Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1519-1520 - Hernan Cortés
Die Pracht von Tenochtitlán
Mexico City

Bevor ich nun aber anfange, von dieser großen Stadt und anderen Einzelheiten zu berichten, scheint es mir, dass zum besseren Verständnis vorab etwas über die örtliche Lage des Landes Mexiko gesagt werden muss, wo diese große Stadt nebst einigen anderen und zugleich die größte Herrlichkeit dieses Moctezuma sich befindet. Es ist nun diese besagte Provinz rund und ganz umgeben von hohem und rauem Gebirge; und das in der Mitte liegende Tal hat etwa siebzig Leguas [1 Land-Legua entspricht etwa 5,5 km] im Umkreis; und im besagten Tal sind zwei Landseen, welche es beinahe völlig einnehmen, denn ein Umkreis von fünfzig Leguas wird in Kähnen beschifft. Und eine dieser beiden Lagunen ist von süßem Wasser, die andere, größere, aber von Salzwasser. Beide sind an einer Seite durch eine kleine Kette sehr hoher, mitten im Tal befindlicher Hügel voneinander getrennt, vereinigen sich aber endlich wieder in einem engen Tale, welches zwischen diesen Hügeln und dem Hochgebirge sich erstreckt, und etwa einen Armbrustschuss weit breit sein mag; und zwischen beiden Lagunen und den daran gelegenen Städten und anderen Ortschaften verkehren die Leute in Kähnen zu Wasser, ohne eines Landweges zu bedürfen. Und weil die große, salzige Lagune steigt und fällt in regelmäßiger Flut und Ebbe wie das Meer, so treten bei jeder Flut ihre Gewässer zu der anderen, süßen hinüber wie ein gewaltiger Strom, und folglich bei jeder Ebbe die süße zur salzigen.
   Die Hauptstadt Tenochtitlán liegt in diesem salzigen Landsee, und von jedem Punkte des Festlandes bis zu besagter Stadt, von welcher Seite man auch kommen möge, sind es allemal zwei Leguas. Sie hat vier Eingänge, alle über Steindämme zugänglich, die von Menschenhand gemacht und etwa zwei Reiterlanzen breit sind. Die Stadt ist so groß wie Sevilla und Córdoba. Ihre Straßen – ich rede hier von den Hauptstraßen – sind sehr breit und sehr gerade, einige sind zur Hälfte fester Boden, zur anderen Hälfte aber Wasser, auf dem die Boote fahren; und alle Straßen sind in größeren Zwischenräumen durchschnitten, so dass zwischen ihnen eine Wasserverbindung besteht; und alle diese Durchschnitte, wovon einige sehr breit sind, haben ihre Brücken aus starken, zusammengefügten Balken sehr wohl verfertigt, so dass zehn Reiter in Front hinüberziehen können. Und da ich einsah, dass die Eingeborenen dieser Stadt, wenn sie Verrat gegen uns üben wollten, nur die Brücken abzuwerfen brauchten, um uns Hungers sterben zu lassen, ohne dass es uns möglich gewesen wäre, ans Festland zu gelangen, so ließ ich gleich nach unserem Einmarsch in großer Eile vier Brigantinen bauen und bekam sie in sehr kurzer Zeit fertig, so dass damit, sooft es uns gefiel, dreihundert Mann und alle Pferde zum Festland übergesetzt werden konnten.
