1519-20 - Aztekischer Anonymus
Die weißen Eisenmänner
Es wird der Bericht erzählt, den dem Moctezuma die Gesandten abstatteten, die die Schiffe zu sehen gegangen waren. Und danach statteten sie Moctezuma Bericht ab; sie erzählten ihm von den wunderbaren Dingen (die sie gesehen und gehört), und sie zeigten ihm, wie ihre Speise war. (Das heißt, dass es den Gesandten besonders wunderbar gewesen, dass die Speise dieser Götter nicht Blut und Herzen waren.) Und als er hörte, wie ihm die Gesandten berichteten, fürchtete er sich sehr, erschrak, und sehr wunderte er sich über ihre Speise. Sehr entsetzte ihn ferner, als er hörte, wie herabfällt (erschallt) ihr Befehl, das Feuergeschütz, wie er donnert, der Schall, wenn er fällt, zum Ohnmächtigwerden, zum Taubwerden (zum Verschließen unserer Ohren). Und wenn (der Schuß) fällt, wie eine Kugel aus einem Bauch herauskommt, Feuer regnend, Funken sprühend, und sein Rauch, sehr stinkend, nach Schwefel stinkend, dass es einem den Kopf benimmt. Und wenn die Kugel einen Berg trifft, wie er da zusammenstürzt, in Trümmern liegt. Und wenn sie einen Baum trifft, so wird er zerpulvert, wie wenn einer etwas Unerhörtes vorführt, als wenn einer ihn fortgeblasen hätte. Lauter Eisen ist ihre Kriegstracht, in Eisen kleiden sie sich, mit Eisen bedecken sie ihren Kopf, aus Eisen besteht ihr Schwert, aus Eisen ihr Bogen, aus Eisen ihr Schild, aus Eisen ihre Lanze. Und ihre Hirsche (Pferde) tragen sie auf dem Rücken, dachhoch sind sie dadurch (an Gestalt). Und überall ist ihr Körper eingehüllt. Nur ihr Gesicht ist sichtbar, ganz weiß. Kalkgesichter sind es, gelbhaarige. Aber einige haben schwarzes Haar. Ihr Bart ist lang und ebenfalls gelb, sie haben gelbe Bärte. Einige sind kraus, gelockt, und ihre Speise [ist] wie Fürstenspeise, groß, weiß, nicht schwer, wie Spreu, wie Maisstengel, wie gemahlene Maisstengel (schmeckend), etwas süß, etwas honigsüß, nach Honig, nach Süßem schmeckend.
Und ihre Hunde, sehr groß, mit gefalteten Ohren, mit großen, hängenden Lefzen, mit feurigen, mit flammenden Augen, mit hellen, gelben Augen, mit eingezogenem Bauch, mit ausgekehltem Bauch, mit löffelförmigem Bauche; wenn ausgewachsen, wild, wie Unholde, immer keuchend, immer mit heraushängender Zunge, jaguarartig, gefleckt.
Und als dies Moctezuma hörte, fürchtete er sich sehr, er fiel fast in Ohnmacht, er war sehr bekümmert, in großer Angst.
Sie (die Spanier) brachen auf, um nach Mexiko zu kommen, in Haufen kommen sie, wie ein Strom kommen sie, den Staub wirbeln sie auf. Ihr Eisenstab, ihr Fledermausstab (Lanze) gleichsam ein Meer von Glanz; und ihr Eisenschwert wie Wasser (Wellen) hin und her gebogen; wie lauter Rasseln; ihr Eisenhemd (Panzer), ihr Eisenhelm. Und einige bestehen ganz und gar aus Eisen, sind Eisenmänner geworden, glänzen. Und ihre Hunde laufen voran, laufen vor ihnen her, stehen vor ihnen, liegen vor ihnen; sie kommen keuchend, der Geifer hängt ihnen (aus dem Mund) herab.
[Die von Moctezuma zum Empfang der auf Mexiko marschierenden Truppen entsandten Fürsten] schenkten ihm das Goldbanner, das Quetzalfederbanner und die goldenen Perlhalskette. Und als sie es ihnen gegeben hatten, lachten sie (die Spanier) über das ganze Gesicht, freuten sich sehr, wie Affen griffen sie nach dem Golde, ihr (ganzes Herz) richtete sich gleichsam darauf, ihr Herz war gleichsam blank, ihr Herz war gleichsam frisch (das heißt, sie freuten sich darüber). Denn danach dürsten sie sehr, verlangen (eigentlich schwellen) danach, hungern danach, suchen das Gold wie die Schweine, und die goldene Fahne schwenken sie hin und her, prüfen sie, wie sie (im Wind rauschend) gleichsam eine unverständliche Sprache spricht, was sie in unverständlicher Sprache spricht.
Seler-Sachs, Cäcilie (Hg.)
Einige Kapitel aus dem Geschichtswerk des Fray Bernardino de Sahagun, aus dem Aztekischen übersetzt von Edmund Seler
Stuttgart 1927
Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende in Mexiko
Wien 2003