Um 1670 - Alexandre Exquemelin
Von den französischen Bukaniern und Pflanzern
Hispaniola und Tortuga
Die Franzosen auf der Insel Hispaniola haben dreierlei Beschäftigungen, nämlich die Jagd, das Pflanzen oder Bebauen von Feldern und die Kaperfahrt. Wenn ein Knecht aus seinem Dienst entlassen wird, sucht er sich einen Gefährten. Sie legen ihre Habe zusammen und setzen einen Vertrag auf, worin sie entweder einander gegenseitig zusichern, dass der Überlebende das ganze Vermögen bekommen soll, oder der Überlebende ist verpflichtet, das Vermögen des Verstorbenen dessen Freunden oder, falls er verheiratet war, seinem Weibe abzugeben. Nachdem nun ein derartiger Vertrag geschlossen ist, geht der eine auf Kaperfahrt, der andere auf die Jagd oder er pflanzt Tabak, je nachdem, wo sie glauben, am meisten zu verdienen.
Es gibt zweierlei Jäger: Die einen gehen um der Häute willen auf Stiere aus, die anderen auf Wildschweine, um das Fleisch den Pflanzern zu verkaufen. Die Stierjäger nennt man Bukanier; früher gab es wohl fünf- bis sechshundert auf dieser Insel, doch hat ihre Zahl so abgenommen, dass es nun nicht mehr als dreihundert sind, da die Stiere so selten geworden sind, dass die Jäger sehr fleißig sein müssen, welche zu finden und zu treffen. Diese Bukanier bleiben ein, öfters auch wohl zwei Jahre im Busch; zuweilen fahren sie auf die Insel Tortuga, um dort ihre Vorräte an Pulver, Blei, Flinten, Leinwand und dergleichen zu holen. Wenn sie dort sind, so geben sie in einem Monat alles aus, was sie in einem oder anderthalb Jahren verdient haben. Sie trinken den Branntwein wie Wasser, kaufen ein ganzes Fass Wein, schlagen ihm den Zapfen aus und trinken, bis nichts mehr drin ist. Tag und Nacht laufen sie durch das Dorf und feiern das Bacchusfest, so lange sie für Geld Getränke bekommen können. Dabei wird auch das unzüchtige Spiel nicht vergessen, sodass die Wirte und die Huren sich freuen und bereit halten für die Ankunft der Bukanier und Kaperer, ebenso wie die Wirte und Huren in Amsterdam für die Ankunft der Ostindienfahrer und der Kriegsschiffe. Nachdem dann alles aufgezehrt und noch ein bisschen dazu geborgt worden ist, gehen sie wieder in den Busch, wo sie wieder ein bis zwei Jahre bleiben.
Nun will ich auch beschreiben, welches Leben sie dort führen. Wenn sie auf den Sammelplatz gekommen sind, teilen sie sich in Trupps zu fünf oder sechs Mann. Wer Knechte hat, zieht allein mit ihnen los und sucht sich einen geeigneten Platz auf den Feldern, wo sie ihre Zelte aufschlagen und eine Hütte bauen, um darin später die getrockneten Häute aufzubewahren. Früh am Morgen, wenn es Tag wird, rufen die Bukanier ihre Hunde zusammen und ziehen dorthin in den Busch, wo sie meinen, die meisten Stiere anzutreffen. Sobald sie einen totgeschossen, nehmen sie ihren Branntwein ein, das heißt, sie öffnen die Knochen und schlürfen alles Mark aus den Röhren, ehe es kalt wird, dann ziehen sie dem Tier die Haut ab. Nun nimmt einer von ihnen die Haut und geht damit zum Sammelplatz. Das geht so weiter, bis jeder eine Haut hat, was bis gegen Mittag dauert, manchmal länger, manchmal kürzer. Nachdem alle am Sammelplatz angekommen sind, müssen die Knechte, falls sie solche haben, die Häute zum Trocknen ausspannen und eine Mahlzeit bereiten, die aus nichts als Fleisch besteht. Nach dem Essen nimmt jeder seine Flinte und geht zum Vergnügen Pferde schießen, oder er schießt auf Vögel, die jeder sehr fix herunter zu schießen weiß. Manchmal wird auch ein Wettschießen veranstaltet. Das Ziel ist meist ein Pomeranzenbaum, und den Preis erhält der, welcher mit der Kugel die meisten Früchte abschießen kann, ohne sie zu beschädigen. Er darf sie nur an den Stielen treffen, was ihnen oft gelingt.
