie hatte nur die eine Tochter, Miss Betsey, für die ich gekauft worden war; sie war etwa so alt wie ich. Ich war Miss Betseys Liebling und hing sehr an ihr. Sie führte mich immer an der Hand herum und nannte mich ihren kleinen Nigger. Das war die schönste Zeit meines Lebens, denn ich war zu jung, um meine Lebensumstände als Sklavin zu verstehen, und zu gedankenlos und zu guten Mutes, um die Tage voller Mühsal und Traurigkeit kommen zu sehen.
   Meine Mutter war Haussklavin in derselben Familie. Sie kümmerte sich selbst um mich, und meine kleinen Brüder und Schwestern waren meine Spielgefährten und Kameraden. Sie bekam mehrere Kinder, nachdem sie zu Mrs. Williams gekommen war, drei Mädchen und zwei Jungen. Wir Kinder hatten nur leichte Arbeit zu tun, und wir spielten mit Miss Betsey fast so wie mit einer Schwester.
   Mein Herr aber war ein sehr barscher, eigensüchtiger Mann, und wir fürchteten uns immer vor seiner Rückkehr. Auch seine Frau hatte Angst vor ihm und wagte selten, ihre sonstige Freundlichkeit uns Sklaven gegenüber zu zeigen, wenn er zu Hause war. Oft brachte er sie unter unerfreulichen Umständen weg zu anderen Leuten, den Namen des Ortes habe ich vergessen, irgendwo in Westindien. Meine arme Herrin ertrug sehr geduldig seine schlechte Behandlung, und alle ihre Sklaven mochten sie gut leiden und bemitleideten sie. Ich hing wirklich sehr an ihr und liebte sie und meine Mutter mehr als anderen. Ich gehorchte ihr gern und aus Zuneigung, nicht aus Angst vor dem Gesetz der Weißen, das ihr so viel Macht über mich gegeben hatte.
   Ich war kaum zwölf Jahre alt, als meine Herrin zu arm wurde, um uns alle in ihrem Haus zu behalten. Sie vermietete mich an Mrs. Pruden, eine Dame, die im nächsten Kirchsprengel und in einem großen Haus am Meer wohnte. Ich weinte bitterlich bei der Trennung von meiner lieben Herrin und Miss Betsey, und als ich meine Mutter und Geschwister küsste, dachte ich, mein Herz würde brechen, so grausam war es. Aber es war nicht zu ändern. Ich musste gehen. Die gute Mrs. Williams tröstete mich und sagte, ich wäre ja immer noch in der Nähe und könnte sie und meine Familie besuchen, wann immer mir Mrs. Pruden frei gäbe. Kurz darauf wurde ich zu einem fremden Haus gebracht und fand mich unter fremden Leuten wieder. Die Trennung erschien mir damals als bitteres Schicksal, aber gegenüber dem, was ich später erdulden musste, war sie leicht, so leicht, aber ich war ja damals nur ein Kind.
   Ich wusste, dass Mrs. Williams mich nicht mehr behalten konnte, dass sie mich hergeben musste, damit ich Essen und Kleidung bekam, und ich versuchte, mich darein zu fügen. Meine neue Herrin war eine unbeherrschte Person, aber sie behandelte mich nicht besonders unfreundlich. Ich erinnere mich, nur einmal von ihr geschlagen worden zu sein, und der Grund dafür war, dass ich Mrs. Williams besucht hatte, weil sie krank war, und ich länger geblieben war, als sie mir erlaubt hatte. Meine einzige Beschäftigung zu dieser Zeit war, mich um ein süßes Baby zu kümmern, den kleinen Master Daniel. Ich schloss meinen kleinen Schützling so ins Herz, dass es kein größeres Vergnügen gab, als mit ihm und seinem Bruder und seiner Schwester, Miss Fanny und Master James, am Strand spazieren zu gehen. Liebe Miss Fanny! Eine so nette und freundliche junge Dame, die mich so sehr mochte und wollte, dass ich all das lernte, was sie selbst wusste, und sie brachte es mir so bei: Gleich, wenn sie die Aufgaben ihrer Großmama vortragen hatte, kam sie zu mir gelaufen und ließ sie mich einzeln aufsagen. Und nach ein paar Monaten kannte ich nicht nur die Buchstaben, sondern konnte auch schon kurze Wörter buchstabieren. Aber das Glück dauerte nicht lange. Es war zu schön um anzudauern. Mir wird noch ganz weich ums Herz, wenn ich daran denke.
   Mrs. Williams starb. Plötzlich kam die Nachricht, und mein Kummer war so groß, dass ich sofort zu ihrem Haus rannte und ganz vergessen hatte, dass ich das Baby in meinen Armen hielt. Ich kam gerade recht, um zu sehen, wie der Leichnam aus dem Haus getragen wurde. Oh, was für ein trauriger Tag! Alle Sklaven weinten. Meine Mutter weinte und beklagte ihr Schicksal. Und ich dummes Ding versuchte vergebens, meine liebe Herrin wieder zum Leben zu erwecken. Ich wusste nichts über den Tod, und er war schwer zu ertragen. Wenn ich an meine Herrin dachte, schien mir die Welt durcheinander geraten zu sein. Für viele Tage und Wochen konnte ich an nichts anderes denken. Ich kehrte zu Mrs. Pruden zurück. Aber meine Trauer war zu stark, um getröstet zu werden, und meine Gedanken waren immer bei meiner Herrin, ob im Hause oder unterwegs.
