1568 - John Hawkins
Die Schlacht von San Juan de Ulúa
Veracruz
Am 16. September erreichten wir den Hafen von San Juan de Ulúa. Da die Spanier bei unserem Einlaufen dachten, wir wären die spanische Flotte, kamen die ranghöchsten Offiziere zu uns an Bord; sie waren sehr erschrocken, als sie ihren Irrtum feststellten. Aber sobald sie merkten, dass wir nur Proviant wollten, waren sie beruhigt. Ich sah in diesem Hafen zwölf Schiffe, von denen es hieß, sie hätten zweihunderttausend Pfund in Gold und Silber an Bord. Alles, was in meinem Besitz war, auch die Passagiere, die mir in den Weg gekommen und bei mir geblieben waren [sie waren als Geiseln gedacht], gab ich frei, ohne auch nur das Geringste dafür zu nehmen. Damit ich nur schnell wieder absegeln konnte, behielt ich zwei Männer von Rang und sandte sofort Nachricht an die Präsidenten und den Rat in Mexiko, das zweihundert Meilen entfernt ist, um anzuzeigen, dass wir nur wegen des schlechten Wetters eingelaufen seien, um unsere Schiffe zu reparieren und Lebensmittel einzunehmen; wir bäten, als Freunde von König Philipp [II. von Spanien] gegen Bezahlung versorgt zu werden; und dass die Präsidenten und der Rat mit aller gebotenen Eile Befehl geben sollten, damit bei Ankunft der spanischen Flotte, die täglich erwartet wurde, kein Streit entstünde zwischen ihnen und uns. Ihre dementsprechenden Befehle würden der Aufrechterhaltung der Freundschaft dienen. Diese Botschaft wurde am Abend des sechzehnten September abgeschickt, dem Tag unserer Ankunft. Am nächsten Morgen, dem siebzehnten, sahen wir vor dem Hafen dreizehn große Schiffe; da ich hörte, das sei die spanische Flotte, informierte ich sofort den Admiral dieser Flotte von meiner Anwesenheit und gab ihm zu verstehen, dass, bevor ich ihre Einfahrt in den Hafen zuließe, Vereinbarungen für unseren sicheren Aufenthalt und die Aufrechterhaltung des Friedens getroffen werden müssten.
Nun muss man wissen, dass dieser Hafen aus einer kleinen Insel aus lauter Steinen besteht, die an ihrer höchsten Stelle nicht mal drei Fuß aus dem Wasser ragt und im Durchmesser nirgends größer ist als eine Bogenschusslänge. Diese Insel liegt zwei Bogenschüsse oder etwas mehr vom Festland entfernt. Man muss auch wissen, dass es an der ganzen Küste keinen anderen sicheren Landeplatz gibt, weil der Nordwind dort so gewaltig bläst, dass den Schiffen, wenn sie nicht sehr sicher an dieser Insel festgemacht haben, keine andere Möglichkeit bleibt als der Tod. Und der Hafen ist so klein, dass die Schiffe nur Bordwand an Bordwand liegen können. So konnten wir einander keinen Raum geben. Und hier begannen meine Befürchtungen, die später auch eintraten, denn ich war doppelt in Gefahr, und einer musste ich mich stellen. Entweder musste ich die Flotte daran hindern, in den Hafen einzulaufen, wozu ich mit Gottes Hilfe durchaus in der Lage war, oder ich musste zulassen, dass sie unter ihren üblichen betrügerischen Machenschaften einliefen, die sie niemals unterlassen, wenn sich die Möglichkeit dazu bietet. Sie am Einlaufen zu hindern, bedeutete Schiffbruch für die ganze Flotte, die etwa sechs Millionen wert war, etwa 1,8 Millionen Pfund in unserer Währung. Das konnte ich nach meiner Meinung nicht verantworten, denn ich fürchtete die Ungnade Ihrer Majestät der Königin [Elizabeth I. von England] in einer so wichtigen Angelegenheit. So im Zweifel, hielt ich es aber für besser, eine nur mögliche Gefahr einer sicher bestehenden vorzuziehen. Die mögliche Gefahr war der Verrat der Spanier. Ich hoffte, einem Verrat mit guten Vorkehrungen meinerseits zuvorzukommen, und nahm deshalb das kleinere Übel an und Verhandlungen auf.