Am Sonntag werden die Häute zur Küste transportiert und auf Schiffe verladen. Einmal sagte ein Knecht, der an einem Sonntag ausruhen wollte, zu seinem Herrn, Gott habe der Woche sieben Tage gegeben und gesagt, sechs Tage solle man arbeiten, aber am siebenten Tag sollte Sabbat gehalten und von der Arbeit ausgeruht werden. Sein Herr aber wollte dies nicht verstehen und verprügelte den Knecht mit den Worten: »Geh hin und arbeite! Mein Befehl ist so: Sechs Tage sollst du Häute sammeln und sie am siebten an den Strand bringen!«
Diese Leute sind sehr grausam und unbarmherzig zu ihren Knechten. Es ist erträglicher, drei Jahre auf einer Galeere zuzubringen als ein Jahr in den Diensten eines Bukaniers; das ist aus der folgenden Geschichte zu ersehen.
Einer dieser Bukanier hatte seinen Knecht einmal aus geringer Ursache so übel geschlagen, dass er ihn für tot hielt und im Busch liegenließ. Als er weg war, erholte sich der Knecht allmählich wieder, stand endlich auf und folgte seinem Herrn; aber er konnte weder ihn noch den Sammelplatz finden. So war er nun gezwungen, im Busch zu bleiben ohne ein Gewehr, um sich Nahrung zu verschaffen. Er hatte auch kein Messer oder irgendein anderes Instrument bei sich, nur sein Hund war ihm geblieben. Nachdem er nun drei ganze Tage ohne Essen im Busch zugebracht hatte, stieß er unversehens auf eine Horde Wildschweine, und sein Hund bekam ein Ferkel zu fassen. Der Mann hatte aber nichts bei sich, um es abzustechen oder Feuer zu machen, um das Ferkel darauf zu braten.
Endlich besann er sich, dass er einen Feuerstein bei sich hatte, und versuchte, damit das Ferkel aufzuscheiden, was ihm auch ziemlich gut gelang. Aber er sah keine Möglichkeit, an Feuer zu kommen, und da der Hunger ihn bedrängte, so musste er das Ferkel roh essen, wie es war, und gab auch seinem Hund davon. Das Übrige hob er auf, weil er nicht wissen konnte, wann er wieder etwas bekommen würde, da er im Busch umherlief und keines Menschen ansichtig wurde.
Auf der Jagd stieß er einmal auf eine wilde Hündin, die ein Stück Fleisch für ihre Jungen im Maul trug. Er folgte ihr bis zu ihrem Lager, und weil sie sich über ihre Jungen legte, begann er mit Steinen auf sie zu werfen, bis sie tot war. Dann nahm er das Fleisch für die Jungen und aß es auf. Von den jungen Hunden nahm er zwei mit, denn sein Tier war auch eine Hündin, die Junge bei der Hütte am Sammelplatz hatte. Die Welpen fingen bei ihr an zu saugen und wurden so großgezogen.
Dann geriet er an einen Platz, wo er alle Tage so viele Ferkel bekommen konnte, wie er mit seinen drei Hunden verzehren konnte. So gewöhnte er sich an dieses Leben, als ob er niemals ein anderes gehabt hätte, hoffte aber immer noch, dass endlich ein Jäger kommen und er mit ihm den Weg wieder hinaus finden könnte. Den Platz wollte er nicht verlassen aus Furcht, dass er ihn nicht wiederfinden und dann Mangel leiden würde.
In der Zwischenzeit waren seine Hunde groß und zur Jagd sehr tauglich geworden, so dass er sich um seine Nahrung keine großen Sorgen mehr zu machen brauchte. Er hatte sich nun an das rohe Fleisch so gewöhnt, dass ihm der Sinn nach gar keiner anderen Nahrung mehr stand. Zu seinem größten Kummer besaß er kein Messer, womit er das Fleisch hätte zerschneiden können. Wenn er auf der Jagd war und seine Hunde etwas fingen, musste er solange warten, bis sie das Fleisch zerfetzt und genug gefressen hatten, damit er Stücke mit den Händen auseinander reißen konnte. Er aß mit solchem Appetit, als ob er in seinem Leben nichts anderes gegessen hätte.