   Ich blieb noch etwa drei Monate bei Mrs. Pruden. Dann wurde ich zu Mr. Williams zurückgeschickt, um verkauft zu werden. Was für eine schlimme Zeit! Ich erinnere mich gut an den Tag. Mrs. Pruden kam zu mir und sagte: »Mary, Du musst sofort nach Hause gehen. Dein Herr wird wieder heiraten, und er will Dich und zwei Deiner Schwestern verkaufen, um an Geld für die Hochzeit zu kommen.« Als ich das hörte, brach ich in Tränen aus, obwohl ich noch nicht wusste, wie schlimm es mir gehen würde und welches Elend mit bevorstand. Ich wollte auch Mrs. Pruden nicht verlassen und das liebe Baby, das sehr an mir hing. Erst konnte ich kaum glauben, dass es Mrs. Pruden ernst war, bis mir befohlen wurde, sofort aufzubrechen.
   Liebe Miss Fanny! Wie sie weinte, als wir Abschied nahmen; ich küsste und herzte das Baby und meinte, ich würde es nie wiedersehen. Ich verließ Mrs. Prudens Haus und ging mit schwerem Herzen nach Hause. Der Gedanke, von Mutter und Miss Betsey weg verkauft zu werden war so schrecklich, dass ich daran nicht zu denken wagte. Miss Betseys Großvater hatte uns von Mrs. Myners für Betsey gekauft, so dass wir ihr Eigentum waren, und ich hatte nie gedacht, dass wir von ihr getrennt oder verkauft würden.
   Als ich im Haus ankam, ging ich direkt zu Miss Betsey. Sie war sehr aufgeregt und rief, als sie mich sah: »Oh Mary! Mein Vater will Euch alle verkaufen, um an Geld zu kommen, damit er eine böse Frau heiraten kann; Ihr seid meine Sklaven, und er hat kein Recht, Euch zu verkaufen; er tut das nur, um nett zu dieser Frau zu sein!« Dann erzählte sie mir, dass meine Mutter nicht weit weg bei der Schwester ihres Vaters lebte, und dort lief ich hin. Es war ein trauriges Zusammentreffen, und wir beklagten bitterlich weinend unser Unglück. »Hier kommt eins meiner armen Herzchen!«, rief sie aus, als ich hereinkam, »eins von der armen Sklavenbrut, die morgen verkauft wird.«
   Oh je! Ich kann es nicht ertragen, mich an diesen Tag zu erinnern, es ist zu viel. Es bringt den großen Kummer zurück, der mein Herz erfüllte, und die jammervollen Gedanken, die mir durch den Kopf gingen, während ich auf die mitleidigen Worte meiner Mutter hörte, die den Verlust ihrer Kinder beweinte. Wenn ich doch nur die Worte finden könnte, um zu erklären, was in mir vorging und wie ich litt. Der große Gott im Himmel allein kennt die Gefühle eines armes Sklavenherzens und die bittere Pein, die solchen Trennungen folgt. Alles, was wir lieben, wird uns genommen, das ist traurig, so traurig, und so schwer zu ertragen!
   In dieser Nacht konnte ich keinen Schlaf finden, weil ich an die Zukunft dachte. Der lieben Miss Betsey war kaum weniger elend zumute. Sie konnte es nicht ertragen, ihre alten Spielkameraden zu verlieren, weinte bitterlich und ließ sich nicht beruhigen.
   Schließlich war der böse Tag da. Zu schnell kam er für meine arme Mutter und uns. Als sie uns unsere neuen Sachen [im Original: Osnaburgs, aus norddeutschen Leinenstoffen] anzog, in denen wir verkauft werden sollten, sagte sie ganz traurig (nie werde ich das vergessen!): »Nun kleide ich meine Kinder in ihr Leichentuch – was für eine Qual für eine Mutter!« Dann rief sie Miss Betsey, damit sie sich von uns verabschiedete. »Ich bringe jetzt meine Küken zum Markt,« (genau das waren ihre Worte) »seht sie Euch noch einmal an. Vielleicht seht Ihr sie nie wieder!« Miss Betsey sagte: »Oh meine armen Sklaven! Meine eigenen Sklaven! Ihr gehört zu mir, und es zerreißt mir das Herz, Euch gehen zu sehen.« Sie küsste uns alle, und nachdem sie gegangen war, rief Mutter alle anderen Sklaven, um sich von uns zu verabschieden. Eine Sklavin namens Moll kam mit ihrem Baby auf dem Arm. Mutter sah, wie sie sich abwandte und mit Tränen in den Augen auf ihr Kind blickte und sagte: »Ja, Ihr kommt auch noch dran!« Die Sklaven hatten keinen Trost für uns, sie konnten nur mit uns weinen und klagen. Als ich meine kleinen Brüder und das Haus meiner Kindheit verließ, dachte ich, das Herz müsse mir zerspringen.
   Weinend rief meine Mutter mich und Hannah und Dinah hinaus und wir gingen davon nach Hamble Town, das wir gegen vier Uhr nachmittags erreichten. Wir folgten meiner Mutter auf den Marktplatz, wo sie uns in einer Reihe vor der Wand eines großen Hauses aufstellte, mit den Rücken zur Wand und mit gekreuzten Armen. Ich, die älteste, kam zuerst, dann Hannah, dann Dinah; und unsere Mutter stand weinend daneben. Mein Herz klopfte vor Gram und Entsetzen so stark, dass ich meine Hände fest gegen die Brust drückte, aber ich konnte es nicht beruhigen, und es schlug weiter, als ob es aus meinem Körper springen wollte. Aber wer merkte das schon? Dachte auch nur einer der vielen Umstehenden, die uns so gelassen betrachteten, an den Schmerz, der die Herzen einer Negerfrau und ihrer Kinder zerriss? Nein, nein, sie waren nicht alle schlecht, glaube ich, aber die Sklavenwirtschaft verhärtet die Herzen der Weißen gegenüber den Schwarzen. Viele von ihnen brauchten nicht lange, um laut ihre Bemerkungen über uns zu machen, ohne Rücksicht auf unseren Kummer; aber ihre leicht dahin gesagten Worte wirkten wie Pfeffer in unseren frisch verwundeten Herzen. Oh, die Weißen haben ein so kleines Herz, dass es nur für die eigenen Gefühle Platz hat.