Inzwischen war unser erster Bote von der Flotte mit der Nachricht zurückgekehrt, der Vizekönig sei angekommen. Der Vizekönig hat die Macht über die Provinz Mexiko, auch Neu-Spanien genannt, wie auch über das Meer. Er ließ uns ausrichten, wir sollten unsere Bedingungen nennen, die von seiner Seite zur Aufrechterhaltung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Königen großzügig gewährt und ehrlich beachtet würden. Er gebrauchte viele schöne Worte über unsere Fahrten in Westindien, und er habe gehört, wir hätten uns den Einwohnern gegenüber ehrenhaft verhalten, wenn wir auf welche trafen, sowohl anderswo als auch in der Stadt, die ich lieber nicht nennen will. Wir verlangten Proviant entsprechend unseren Bedürfnissen gegen Bezahlung und die Genehmigung, Handel nach Bedarf treiben zu dürfen. Darüber hinaus sollten von jeder Seite zwölf Geiseln als Pfand für den Frieden gestellt werden; und die Insel sollte zu unserer Sicherheit während unseres Aufenthaltes nur von uns besetzt sein, ebenso wie die elf ehernen Geschütze, die auf der Insel waren; und kein Spanier dürfe bewaffnet die Insel betreten. Die Bedingungen gefielen ihm zunächst nicht, vor allen Dingen, dass die Insel uns gehören sollte. Wenn die Spanier sie gehabt hätten, hätten wir schnell gemerkt, was sie vorhatten: Mit dem ersten Nordwind hätten sie unsere Leinen gekappt und unsere Schiffe wären auf Land getrieben worden. Aber schließlich erklärte er sich mit unseren Bedingungen einverstanden; die Zahl der Geisel wurde auf zehn herabgesetzt; sie wurden in aller Eile ausgetauscht. Mit einem gesiegelten Handschreiben des Vizekönigs wurden die Bedingungen bestätigt und wir ließen die Trompete blasen und verkünden, dass bei Todesstrafe keine der Parteien den Frieden brechen dürfe. Und die beiden Admirale sollten zusammenkommen, um sich die Einhaltung des Abkommens zuzusichern; und so geschah es auch.
So schien nach drei Tagen alles geregelt, und die spanische Flotte lief in den Hafen ein; wie es auf See Brauch ist, unter gegenseitigem Salut. Wie schon gesagt, am Donnerstag liefen wir in den Hafen ein, Freitag sichteten wir die spanische Flotte und Montagabend lief sie in den Hafen ein. Es waren zwei mühsame Tage, bis die englischen und die spanischen Schiffe voneinander getrennt festgemacht hatten. Offiziere und Mannschaften beider Parteien versicherten sich gegenseitig ihrer großen Freundschaft; von unserer Seite war das ehrlich gemeint, aber die Spanier holten sich vom Festland tausend Mann Verstärkung und wollten uns am Donnerstag, dem dreiundzwanzigsten September, zur Essenszeit von allen Seiten angreifen.
Am Donnerstagmorgen war klar, dass ein Angriff bevorstand. Waffen wurden von Schiff zu Schiff verbracht, sie richteten ihre Geschütze auf die Insel, auf der unsere Leute Wache gingen, mehr Leute wurden hin- und hergeschickt, als üblicherweise zu erwarten gewesen wäre, und es gab andere böse Anzeichen, die uns sehr verdächtig vorkamen. So schickten wir einen Boten zum Vizekönig, um zu fragen, was beabsichtigt sei. Dieser gab sofort Befehl, alle verdächtigen Aktionen rückgängig zu machen, und ließ uns mitteilen, dass er als Vizekönig uns gegen jeden Schuft verteidigen würde. Wir waren mit seiner Antwort aber nicht zufrieden, denn wir glaubten, dass sich eine große Anzahl Männer in einem Schiff von 900 Tonnen versteckt hielt, das der Minion am nächsten lag. So schickten wir den Kapitän der Jesus, der spanisch sprach, noch einmal zum Vizekönig und verlangten Auskunft darüber, ob dem so sei oder nicht. Der Vizekönig merkte jetzt, dass ihre Absichten bekannt waren, hielt unseren Kapitän gefangen, ließ die Trompete blasen, und die Spanier fielen von allen Seiten über uns her. Unsere Männer, die auf der Insel Wache hielten, bekamen es mit der Angst zu tun, gaben die Insel auf, flohen, und versuchten unsere Schiffe zu erreichen. Die Spanier aber, darauf wohl vorbereitet, kamen in großer Zahl von ihren Schiffen, was leicht ohne Boote möglich war, und erschlugen unsere Männer gnadenlos. Einige entkamen auf die Jesus. Das große Schiff, auf dem etwa 300 Mann versteckt waren, griff die Minion an; mit Gottes Hilfe war die Minion, sobald wir Verdacht geschöpft hatten (es war nur eine halbe Stunde vorher), zum Auslaufen vorbereitet worden. Wir kappten die Bugleinen, verholten sie mit den Hecktauen, und so kam sie frei. Es gelang uns mit Gottes Hilfe, den ersten Angriff der dreihundert Mann abzuwehren. Da die Minion entronnen war, kamen sie auf die Jesus, die wir jedoch mit viel Lärm und unter dem Verlust vieler Männer verteidigen konnten; der Feind wurde zurückgetrieben. Es gab noch zwei weitere Schiffe, die sie auch zur gleichen Zeit angriffen, so dass es schwierig war, sie loszubekommen, aber nach einiger Zeit hatten wir die Bugtaue gekappt und sie an den Hecktauen herausbekommen. Als nun die Jesus und die Minion etwa zwei Schiffslängen von der spanischen Flotte entfernt waren, wurde der Kampf so heiß auf allen Seiten, dass vermutlich innerhalb einer Stunde das Schiff des Admirals der Spanier versenkt war; das des Vizeadmirals war in Brand geschossen und ein anderes ihrer großen Schiffe wurde ebenfalls als gesunken betrachtet, so dass die Schiffe uns nicht mehr viel anhaben konnten.
Nun waren die Geschütze auf der Insel in den Händen der Spanier, was uns großes Ärgernis bereitete, denn die Masten und Rahen der Jesus wurden abgeschossen, so dass es keine Hoffnung auf Entkommen gab. Sie versenkten auch unsere kleinen Schiffe, worauf wir beschlossen, die Jesus an die Seite der Minion zu legen, die der Batterie zugewandt war; so konnte sie die Minion während der Nacht schützen. Wir wollten dann Proviant und andere Vorräte von der Jesus herüberschaffen, so viel die Zeit erlaubte, und sie dann aufgeben. Nachdem wir das beschlossen und die Minion vor den Schüssen von Land in Sicherheit gebracht hatten, kamen plötzlich zwei große Schiffe, von den Spaniern in Brand gesteckt, auf uns zu. Da wir keine Möglichkeit hatten, den Brandern zu entgehen, ergriff unsere Männer große Furcht. Die einen wollten mit der Minion weg, die anderen wollten abwarten, ob der Wind drehte und die Brander abtrieb. Aber, um es kurz zu machen, die Mannschaft der Minion, die die ganze Zeit die Segel bereit zum Auslaufen gehalten hatte, wollte sicher gehen und setzte die Segel, ohne dass Kapitän oder Steuermann dem zugestimmt hätte; ich konnte nur noch mit Mühe und Not an Bord der Minion gelangen.
Die meisten Männer, die auf der Jesus übrig waren, machten sich auf, der Minion in einem kleinen Boot zu folgen; die, die das kleine Boot nicht mehr an Bord nehmen konnte, mussten sich der Gnade der Spanier ergeben, ich glaubte aber nicht, dass es viel Gnade geben würde. So entkamen nur die Minion und die Judith, eine kleine Bark von 50 Tonnen; diese Bark verließ uns in der gleichen Nacht und ließ uns in unserem Elend zurück.
Wir waren jetzt zwei Bogenschüsse von den spanischen Schiffen entfernt und lagen dort die Nacht über. Am nächsten Morgen kamen wir zu einer Insel, etwa eine Meile von den Spaniern entfernt, wo wir auf Nordwind trafen. Da wir nur noch zwei Anker und zwei Ankertaue hatten (im Kampf hatten wir drei Taue und zwei Anker verloren), hatten wir den Tod vor Augen, aber Gott rettete uns dieses Mal.