Dieses Leben hatte er 14 Monate geführt, als er unversehens auf eine Gruppe Bukanier stieß. Als die ihn sahen, staunten sie, weil er sehr wild aussah, denn er hatte sich die ganze Zeit nicht geputzt und war sehr struppig, und alles hing ihm in Lumpen am Leibe, und er hatte auch ein Stück Fleisch auf dem Buckel hängen. Sie wollten ihn mitnehmen, und er sagte ihnen, wenn sie ihn von seinem Herrn befreien wollten, würde er mit ihnen gehen, sonst wollte er lieber weiter in seinem Elend leben. Das versprachen sie ihm, nahmen ihn mit und schossen ihm so viel Geld vor, dass er sich von seinem Herrn loskaufen konnte.
Ich war dabei, als man ihn brachte, und sah ihn mit Verwunderung an, denn er war wohlbeleibt und fett, ja gesünder als jemals zuvor. An das rohe Fleisch war er so gewöhnt, dass er kein gekochtes mehr essen wollte und auch nicht mehr vertragen konnte, denn sobald er welches gegessen und eine oder zwei Stunden bei sich behalten hatte, klagte er sehr über Magenweh und fand keine Ruhe, bis er es wieder auf dem Weg, wie er es gegessen hatte, von sich gegeben hatte. Wenn er aber rohes Fleisch aß, ging es ihm gut. Wir hielten ihn davon ab, so gut wir konnten, aber es ließ es doch nicht und aß es hinter unserem Rücken. Daran kann man sehen, was Gewohnheit ausmacht. Das weiß ich auch von wilden Hunden, dass sie, wenn sie über zwei Jahre alt sind, kein gekochtes Fleisch mehr fressen wollen.
Mit dieser Geschichte wollte ich die Grausamkeit und Unbarmherzigkeit der Bukanier gegen ihre Knechte zeigen. Auch ersieht man daraus, dass sich die menschliche Natur in der Not an alle Speisen gewöhnen kann. Ich glaube sogar, dass ein Mensch von Gras leben könnte wie die Tiere, wenn er nichts anderes hätte.
Die Bukanier werden immer wieder von den Spaniern ausgekundschaftet und um ihre Hälse gebracht. Allein aus Santo Domingo kamen fünf Kompanien Spanier an die Nordküste, um die Bukanier zu jagen (sie hofften insgeheim, sie möchten sie nicht finden), aber sie haben den Mut nicht, auf freiem Feld gegen sie zu kämpfen, sondern versuchen, sie im Schlaf zu überfallen und ihnen die Hälse zu brechen.
Die anderen Jäger tun nichts als wilde Schweine zu schießen, deren Fleisch sie einsalzen und den Pflanzern verkaufen. Ihre Art zu leben ist die gleiche, ihre Art zu jagen aber anders als hierzulande. Sie haben feste Orte, wo sie drei bis vier, manchmal wohl ein ganzes Jahr bleiben, und diese Orte nennen sie Boukan. Sie sind meistens zu Fünfen oder Sechsen beieinander, wenn nicht einzelne Jäger, was üblich ist, mit einem Pflanzer vereinbaren, sein Haus das ganze Jahr mit Fleisch zu versorgen. Dafür bekommt er zwei- bis dreitausend Pfund Tabak und einen Knecht, Pulver, Blei und Hunde; alles andere, was der Jäger braucht, muss er sich selbst beschaffen. Dazu kommt noch, dass, wenn sie morgens Schweine gefangen haben, am Nachmittag Pferde schießen, deren Fett sie zu Lampenöl schmelzen und für hundert Pfund Tabak verkaufen. Dann haben sie noch den Gewinn, wenn sie die Hunde verkaufen, die sie aufgezogen haben, und das Geld in ihren Beutel stecken. Jeder Hund, der zur Jagd geeignet ist, kostet den festen Preis von sechs Stücken von Achten. Die anderen, die nicht an Pflanzer gebunden sind, gehen zu mehreren; einer trägt die Gewehre, ein anderer führt die Hunde und so fort. Einer aber bleibt an dem Platz, den sie Boukan nennen, ihr Hab und Gut zu verwalten und das Fleisch zu einzusalzen, zu räuchern und zu kochen, bis die anderen von der Jagd kommen. Sie töten überaus viel Wild. Manchmal erlegen sie wohl 13 bis 14 Schweine, von denen sie sieben oder acht nicht nehmen, da sie die Sauen lieber haben als die Eber, weil sie besser sind, es sei denn, es geht um ein besonderes Schwein, das seine Nahrung allein sucht und häufig Menschen und Hunden großen Schaden zufügt, wenn man nicht vorsichtig ist. Man muss sich gut vorsehen und sich bei Bäumen aufhalten, damit man einem Wildschwein entgehen kann, wenn es nur verwundet ist. Wenn sie einmal vorbeigelaufen sind, kehren sie nicht wieder um, sondern laufen geradeaus weiter.