   Schließlich kam der Verkäufer, der uns wie Schafe oder Rinder anbieten sollte, und fragte meine Mutter, welche die älteste sei. Sie sagte nichts und zeigte nur auf mich. Er nahm mich bei der Hand, führte mich mitten auf die Straße, drehte mich langsam herum und zeigte mich so den Zuschauern. Schnell war ich von fremden Männern umgeben, die mich untersuchten und behandelten wie ein Kalb oder ein Lamm, das sie kaufen wollten, und in dazu passenden Redewendungen sprachen sie über meine Figur und Größe, als ob ich sie wie ein dummes Tier nicht verstehen könnte. Dann wurde ich zum Verkauf angeboten. Die Versteigerung begann mit ein paar Pfund und steigerte sich bis auf 57; da wurde ich dem Meistbietenden zugeschlagen. Und die Leute, die dabei standen, meinten, dass ich für mein Alter eine sehr große Summe eingebracht hätte.
   Dann sah ich, wie meine Schwestern weggeführt wurden, verkauft an verschiedene Besitzer. So entging uns der traurige Trost, gemeinsam gefangen zu sein. Als der Verkauf vorbei war, umarmte und küsste uns unsere Mutter, weinte über unser Schicksal und ermahnte uns, gutem Mutes zu sein und unsere Pflicht gegenüber unseren neuen Herren zu erfüllen. Es war ein schlimmer Abschied – die eine ging hierhin, die andere dorthin, und unsere Mutter ging allein nach Haus.
   Mein neuer Herr war ein Kapitän I…, der bei Spanish Point lebte. Nach dem Abschied von meiner Mutter und meinen Schwestern folgte ich ihm zu seinem Lagerhaus, wo er mich seinem Sohn übergab, Master Benjy, der mich zu meinem neuen Zuhause brachte. Ich wusste nicht, wohin es ging oder was mein neuer Herr mit mir vorhatte. Mein Herz war von Kummer zerwühlt, und ich musste die ganze Zeit an die denken, von denen ich so plötzlich fortgerissen worden war. »Oh meine Mutter, oh meine Mutter«, sagte ich immerzu zu mir selbst, »oh meine Mama und Schwestern und Brüder, werde ich Euch je wiedersehen?«
   Oh diese Prüfung, diese Prüfung! Salzige Tränen treiben sie mir in die Augen, wenn ich an diese Tage denke. Die Zeiten sind vorbei, als ich mit jungem Herzen um trauerte, die ich liebte.
   Es war Nacht, als ich bei meinem neuen Heim ankam. Das Haus war groß und am Fuße eines sehr hohen Hügels gebaut; aber ich konnte in dieser Nacht wenig sehen – später habe ich mehr als genug davon mitbekommen. Stein und Balken waren das beste daran; sie waren nicht so hart wie das Herz ihrer Besitzer.
   Bevor ich das Haus betrat, kamen zwei Sklavenfrauen, die im Hof arbeiteten und von einem anderen Eigentümer gemietet worden waren, auf mich zu und fragten, wem ich gehörte? »Ich bin gekommen, um hier zu leben«, antwortete ich. »Armes Kind, armes Kind«, sagten beide, »wenn Du hier leben musst, musst Du all Deinen Mut zusammennehmen«. Nachdem ich ins Haus gegangen waren, stand ich weinend in einer Ecke. Mrs. I... kam und nahm mir meinen Hut ab, einen kleinen aus schwarzer Seide, den Miss Pruden für mich gemacht hatte, und sagte mit harter Stimme: »Du bist nicht hier, um in Ecken zu stehen und zu weinen, du bist hier, um zu arbeiten!« Dann legte sie mir ein Kind in den Arm, und, müde wie ich war, begann ich auf der Stelle mit meiner gewohnten Arbeit als Kindermädchen. Ich traute mich nicht, meine Herrin anzusehen, sie sah so streng aus. Sie war eine große, kräftige Frau mit einer dunklen Gesichtsfarbe, und die Brauen waren immer zusammengezogen, als ob sie die Stirn runzelte. Ich dachte an die Worte der zwei Sklavinnen und hörte ihre harsche Stimme.
   An dem Abend fiel mir am meisten Hetty auf, eine französische Schwarze, die mein Herr von einem Schiff geraubt und zu seiner Sklavin gemacht hatte. Sie war die betriebsamste Frau, der ich je begegnet bin, und sie wurde bis zum Äußersten ausgenutzt. Kurz nachdem ich gekommen war, kam sie vom Kühemelken und setzte die Süßkartoffeln für das Essen auf. Dann trieb sie ein paar Schafe zusammen und pferchte sie ein, trieb die Rinder zusammen und band sie neben dem Teich fest, fütterte und rieb das Pferd meines Herrn ab und gab dem Schwein und der gemästeten Kuh zu fressen, machte die Betten, zog die Kinder aus und brachte sie zu Bett. Ich sah ihr gern zu, denn sie hatte das einzige freundliche Gesicht, das mir bis jetzt begegnet war, und ich war froh, dass sie da war. Sie gab mir mein Essen, Kartoffeln und Milch, und dann ein Decke, die sie für mich auf dem Flur vor Mrs. I...s Schlafzimmer ausbreitete; auf der schlief ich.