   Die Stadt hat viele öffentliche Plätze, auf denen ständig Markt gehalten wird. Dann hat sie auch einen anderen öffentlichen Platz, so groß wie zweimal ganz Salamanca, ganz in der Runde mit Säulenhallen umgeben, wo sich täglich mehr als sechzigtausend Einwohner einfinden, Käufer und Verkäufer von Lebensmitteln, von Kleinodien aus Gold und Silber, Blech, Messing, Knochen, Muscheln, Hummerschalen und Federn. Auch verkauft man Werksteine, behauene und unbehauene, Kalk- und Ziegelsteine, Bauholz, zugerichtet und roh, in allerlei Formen. Auch ist da eine Jägerstraße, wo alle Vogelarten feilgehalten werden, die das Land erzeugt: Hühner, Rebhühner, Wachteln, wilde Enten, Fliegenschnäpper, Wasserhühner, Turteltauben, Holztauben, kleine Rohrvögelein, Papageien, Geier, Adler, Falken, Sperber und Weihen; und von einigen dieser Raubvögel verkauft man auch die Bälge mit Gefieder, Kopf, Schnabel und Klauen daran. Man verkauft Kaninchen, Hasen, Hirsche und kleine Hunde, die verschnitten und gemästet worden sind. Es gibt eine Gärtnerstraße, wo alle im Lande erzeugten hellkräftigen Wurzeln und Kräuter beisammen sind. Es gibt Häuser wie Apotheken, in denen man bereitete Arzneien verkauft, sowohl Tränke als Salben und Pflaster; es gibt Häuser wie Barbierstuben, wo die Köpfe gewaschen und geschoren werden. Es gibt Häuser, wo man für Geld essen und trinken kann. Es gibt Leute wie die, die man in Kastilien Ganapanes nennt, zum Lastentragen. Man verkauft viel Holz, Kohlen, tönerne Kohlenpfannen und Matten von sehr verschiedener Art, teils Schlafmatten, teils feinere als Sitz- oder Fußdecken.
   Es gibt alle Arten von Gartengewächsen, besonders Zwiebeln, Porree, Knoblauch, Brunnenkresse, Borretsch, Sauerampfer, Karden und Artischocken. Es gibt Früchte vielerlei Art, darunter auch Kirschen und Pflaumen, den spanischen ähnlich. Man verkauft Bienenhonig und Wachs, auch einen Sirup aus der Maisstaude, honigartig und süß wie der des Zuckerrohrs; auch den süßen Saft einer Pflanze (Agave), den man Maguey nennt, und er ist besser als eingemachter Most (Pulque); und aus derselben Pflanze bereitet man Zucker und Wein und verkauft beides. Auch steht mannigfaltiges Baumwollengespinst in allen Farben zum Verkauf – man glaubt sich auf den Seidenmarkt von Granada versetzt. Man verkauft Malerfarben, so viele, wie es nur in Spanien gibt, und von so vortrefflicher Schattierung wie irgendwo. Man verkauft Wildhäute mit und ohne Haar, weiß und verschiedenfarbig gefärbt; man verkauft viel Fayence und von ganz vorzüglicher Güte; man verkauft irdenes Geschirr, großes und kleines, Krüge und Töpfe und Fliesen, und andere unendliche Arten von Töpferwaren, alle aus einem ganz besonderen Ton verfertigt, und alle oder doch die meisten glasiert und bemalt. Man verkauft Mais in Körnern und Broten, und er übertrifft an Körnerfülle wie an Geschmack den aller übrigen Inseln und Festländer. Man verkauft Pasteten von Geflügel und Torten. Man verkauft viele frische und gesalzene Fische, roh und zubereitet. Man verkauft Eier von Hühnern, Enten und all den anderen Vögeln, die ich genannt habe, in großer Menge; auch Kuchen aus Eiern gebacken. Kurz, man verkauft auf diesen Märkten alles, was sich irgend auf der ganzen Erde findet. Ich will nicht alles aufzählen, um nicht zu weitschweifig zu werden. Jede Warengattung hat ihre besondere Straße, und es wird darin scharfe Ordnung gehalten. Alles wird nach Zahl und Maß verkauft, aber nach Gewicht bis jetzt noch nicht.
   Auf dem Marktplatz steht ein schönes Haus, wie ein Rathaus, wo stets zehn bis zwölf Personen sitzen, die Richter sind, und die alle auf dem Markt vorkommenden Fälle entscheiden und die Verbrecher bestrafen lassen. Dann gibt es noch andere Personen auf dem Markt, die beständig unter dem Volk umhergehen und auf alles Acht geben, was verkauft wird, und auf das Maß, womit man verkauft; und einiges habe ich sie zerbrechen sehen, weil es für falsch befunden wurde.