Wenn die Männer von der Jagd kommen, häutet jeder seine Schweine, löst die Knochen vom Fleisch und schneidet das Fleisch in Streifen von einer Elle Länge, manchmal auch kürzer. Dann wird es mit Salz bestreut, drei bis vier Stunden darin liegen gelassen, an Stecken aufgehängt (wie man Kerzen aufzuhängen und zu trocken pflegt), und zwar in einer Hütte, die abgedichtet ist und worunter Feuer gemacht wird. Es wird hart und trocken geräuchert und dann verpackt.
Wenn sie 2.000 oder 3.000 Pfund Fleisch beieinander haben, bringt einer von ihnen es zu den Pflanzern zum Verkauf. Für jedes Pfund Fleisch bekommen sie zwei Pfund Tabak.
Da ich nun das Leben der Bukanier oder Stier- und Schweinejäger beschrieben habe, wird es sich nicht übel fügen, dem geneigten Leser auch das Tun und Leben der Pflanzer nahezubringen.
Um das Jahr 1598 fingen die ersten Pflanzer an, die Insel Tortuga zu bebauen. Die erste Frucht ist Tabak gewesen, der dort überaus gut gedieh. Da die Insel aber sehr klein ist und es wenig Ackerland gibt, haben sie nicht viel Feldbau machen können. Man wollte auch Zucker anbauen, aber es gab niemanden, der die Kosten übernehmen konnte, die für die Zuckermacherei entstehen. Also musste sich denn der größte Teil der Einwohner auf Jagd und Kaperei verlegen. Als dann die Jagd nicht mehr so einträglich war, entschlossen sich viele, Pflanzer zu werden, und suchten sich auf Hispaniola die besten Plätze zum Tabakbau. Zuerst wählten sie dazu eine an der Nordwestseite der Insel gelegene Bucht, der Culsack [Cul-de-sac bei Port-au-Prince], wo sie die Pflanzungen La Grande Amee, Niepe, Le Rochelois, Le Petit Garve, Le Grand Garve und Le Auganne gegründet haben. Die sind mit der Zeit so stark gewachsen, dass sie jetzt mehr als 2.000 Menschen stark sind. Sie sind frei von den Spaniern, die sie nicht erreichen können. Zuerst haben sie große Mühe und Ungemach gehabt, das Land zu bebauen, denn neben der Feldarbeit hatten sie kaum Zeit für die Nahrungssuche. Aber der Busch, in dem sich ihre Pflanzungen befanden, war voller Wildschweine, die damals, wie auch heute noch, ihr hauptsächliches Lebensmittel sind.