   In dieser Nacht erschreckte ich mich sehr. Ich war gerade dabei einzuschlafen, als ich Lärm im Zimmer meiner Herrin hörte. Sie rief eine Frage an Hetty, ob sie mit einer Arbeit fertig sei, die ihr aufgetragen hatte. «Nein, Ma'am, noch nicht!«, kam Hettys Antwort von unten. Als mein Herr das hörte, stand er auf und rannte so wie er war, im Hemd, die Treppen hinunter; in der Hand hatte er eine Lederpeitsche. Gleich danach hörte ich das Knallen der Peitsche und das Haus hallte wider von Hettys Schreien, die immerzu brüllte: »Oh Mass, oh Massa, bin tot! Massa, Gnade, töte mich nicht ganz!«
   Das war für mich ein böser Anfang. Ich saß auf meiner Decke, zitterte vor Furcht wie ein verängstigter Hund und dachte, dass ich als nächste drankäme. Schließlich wurde das Haus still, und für eine Weile vergaß ich meinen Kummer im Schlaf.
   Am nächsten Morgen begann meine Herrin, mir meine Aufgaben zu erklären. Es ging um alle Arten von Hausarbeit: Waschen und backen, Baumwolle und Wolle behandeln, Fußböden wischen und kochen. Und sie brachte mir noch mehr bei, was ich niemals vergessen werde: den genauen Unterschied zwischen den Schlägen mit einem Seil, einer Kutscherpeitsche und Lederriemen auf meinen nackten Körper, mit ihrer eigenen grausamen Hand verabreicht. Aber kaum eine Strafe war härter als die Faustschläge mit schwerer Hand in das Gesicht und auf den Kopf. Sie war eine fürchterliche Frau und Herrin, die unter ihren Sklaven wütete.
   Im Haus gab es zwei kleine Sklavenjungen, an denen sie ihre Grausamkeit besonders ausließ. Der eine war ein Mulatte namens Cyrus, der als Baby aus den Armen seiner Mutter verkauft worden war. Der andere, Jack, war ein Afrikaner von der Küste von Guinea; ein Seemann hatte ihn meinem Herrn verkauft oder geschenkt. Für die beiden verging kaum ein Tag ohne eine böse Behandlung, oft, ohne dass sie einen Fehler gemacht hatten. Herr wie Herrin schienen zu glauben, dass sie sie nach Belieben misshandeln könnten, und oft kamen mit ihren Befehlen Schläge, ob die Kinder sich nun gut benahmen oder nicht. Ich habe ihr rohes Fleisch gesehen, geplatzt durch Peitschenschläge. Schlag – Schlag – Schlag – sie waren niemals auch nur für einen Moment davor sicher und verbrachten ihr Leben in dauernder Furcht. Meine Herrin war nicht damit zufrieden, nur die Peitsche zu benutzen, sondern kniff sie auch in Wangen und Arme auf sehr grausame Weise. Das Mitleid für die Jungen hatte ich bald auch für mich selbst, denn ich wurde geschlagen und gepeitscht und von ihren mitleidslosen Fingern in Hals und Arme gekniffen, genau wie sie. Mich nackt auszuziehen, an den Handgelenken aufzuhängen und mein Fleisch mit den Lederriemen aufzureißen, war die übliche Strafe auch für das kleinste Vergehen. Oft auch raubte sie mir meine Schlafenszeit. Sie blieb gewöhnlich lange wach, häufig bis gegen Morgen, und dann musste ich den größten Teil der Nacht am Waschtrog stehen oder Wolle und Baumwolle zupfen; oft bin ich dabei vor Müdigkeit umgefallen und wurde aus meiner Bewusstlosigkeit durch die Peitsche aufgescheucht und gezwungen, mit meiner Arbeit weiter zu machen.
   Die arme Hetty, meine Mitsklavin, war sehr freundlich zu mir. Ich nannte sie Tante. Sie hatte aber ein fürchterliches Leben, und die Ursache ihres frühen Todes (zumindest meinten das alle Sklaven) war ihre Züchtigung durch den Herrn während ihrer Schwangerschaft. Es geschah so: Eine Kuh hatte das Seil, mit dem Hetty sie festgebunden hatte, aufgezogen, und war losgekommen. Mein Herr geriet in fürchterlichen Zorn und befahl trotz ihrer Schwangerschaft, sie auszuziehen und an einen Baum im Hof zu hängen. Dann schlug er sie, so hart er konnte, mit Peitsche und Lederriemen, bis sie mit Blut überströmt war. Er machte Pause, dann schlug er sie wieder und wieder. Ihre Schreie waren entsetzlich. Als Folge davon kam Hetty vorzeitig in die Wehen und wurde unter vielen Schmerzen von einem toten Kind entbunden. Es sah so aus, als hätte sie sich danach erholt, so dass sie wiederum vom Herrn und der Herrin ausgepeitscht wurde. Aber ihre alte Kraft kam nicht zurück. Es dauerte nicht lange, da schwollen ihr Leib und Glieder stark auf, und sie lag auf einer Matte in der Küche, bis das Wasser aus ihrem Körper strömte und sie starb. Alle Sklaven meinten, der Tod wäre gut für die arme Hetty, aber ich beweinte sie sehr. Die Art ihres Todes erfüllte mich mit Grausen, ich wollte nicht daran denken, aber ich konnte lange davon nicht loskommen.