Das Wetter wurde besser, und am Samstag setzten wir Segel. Da wir viele Männer waren, aber wenig zu essen hatten, schwand unsere Hoffnung auf Rettung mehr und mehr. Einige wollten sich den Spaniern ergeben, andere wollten einen Platz finden, wo man sich den Heiden ergeben könnte, wieder andere wollten lieber bei schmalen Rationen auf Gottes Gnade vertrauen und weitersegeln. Mit bedrückten Herzen segelten wir vierzehn Tage in einem unbekannten Meer, bis der Hunger uns zwang, Land aufzusuchen. Tiere mit Fell wurden als sehr gutes Fleisch betrachtet: Ratten, Katzen, Mäuse und Hunde, nichts, was gejagt wurde, entkam. Papageien und Affen wurden hoch geschätzt, wenn sie für eine Mahlzeit reichten.
So erreichten wir am achten Oktober endlich in der Höhe von dreiundzwanzigeinhalb Grad noch in der Bucht von Mexiko Land. Dort hofften wir, mit spanischen Bewohnern zusammenzutreffen, Proviant zu bekommen und einen Platz für die Reparatur unseres Schiffes, das durch den feindlichen Beschuss, aber auch durch unser eigenes Geschützfeuer derart beschädigt war, das unsere müden, arg geschwächten Arme kaum in der Lage waren, uns zu wehren und das Wasser draußen zu halten. Aber alles verkehrte sich ins Gegenteil: Wir fanden weder Menschen noch Lebensmittel, noch einen Hafen für die Reparatur; es gab nur eine Stelle, wo wir bei gutem Wetter mit einigem Risiko ein Boot landen konnten. Viele meiner Leute, vom Hunger getrieben, wollten an Land; ich gab meine Zustimmung.
Ich teilte die Mannschaft in zwei Gruppen, die, die an Land gehen wollten und die, die heimsegeln wollten; zu jeder Gruppe gehörten etwa hundert Mann. Die hundert, die bleiben wollten, wurden an dieser Stelle gelandet, wie es sich gehört; wir anderen wollten Trinkwasser fassen und mit dem kleinen Rest des verbliebenen Proviants wieder in See gehen.
Als ich am nächsten Tag mit fünfzig von unseren Leuten an Land gegangen war, damit das Wasser möglichst schnell an Bord kam, erhob sich ein so heftiger Sturm, dass wir drei Tage lang keine Möglichkeit hatten, an Bord zurückzukehren; das Schiff war in so großer Gefahr, dass wir stündlich mit Schiffbruch rechneten.
Doch Gott war uns wieder gnädig und schickte uns gutes Wetter. So fuhren wir, mit Frischwasser an Bord, am 16. Oktober los. Bis zum 16. November hatten wir gutes und günstiges Wetter. An diesem Tag, dem Herrn sei Lob und Dank, hatten wir die Küste Westindiens und den Kanal und Golf von Bahama passiert, der zwischen Kap Florida und den Lucayo Inseln [alter Name für die Bahamas] liegt.
Als wir uns den kälteren Gegenden näherten, starben immer wieder Männer vor Hunger, und die, die übrig blieben, waren so schwach, dass wir kaum noch das Schiff bedienen konnten. Und da der Wind die ganze Zeit für die Rückkehr nach England ungünstig war, entschlossen wir uns, Galizien in Spanien anzulaufen in der Absicht, Hilfe zu suchen. Nach der Ankunft am letzten Dezembertag in Ponte Vedra in der Nähe von Vigo wurden unsere Männer durch den übermäßigen Genus von frischem Fleisch schwer krank und viele starben. Dies wurde so lange wie möglich verheimlicht; niemand durfte mehr an Land, aber durch die Spanier, die zu uns kamen, wurde unser schlechter Zustand bekannt. Daraufhin hörten sie nicht etwa auf, uns zu betrügen, und so segelten wir so schnell wie möglich nach Vigo, wo wir von gewissen englischen Schiffen Hilfe und zwölf neue Leute bekamen. Damit konnten wir uns behelfen und segelten am 20. Januar 1569 ab und erreichten Mountsbay in Cornwall am 25. desselben Monats, Gott sei gepriesen.
Hakluyt, Richard (Hg.)
The Principal Navigations, Voiages, Traffiqves And Discoueries of the English Nation
3. Band; London 1600
Übersetzung: U. Keller
Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende in Mexiko
Wien 2003