Wenn die Pflanzer anfangen das Land zu bebauen, teilen sie es in einzelne Bezirke ein, die voneinander abgesondert sind. Sie beginnen den Feldbau mit geringen Mitteln; jeweils zwei oder drei schließen sich zu einer Kompanie zusammen und kaufen gemeinsam die nötigen Geräte wie Beile, Hauen, Schaufeln, Messer, Hackmesser und dergleichen und kaufen einen Vorrat von 500 bis 600 Pfund, auch Bohnen von der Art, die bei den Holländern Fagioli heißen. Dann gehen sie in den Busch und bauen dort eine Hütte aus Baumästen, in er sie wohnen, bis sie es besser haben können. Als erste Arbeit hacken sie das niedrige Gebüsch ab und tragen es zu Haufen zusammen, dann fällen sie auch die hohen Bäume; die Äste verbrennen sie mit den Büschen, wenn sie getrocknet sind, die Stämme lassen sie liegen. Als erstes pflanzen sie die oben genannten Bohnen, die innerhalb von sechs Wochen reifen. Dann pflanzen sie eine Art Wurzeln, die man Patatas [oder Batata, Süßkartoffel] nennt, und Maniok. Danach säen sie Korn als Lebensmittel. Die Patatas brauchen fünf Monate bis zur Reife. Der Maniok braucht acht oder neun Monate, öfters auch ein ganzes Jahr, bis er genießbar ist. Man kann den Maniok noch ein weiteres Jahr in der Erde lassen, ehe er verdirbt. Von diesen drei Gewächsen müssen sich die Pflanzer ernähren. Die Bohnen werden mit Fleisch gekocht oder mit Eiern als Gericht bereitet. Die Patatas kocht man zum Frühstück in einem großen Kessel mit wenig Wasser, der mit einem Tuch zugedeckt ist; sie sind nach einer halben Stunde so trocken wie Kastanien, doch werden sie mit Butter und einer Soße aus Zitronensaft, Schweineschmalz und spanischem Pfeffer gegessen. Aus den gekochten Patatas macht man auch ein Getränk auf folgende Weise: sie werden in ein Gefäß geschnitten, Wasser darüber gegossen, dann werden sie durch ein Tuch abgeseiht und zwei Tage stehen gelassen. Dann beginnen sie zu gären und bekommen einen säuerlichen Geschmack, der nicht unangenehm, sondern sehr gut ist. Nahrhaft ist es auch. Dieses Getränk wird Maby genannt; von den Indianern haben sie die Zubereitung gelernt.
Aus Maniok wird Brot gebacken, das dort Kassawa genannt wird. Es wird so gemacht: Auf kupfernen oder blechernen Reibeisen wird der Maniok gerieben, wie man es bei uns mit dem Meerrettich tut. Die Masse wird in Säcke von grobem Tuch gegeben und das Wasser herausgedrückt, bis sie ganz trocken ist. Dann wird sie gesiebt und gleicht hölzernen Sägespänen. Die Masse kommt auf ein heißes Eisenblech und gleicht dann einem Kuchen, der auf den Hütten in der Sonne getrocknet wird. Daher mag wohl das Sprichwort rühren, dass jemand daher kommt, wo die Häuser mit Pfannkuchen gedeckt sind. Und damit nichts umkommt, pflegen sie von den groben Resten im Sieb Küchlein zu backen, fünf bis sechs Daumen dick, aus denen sie ein Getränk machen, den sie Wycou nennen. Dieses ist wie Bier von gutem Geschmack und sehr nahrhaft. Sie haben auch verschiedene Baumfrüchte, wie die Bananen und chinesische Feigen [Plantains, Kochbananen], deren Fleisch sie kochen und mit Wasser ein Getränk daraus machen auf die gleiche Weise wie mit den Patatas. Dies Getränk ist stark wie Wein, und wenn man zu viel davon trinkt, ist man nicht nur betrunken, sondern bekommt auch großes Kopfweh.
Wenn nun die Äcker mit Wurzeln und anderen Gewächsen bepflanzt sind, die zur Nahrung dienen, beginnen sie das Land für das Pflanzen des Tabaks herzurichten. Er wird so gepflanzt: Zuerst wird eine Stelle von ungefähr 12 Schuh im Quadrat gerodet, rundum geschlossen und so mit Palmwedeln bedeckt, dass der Boden von der Sonne nicht beschienen wird. Darein wird der Tabak gesät und jeden Abend mit Wasser besprengt, wenn es nicht regnet, und wenn der Tabak so groß ist wie ein Salatkopf, wird er in Reihen drei Schuh weit voneinander umgepflanzt. Die Zeit dafür ist von Januar bis Ende März, denn das ist die Regenzeit und die beste Pflanzzeit. Die Stelle, wo Tabak wachsen soll, muss von allerlei Unkraut gereinigt sein, denn der Tabak will kein anderes Kraut neben sich dulden. Wenn er ungefähr anderthalb Schuh hoch gewachsen ist, schneiden sie die oberen Spitzen ab, damit er nicht weiter wächst, sondern alle Kraft in die Blätter geht. Während der Tabak wächst, werden die Häuser vorbereitet, in denen er getrocknet wird. Sie sind 50 bis 60 Schuh lang und 30 oder 40 breit und mit Stangen versehen, die auf Balken liegen; darauf wird der Tabak getrocknet. Wenn er ausgewachsen ist, wird er geschnitten und in diesen Häusern aufgehängt. Wenn er getrocknet ist, wird er von bestimmten Leuten, die nichts anderes tun, von den Stängeln befreit und gerollt. Sie bekommen als Lohn den zehnten Teil des gerollten Tabaks.