   Nach Hettys Tod fiel ihre Arbeit auf mich, zusätzlich zu meiner eigenen. Vor Sonnenaufgang musste ich nun elf Kühe melken und dabei im feuchten Gras sitzen, dann auf das Vieh wie auf die Kinder aufpassen, und die Hausarbeit musste ich auch machen. Die Arbeit nahm kein Ende, die Prügel auch nicht. Mit Kummer und Angst im Herzen ging ich zu Bett und stand ich auf, und oft wünschte ich mir, ich könnte wie die arme Hetty aus dieser grausamen Gefangenschaft fliehen und Ruhe im Grab finden. Aber die Hand Gottes, von dem ich damals noch nichts wusste, war über mir ausgebreitet, und ich wurde gnädig bewahrt für Besseres. Aber es war mein schweres Los, lange Jahre zu weinen, weinen, weinen, und von einem Elend in das andere und von einem grausamen Herrn an den anderen zu geraten. Aber ich darf den Faden meiner Geschichte nicht verlieren.
   Eines Tages kamen plötzlich Wind und Regenschauer auf, und meine Herrin schickte mich um das Haus herum, um einen großen Tonkrug auszuleeren. Der Krug hatte schon länger einen Sprung in der Mitte, und als ich ihn umdrehte, brach er mir in der Hand in zwei Hälften. Ich konnte nichts dagegen machen, war aber sehr erschrocken und erwartete eine deftige Strafe. Ich rannte weinend zu Herrin: »Oh Mistress, der Krug ist entzwei gegangen!« Sie antwortete: »Das warst Du, oder? Komm her!« Zitternd ging ich zu ihr; sie zog mich aus und schlug mich so lange und heftig mit dem Lederriemen, bis sie müde wurde. Als der Herr abends nach Hause kam, erzähle sie ihm von meinem Fehler. Oh, wie er fluchte! Nachdem er mir jeden schlimmen Namen gegeben hatte, der ihm einfiel (viel zu schlimm, um sie hier zu wiederholen) und mir einige schwere Ohrfeigen gegeben hatte, sagte er: »Morgen komm ich am Mittag ins Haus, nur um Dir 100 Schläge aufzuzählen!« Er hielt Wort, wie böse für mich! Ich kann das kaum vergessen: Er band mich an eine Leiter und gab mir mit eigener Hand 100 Schläge, und Master Benjy stand daneben und zählte sie. Nachdem er mich eine Zeit lang geschlagen hatte, setzte er sich, um Luft zu holen, dann schlug er mich wieder und wieder, bis er ganz erschöpft und so erhitzt war (es war sehr schwül), dass er auf einen Stuhl sank und fast ohnmächtig wurde. Während die Herrin unterwegs war, um ihm etwas zu trinken zu bringen, gab es ein fürchterliches Erdbeben. Ein Teil des Daches kam herunter und alles im Haus ging zu Bruch, schepper, schepper, schepper. Ich dachte, es sei das Ende aller Tage gekommen. Ich war so wund von den Schlägen, dass es mich kaum kümmerte, ob ich am Leben blieb oder starb. Die Erde ächzte und schwankte, alles fiel herum, und Herrin und Sklaven schrien und riefen: »Erdbeben, Erdbeben!« Es war ein unglückseliger Tag für uns alle.
   Während des ganzen Durcheinanders kroch ich auf Händen und Knien unter die Treppenstufen vor dem Haus. Ich war in einem schrecklichen Zustand – der Körper voller Blut und Blutergüsse, und ich konnte nicht anders als erbärmlich zu jammern. Als die anderen Sklaven mich sahen, schüttelten sie den Kopf und meinten: »Armes Kind, armes Kind!« Bis zum Morgen lag ich dort, es kümmerte mich nicht, wie es weitergehen sollte, denn das Leben in mir war nur noch schwach, und ich wünschte mir mehr als je zu sterben. Aber wenn man sehr jung ist, ist der Tod weit weg, und in dieser Nacht ist er nicht gekommen. Am nächsten Morgen zwang mich mein Herr, aufzustehen und meine Arbeit zu tun wie immer, obwohl mein ganzer Körper wund und steif war und ich mich nur unter großen Schmerzen bewegen konnte. Und nicht einmal nach dieser großen Strafaktion gab es Ruhe wegen des Kruges, die Herrin warf es mir immer wieder vor.
   Kurze Zeit später hatte sich eine Kuh losgemacht und war an die Süßkartoffeln gegangen. Ich molk gerade, als mein Herr das merkte. Er kam zu mir, zog einfach einen seiner schweren Stiefel aus und haute mir damit so heftig auf mein Hinterteil, dass ich vor Schmerz laut aufschrie und dachte, er hätte mich umgebracht; bis heute fühle ich mich dort schwach. Die Kuh erschrak bei dieser Gewaltaktion und warf den Eimer um, so dass die Milch umherspritzte. Mein Herr wusste, dass das seine Schuld war, aber er war so wütend, dass er sich wohl über den Anlass freute, mich weiter misshandeln zu können. Ich weiß nicht mehr, wie viele Schläge er mir versetzte, er schlug mich, bis ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte und er selbst ganz erschöpft war.
   Dann rannte ich weg zu meiner Mutter, die im Haushalt von Mr. Darrel war. Sie war traurig und froh, mich zu sehen, traurig, weil ich so misshandelt worden war, und froh, weil sie mich so lange nicht gesehen hatte. Sie wagte nicht, mich ins Haus zu lassen, sondern versteckte mich in einer Felsenhöhle und brachte mir in der Nacht Essen, als alle schliefen. Schließlich hörte mein Vater, der in Crow Lane auf der anderen Seite des Seewasserkanals wohnte, dass ich mich in der Höhle versteckt hielt, und er kam und brachte mich zu meinem Herrn zurück. Oh wie ich das so gar nicht wollte! Aber da es sonst keine Möglichkeit gab, musste ich nachgeben.
   Als wir nach Hause kamen, sagte mein armer Vater zu Kapitän I... : »Es tut mir Leid, dass mein Kind sich gezwungen sah, seinem Besitzer wegzulaufen; aber wie sie behandelt worden ist, hat ihr das Herz gebrochen, ihre Wunden ansehen zu müssen, hat mir fast meins gebrochen! Ich bitte sie, um Gottes Willen, ihr Weglaufen zu vergeben und ihr in Zukunft ein freundlicher Herr zu sein!« Kapitän I... meinte, ich würde so behandelt, wie ich es verdiente, und für das Weglaufen sollte ich bestraft werden. Da nahm ich meinen Mut zusammen und sage, dass ich die Prügel nicht mehr aushalten könnte. Das mir das Leben über sei und ich deshalb zu meiner Mutter gelaufen war. Aber Mütter können nur über ihre Kinder weinen und um sie trauern, aber vor grausamen Herren, vor der Peitsche, dem Seil und dem Lederriemen beschützen können sie sie nicht. Er sagte mir, ich solle still sein und an meine Arbeit gehen, oder er würde schon einen Weg finden, mich still zu machen. An diesem Tag hat er mich aber nicht geschlagen.
   Noch fünf Jahre blieb ich in diesem Haus und bekam fast täglich die gleiche harsche Behandlung. Schließlich brachte er mich an Bord einer Schaluppe und schickte mich zu meiner großen Freude zu den Turks Islands. Ich durfte Mutter oder Vater nicht sehen, auch meine armen Geschwister nicht, um Auf Wiedersehen zu sagen, obwohl ich in ein fremdes Land ging und sie vielleicht nie wieder sehen würde. Oh die Buckra-Leute [Weiße], die denken, Sklaven sind wie Vieh, ohne Gefühle. Aber mein Herz sagt mir, dass das ganz anders ist.
   Wir waren fast vier Wochen unterwegs, was länger als üblich war. Manchmal gab es eine leichte Brise, manchmal lange Flaute, und das Schiff kam nicht vorwärts. Proviant und Wasser wurden knapp, und wir wurden auf gekürzte Rationen gesetzt. Ich wäre fast verhungert, wenn nicht ein Schwarzer namens Anthony und seine Frau ihre Lebensmittel, die sie selbst mitgebracht hatten, mit mir geteilt hätten.
   Bei Grand Quay [Grand Turk] gingen wir an Land. Der Kapitän schickte mich zum Haus meines neuen Herrn, Mr. D... , an den Kapitän I... mich verkauft hatte. Grand Quay ist eine kleine Stadt auf einer Sandbank mit niedrigen Holzhäusern. So war auch das Haus meines neuen Herrn. Der erste Mensch, den ich sah, war Mr. D... , eine kräftiger, mürrischer Mann, der mich mitnahm zu seiner Frau und den Kindern. Am nächsten Tag wurde ich zum Sklavenverkäufer gebracht um herauszufinden, wie viel ich wert war. Ich wurde auf 100 Pfund taxiert.
   Mein neuer Herr war einer der Besitzer oder Pächter der Salzpfannen. Für jeden Sklaven, der dort arbeitete, gleich, ob alt oder jung, bekam er eine bestimmte Summe. Diese Summe wurde aus den Gewinnen des Salzgeschäfts gezahlt. Ich wurde gleich mit den anderen Sklaven zur Arbeit ins Salzwasser geschickt. Diese Arbeit war mir ganz neu. Ich bekam einen Kübel und eine Schaufel und musste bis zu den Knien im Wasser stehen: von vier Uhr morgens bis um neun, dann bekamen wir ein bisschen Mais in Wasser gekocht, den wir so schnell essen mussten wie wir konnten, damit nicht inzwischen der Regen kam und das Salz auflöste. Dann ging es weiter mit der Arbeit während der Hitze des Tages. Die Sonne brannte wie Feuer auf unseren Köpfen und Salzblasen entstanden auf allen Hautstellen, die nicht abgedeckt waren. Füße und Beine bekamen bald scheußliche Geschwüre vom langen Stehen im Salzwasser, manche gingen bis auf den Knochen, was große Qualen verursachte. Um zwölf Uhr gingen wir nach Hause, aßen Blawley, Maissuppe, und gingen an die Arbeit zurück bis es dunkel war. Dann schaufelten wir das Salz auf große Haufen und gingen ans Wasser, um die Salzkrusten abzuwaschen und Kübel und Schaufeln abzuspülen. Wenn wir nach Hause kamen, bekam jeder seine Portion rohen Mais, den wir im Mörser zerstampften und in Wasser kochten für unser Abendessen.
   Wir schliefen in einem langen Schuppen, der innen abgeteilt war wie in Stände für Kühe. Bretter auf Pfosten, die im Boden steckten, waren unsere Betten, ohne Matten oder Decken. Sonntags, wenn wir die Salzsäcke gewaschen und noch andere Arbeit getan hatten, die von uns verlangt wurde, gingen wir in den Busch, um das lange weiche Gras zu schneiden, woraus wir Polster für unsere Füße und Beine machten, denn die waren so voller Salzbeulen, dass wir es nicht aushalten konnten, sie auf die bloßen Bretter zu legen.
   Obwohl wir vom Morgen bis in die Nacht arbeiteten, war Mr. D... niemals zufrieden. Als ich Kapitän I... verließ, hoffte ich, es besser zu treffen, aber es hat nur der Schlachter gewechselt. Einen Unterschied gab es zwischen ihnen: mein ehemaliger Herr schlug mich mit Wut und Leidenschaft. Mr. D... dagegen war ruhig und gelassen. Er stand daneben und befahl, einen Sklaven grausam zu schlagen, er machte dabei auch mit, ohne das Gesicht zu verziehen, oder er ging ruhig herum und nahm Schnupftabak. Sein Herz konnte nichts rühren, weder Seufzer noch Tränen noch Gebete oder Ströme von Blut. Er war taub gegen unsere Schreie und gleichgültig gegenüber unserem Leid. Mr. D… hat mich oft nackt ausgezogen, an den Handgelenken aufgehängt und mich mit dem Lederriemen ausgepeitscht, bis mein Körper von Striemen überzogen war. Aber das war nichts Besonderes, es ist nur ein Beispiel, wie Sklaven auf dieser schrecklichen Insel behandelt wurden.