Wenn der Tabak geerntet ist, wächst aus dem Strunk eine neue, genau so gute Pflanze, und so geht das vier Mal im Jahr. Dieser Tabak wird nach Frankreich und in andere Länder gebracht und meist als Kautabak oder zum Färben verwendet.
Bis heute stehen die französischen Pflanzer auf der Insel Hispaniola unter der Herrschaft des Gouverneurs von Tortuga, jedoch nicht ohne Unlust und Widerstreben. Die Kolonie der Französisch-Westindischen Kompanie erstreckte sich seit 1664 auch auf die Pflanzungen von Hispaniola. Da diese aber in einem Land lagen, das weder dem König noch der Kompanie gehörte, wollten sie sich nicht unter das Joch bringen lassen. Also beschlossen sie, lieber nichts mehr zu tun, als unter der Kompanie Botmäßigkeit zu leben. Da die Kompanie nun einsah, dass es keinen Vorteil, sondern nur Schaden geben würde, verließ sie die Insel wieder. Der Gouverneur von Tortuga, der bei den Pflanzern gut gelitten war, glaubte bessere Methoden als die Kompanie zu kennen, sich die Pflanzer gehorsam zu machen. Er machte ihnen weis, er könne ihnen die Waren, welche sie benötigten, billiger verkaufen als die fremden Kauffahrer. Er versprach ihnen auch, aus Freundschaft für sie durchzusetzen, dass französische Schiffe sie viermal im Jahr mit frischer Ware versorgten. Nachdem er die Vornehmsten so auf seine Seite gebracht hatte, hatten alle Übrigen das Nachsehen: Sie mussten bitten und betteln, wenn sie auch nur eine Elle Leinwand haben wollten, und hatten keine Möglichkeit ihre Güter anders zu verkaufen. Denn alle Schiffe waren für den Gouverneur bestimmt, auch war er an den Geschäften der Kapitäne beteiligt. Seine Waren wurden immer als erste verladen, danach die seiner Freunde, und war dann noch Platz, so durfte man ihn nur mit seiner Genehmigung nutzen.
Unterdessen erhielten die Pflanzer im Jahr 1669 die Nachricht, dass an der Küste von Hispaniola zwei holländische Schiffe angekommen seien. Sie beschlossen nun, den Holländern ihre Waren zu verkaufen und dem Gouverneur damit ein Schnippchen zu schlagen, was ihnen auch gelang. Der Gouverneur kam zwar darauf mit seinem Schiff, doch verboten sie ihm die Landung und gaben Feuer auf ihn, so dass er gezwungen war, nach Tortuga zurückzukehren. So konnte er seine Schiffe nur zur Hälfte beladen nach Frankreich senden. Die holländischen Schiffe nahmen die Güter der Pflanzer zu einem guten Preis ab. Die Freunde und Offiziere des Gouverneurs wollten zwar diesen Handel verbieten, mussten aber schweigen, wollten sie nicht ihre Hälse gebrochen sehen. So fuhren die holländischen Schiffe mit einer vollen Ladung an Häuten und Tabak ab und versprachen, bald wieder zu kommen, was sie auch sicher getan hätten, wenn der Krieg [Frankreich unter Ludwig XIV. kämpfte gegen Spanien und damit auch gegen den Teil der Niederlande, der noch zu Spanien gehörte] es nicht verhindert hätte. Die Pflanzer waren über das Verhalten des Gouverneurs so erbittert, dass sie eine Versammlung abhielten (jedes Haus stellte dazu einen Mann ab) und den Beschluss fassten, mit Kanonen nach Tortuga überzusetzen und dem Gouverneur den Hals zu brechen. Dies beschlossen sie in der Hoffnung auf die Hilfe der Holländer, die sie, wie ich glaube, auch erlangt hätten, wäre nicht der Krieg dazwischengekommen.