   Wegen der Geschwüre an meinen Füßen konnte ich die Schubkarre nicht schnell genug über den Sand schieben, denn der Sand geriet in die Wunden und ließ mich bei jedem Schritt stolpern. Und mein Herr, der kein Mitleid mit diesen Schmerzen hatte, machte sie mir noch unerträglicher, weil er mich dafür züchtigte, nicht so schnell zu sein wie er es wollte. Eine andere Arbeit bestand darin, in einem Boot ein bisschen hinaus zu rudern und nach großen Steinen zu tauchen, um eine Mauer um das Haus des Herrn zu bauen. Das war wirklich harte Arbeit, und da die großen Wellen immerzu über uns brachen, machten sie uns so benommen, dass wir den Halt verloren und fast ertranken.
   Ach, ich armer Mensch! Meine Arbeit hörte nie auf. Krank oder gesund, immer nur Arbeit, Arbeit, Arbeit. Nach dem Ende der Tauchsaison gingen wir mit großen Haumessern hinüber nach South Creek, um Mangos niederzuhauen, um damit Kalk zu brennen. Während wir damit beschäftigt waren, waren andere auf der anderen Seite der Insel damit beschäftigt, Korallenblöcke aus der See zu holen.
   Wenn wir krank waren, egal was uns fehlte, gab es nur eine Medizin: Eine große Schüssel mit heißem Meerwasser mit extra Salz darin, wovon wir heftig spucken mussten. Wenn wir mit den anderen Sklaven nicht mithalten konnten, wurden wir festgebunden und am nächsten Morgen sehr geschlagen. Trotzdem aber erwartete der Herr, dass wir unsere übliche Tagesarbeit verrichteten, obwohl wir keine Nachtruhe gehabt hatten und unsere Glieder von der Misshandlung wund und steif waren.
   Manchmal mussten wir die Nacht durch arbeiten und Salz abmessen, um ein Schiff zu beladen, oder eine Maschine drehen, um Wasser aus der See zu holen für die Salzbereitung. Dann gab es keinen Schlaf, keine Pause, wir mussten arbeiten, so schnell es nur ging, und den nächsten Tag ging es wie üblich weiter. Arbeit, Arbeit, Arbeit, oh welch entsetzlicher Platz war Turks Islands! Ich glaube fest, dass die Leute in England nicht wissen, was dort vorgeht. Grausiger, schrecklicher Ort!
   Mr. D... hatte einen Sklaven, alter Daniel genannt, den er immer auf die allergrausamste Art behandelte. Der arme Daniel hatte eine lahme Hüfte und konnte mit den anderen Sklaven nicht mithalten. Unser Herr ließ ihn ausziehen, auf den Boden legen und mit einem Wurzelstrunk schlagen, bis sich das rohe Fleisch zeigte. Dann rief er nach einem Eimer Salz und ließ ihn über den Wunden ausgießen, sodass David sich auf dem Boden wand wie ein Wurm und vor Schmerzen schrie. Seine Verletzungen konnten niemals ausheilen und ich habe sie oft voller Maden gesehen, die Davids Qualen ins Unermessliche steigerten. Er wurde von allen Sklaven bemitleidet und war unser Schreckensbild, das uns unser Schicksal zeigte, sollten wir auch so alt werden.
   Oh die Schrecken der Sklaverei! Wie der Gedanke daran mein Herz schmerzen lässt! Aber es muss die Wahrheit darüber berichtet werden, und ich glaube, es ist meine Pflicht, zu berichten, was ich erlebt habe, denn nur wenige Leute in England wissen, was Sklaverei wirklich bedeutet. Ich war Sklavin, ich habe gefühlt wie eine Sklavin, und ich weiß, was Sklaven wissen. Ich möchte, dass alle guten Menschen in England das auch wissen, damit sie unsere Ketten sprengen und uns befreien.
   Mr. D… hatte auch einen Sklaven mit Namen Ben. In einer Nacht stahl er ein bisschen Reis, weil er hungrig war, und kochte ihn für sich. Aber der Herr entdeckte den Diebstahl schnell, sperrte ihn für die Nacht ein und ließ ihn ohne Essen bis um ein Uhr am nächsten Mittag. Dann hing er ihn an den Händen auf und schlug ihn immer wieder, bis die Sklaven abends nach Hause kamen. Wir fanden ihn aufgehängt, als wir nach Hause kamen, unter ihm eine Pfütze Blut, und der Herr schlug ihn immer noch. Aber das war nicht das Schlimmste. Der Sohn meines Herrn stahl immer wieder Reis und Rum. Ben hatte das gesehen und meinte, er dürfe das auch. Als der Herr nun herausfand, dass Ben den Reis gestohlen hatte, und ihm seine Strafe ankündigte, versuchte er sich damit zu entschuldigen, dass Master Dickey jeden Abend das gleiche täte. Der Junge stritt das vor seinem Vater ab und war so böse auf Ben, dass er ihn verraten hatte, dass er aus Rache losrannte und ein Bajonett holte, und während der Elende an den Händen aufgehängt war und sich in Schmerzen wand, stieß er es ihm durch den Fuß. Ich war nicht dabei, als das passierte, aber ich sah die Verletzung, als ich nach Hause kam, und hörte, wie Ben erzählte, wie es dazu gekommen war.