In der Zwischenzeit hatte der Gouverneur von Tortuga den König von Frankreich durch einen Boten in Kenntnis gesetzt, dass die Aufrührer es leicht erreichen könnten (denn er stellte alles ganz anders dar, als es wirklich war), dass alle Inseln von ihm abfielen. So sandte der König zwei Kriegsschiffe zum Schutz der Insel Tortuga. Als die Schiffe angelangt waren, begann man auf die Rebellen loszugehen, um sie wieder zum Gehorsam zu bringen. Anstatt sich aber gehorsam zu zeigen, flüchteten die Männer beim Anblick der Kriegsschiffe in den Busch, worauf ihre Häuser von den Soldaten in Brand gesteckt wurden. Der Gouverneur ließ sie milde behandeln, und weil die Pflanzer sahen, dass sie von niemandem Hilfe zu erwarten hatten, begaben sie sich zu gewissen Bedingungen wieder in die Gewalt des Gouverneurs. Dieser ließ aber trotzdem ein oder zwei Rädelsführer aufhängen, begnadigte jedoch alle anderen und gestattete den Pflanzern, nach eigenem Belieben mit allen Nationen Handel zu treiben. Nun pflanzen sie also wieder Tabak und liefern davon jährlich 25.000 bis 30.000 Rollen.
Die Pflanzer haben nur wenige Sklaven, doch arbeiten sie mit Knechten, die ihnen für den Zeitraum von drei Jahren verpflichtet sind; mit diesen Knechten treiben sie untereinander Handel, wie man es in Europa mit den Pferden zu tun pflegt. Manche machen sogar ein Geschäft daraus: Sie fahren nach Frankreich, wo sie in Städten und Dörfern mit großen Versprechungen Leute anwerben. Kaum sind sie angekommen, werden sie verkauft und müssen wie Pferde arbeiten, ja, sie werden schlimmer behandelt als die Neger oder Schwarzen. Denn die Pflanzer sagen, einen Schwarzen müsse man mehr schonen als einen Weißen, da ihnen ein Schwarzer sein Leben lang dienen muss, ein Weißer aber nur kurze Zeit. Deshalb behandeln sie ihre Knechte ebenso schlecht wie die Bukanier und haben kein Mitleid. Ob sie krank sind oder nicht, sie müssen in der größten Sonnenhitze arbeiten, was oft unerträglich ist, und der Rücken dieser Knechte ist von häufigem Sonnenbrand wie eine Birkenrinde und oft wie ein wunder Pferderücken voller Grind. Auch sind sie wegen der unverdaulichen Speisen und Veränderung der Luft verschiedenen Seuchen unterworfen. Sie werden schwach, wassersüchtig und kurz von Atem. Sie nennen das Übel »mal d'estomac« und führen es auf die schlechte Nahrung und die bösartige Behandlung zurück. Es kommen oftmals Söhne aus gutem Hause, verleitet durch die Seelenhändler, und wenn sie in solches Elend geraten, werden sie bald krank und bekommen die Seuche. Doch werden sie deshalb nicht geschont und bekommen keine Hilfe, sondern mit Schlägen werden sie zur Arbeit angetrieben, dass sie oft tot umfallen. Dann heißt es von den unbarmherzigen Pflanzern, dieser Schelm wollte lieber sterben als arbeiten. Oft habe ich dergleichen mit großer Betrübnis hören und mit ansehen müssen.
Die Engländer traktieren ihre Knechte nicht besser, sondern wohl noch schlimmer, denn sie halten sie normalerweise sieben Jahre lang in ihren Diensten. Haben sie sechs Jahre gedient, werden sie so misshandelt, wie es härter nicht geschehen kann. Dadurch zwingt man sie, ihren Meister zu bitten, er möge sie weiterverkaufen – was ihnen freilich nicht verweigert wird. Nun werden sie auf weitere sieben oder zumindest drei Jahre verkauft. So gibt es viele, die fünfzehn, zwanzig, ja sogar achtundzwanzig Jahre Sklaven gewesen sind. Die meisten freilich sind einfältig genug, sich selbst für eine gute Mahlzeit auf ein ganzes Jahr zu verkaufen. Die Engländer leben auf diesen Inseln nach einem sehr strengen Gesetz. Schuldet nämlich einer von ihnen einem seiner Landsleute eine Summe, die größer als fünfundzwanzig englische Shillings ist, und kann er seine Schulden nicht begleichen, so wird er für sechs oder zwölf Monate als Sklave verkauft.
Exquemelin, Alexandre Olivier
Die americanische See-Räuber …
Nürnberg 1679