   Ich muss über diesen grausamen Sohn eines grausamen Vaters noch etwas erzählen. Er hatte kein Herz und keine Furcht vor Gott. Er war von einem schlechten Vater auf schlechte Weise erzogen worden und benahm sich gern genauso wie er. Es gab eine kleine alte Frau mit Namen Sarah, die kaum noch arbeiten konnte. Für Mr. Dickey, damals Aufseher über die Sklaven, war sie nicht schnell genug mit dem Schubkarren, denn sie hatte mehrere Körperbehinderungen und war auch im Kopf nicht ganz richtig. Er warf sie nieder, schlug sie heftig und nahm sie dann auf seinen Armen hoch und warf sie in das Kaktusgebüsch. Von den scharfen, giftigen Stacheln wurde sie so sehr verletzt, dass ihr Körper eiterte und anschwoll, und nach ein paar Tagen starb sie.
   Wenn ich über meine eigenen Kümmernisse berichte, darf ich die meiner Mitsklaven nicht vergessen – wenn ich an meinen eigenen Gram denke, erinnere ich mich an ihren.
   Ich glaube, ich habe etwa zehn Jahre in den Salzpfannen von Turk Islands zugebracht. Dann verließ mein Herr das Geschäft und zog sich in ein Haus auf Bermuda zurück. Seinen Sohn ließ er zurück, um die Geschäfte weiterzuführen, mich nahm er mit als Bedienung für seine Töchter. Ich freute mich von Herzen, denn ich war die Insel leid, so leid, und wollte meine Heimat wiedersehen und meine Mutter und die anderen Verwandten.
   Nach der Rückkehr war ich noch mehrere Jahre Sklavin bei Mr. D… . Ich arbeitete draußen: Süßkartoffeln, Mais, Kochbananen, Bananen, Kohl, Kürbisse, Zwiebeln und anderes pflanzen und Unkraut jäten. Ich machte alle Hausarbeit und kümmerte mich noch um ein Pferd und eine Kuh, und Besorgungen machte ich auch. Ich hatte das Pferd zu putzen, zu striegeln und zu füttern, manchmal ritt ich auch ein wenig. Ich hatte mehr als genug zu tun, aber es war nicht so schlimm wie Turk Islands.
   Mein Herr war oft betrunken, und dann bekam er Streit mit seiner Tochter und schlug sie, bis man sie fast nicht mehr erkennen konnte. Ich erinnere mich an einen Tag, als ich Wasser holen gegangen war, und als ich den Hügel hinauf ging, hörte ich ein großes Geschrei. Ich rannte ins Haus so schnell ich konnte, stellte den Wassereimer ab und ging in das Zimmer, wo mein Herr Miss D... fürchterlich zusammenschlug. Mit aller Kraft versuchte ich, sie zu trennen; sie war grün und blau vor lauter Blutergüssen. Alle lobten mich dafür. Er dreht sich zu mir und fing an, mich zu schlagen. »Sir, wir sind hier nicht auf Turk Islands!«, sagte ich zu ihm. Seine Antwort kann ich nicht wiederholen, seine Worte waren zu schlecht. Er wollte mich weiter so behandeln wie dort.
   Er hatte die unangenehme Eigenart, sich nackt auszuziehen und mir zu befehlen, ihn in einem Zuber zu waschen. Manchmal, wenn er mich dazu rief, wollte ich nicht kommen. Er kam dann, um mich zu schlagen. Einmal hatte ich Teller und Besteck in der Hand und ließ beides fallen, und einige Teller gingen zu Bruch. Er schlug mich dafür so hart, dass ich mich endlich verteidigte. Ich meinte, es wäre höchste Zeit dafür. Ich erklärte ihm, dass ich nicht länger bei ihm leben wollte, denn er war ein unanständiger Mann, sehr tückisch und zu unanständig, ohne Scham vor seinen Dienern und vor der eigenen Familie. Ich verließ das Haus und ging zu Nachbarn, wo ich bis zum nächsten Morgen weinte, ging aber dann nach Hause zurück, weil ich nicht wusste, wohin sonst.
   Dann wurde ich verpachtet an Cedar Hills; jeden Samstag brachte ich meinem Herrn das Geld. Es gab viel Arbeit dort, es gab viel zu waschen. Aber es ging mir ganz gut. Ich verdiente zwei Dollar 25 Cent pro Woche, das sind 20 Pence pro Tag.
   Während ich dort arbeitete, hörte ich, dass Mr. John Wood nach Antigua gehen wollte. Ich wollte gern dorthin, und bat Mr. D... , mich in Dienst zu ihm gehen zu lassen. Mr. Wood wollte mich damals nicht kaufen, es lag an mir, dass ich zu ihm kam. Ich glaube, es war vorbestimmt und Gott führte mich. In Wahrheit wollte ich nicht länger bei meinem unanständigen Herrn bleiben.
   Mr. Woods nahm mich mit nach Antigua, in die Stadt St. John's, wo er wohnte. Er wusste nicht, ob ich zum Verkauf stand. Aber Mrs. Woods fand heraus, dass ich eine gute Arbeiterin war, und wollte mich kaufen. Also schrieb ihr Mann an Mr. D... und fragte, ob ich zu verkaufen sei. Mr. D. antwortete, dass ich an niemanden verkauft werden sollte, der mich schlecht behandeln würde. Es war sehr sonderbar, dass er das sagte, nachdem er mich selbst so rabiat behandelt hatte. So wurde ich von Mr. Woods für 100 Dollars gekauft.

Prince, Mary
The history of Mary Prince, a West-Indian slave, related by herself
London 1831
Übersetzung: U. Keller

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