   Es gibt in dieser großen Stadt viele Moscheen oder Götzentempel von sehr schöner Bauart für die verschiedenen Stadtteile; und in den vornehmsten befinden sich religiöse Personen von ihrer Sekte, die beständig darin wohnen, und für die neben dem Raum für die Götzenbilder schöne Zimmer eingerichtet sind. Alle diese Religiösen gehen schwarz gekleidet und schneiden weder ihr Haar noch kämmen sie es, bis sie wieder herauskommen. Alle Söhne angesehener Familien, sowohl des Herren- wie des ehrbaren Bürgerstandes, treten in diesen Religionsberuf ein und tragen dessen Tracht vom siebten oder achten Jahre an, bis man sie wieder herausnimmt, um sie zu verheiraten; und dies begibt sich mehr bei den Erstgeborenen, denen die Erbschaft der Häuser zusteht, als bei den anderen. Keine Gemeinschaft mit Weibern ist ihnen gestattet, und kein Weib darf die besagten gottesdienstlichen Häuser betreten. Sie enthalten sich des Genusses gewisser Lebensmittel, und zwar vorzugsweise zu gewissen Jahreszeiten.
   Unter diesen Moscheen gibt es eine, die die vornehmste ist, deren Größe und Einzelheiten keine menschliche Zunge zu beschreiben vermag, denn sie ist so groß, dass innerhalb der hohen Mauern eine Stadt für 500 Einwohner gebaut werden könnte. Im Inneren hat sie sehr anständige Zimmer, Säle und Korridore, wo die Religiösen wohnen und sich aufhalten. Man findet dort auch wohl vierzig Türme, sehr hoch und wohl gearbeitet, in deren größtem man fünfzig Stufen hinaufsteigt, und der Hauptturm ist höher als der Turm der Kathedrale von Sevilla. Die Türme sind in Mauer- wie in Holzwerk so gut gearbeitet, dass sie nirgends besser gemacht werden können; die ganzen Mauerarbeiten im Inneren der Kapellen, wo die Götzenbilder stehen, sind mit Arabesken verziert und der Plafond mit Stuckaturarbeit; und alles Holzwerk ist mit Mauerarbeit überzogen, und sehr bemalt mit allerlei Ungeheuern und sonstigen Gestalten und Kunstwerken.
   Alle diese Türme sind Begräbnisplätze großer Herren, und die darin befindlichen Kapellen sind jeweils dem besonderen Götzen geweiht, dem jemand seine Andacht verrichtet. Im Innern dieser großen Moschee befinden sich drei Säle, wo die Hauptgötzenbilder aufgestellt sind, von erstaunlicher Größe und Höhe, und mit vielen Zierraten und Figuren kunstvoll ausgemeißelt, sowohl in Stein wie in Holzarbeit; und innerhalb dieser Säle befinden sich wiederum andere Kapellen mit sehr kleinen Eingangstüren und innen ganz ohne Beleuchtung; und hier dürfen sich nur die Religiösen aufhalten, aber nicht alle; es stehen hier Brustbilder und Gestalten der Götzen, obgleich, wie schon erwähnt, es auch außerhalb viele gibt. Die vornehmsten dieser Götzenbilder, auf die sie am meisten Glauben und Vertrauen setzen, warf ich von ihren Postamenten, und ließ sie die Treppen hinabstürzen und die Kapellen reinigen, in denen sie gestanden hatten, denn sie waren alle voll des bei den Opfern vergossenen Blutes. Und ich ließ die Bilder unserer Lieben Frau und anderer Heiliger im Tempel aufstellen, worüber Moctezuma und die Eingeborenen sich nicht wenig betrübten; und zuerst sagten sie mir, ich möge es nicht tun, denn wenn das Volk es erführe, würde es gegen mich aufstehen, weil sie glaubten, dass die Götzen ihnen alle zeitlichen Güter gewährten, und wenn man sie misshandeln ließe, sich darob erzürnten, und ihnen nichts mehr geben und ihnen die Früchte auf dem Felde verdorren lassen würden, so dass alles Volk vor Hunger sterben müsste. Ich aber ließ ihnen durch die Dolmetscher sagen, wie verkehrt es sei, ihre Hoffnung auf solche Götzenbilder zu setzen, das Werk ihrer eigenen Hände, und aus unreinen Stoffen gefertigt! Sie müssten wissen, dass es einen einigen Gott gebe, den allgemeinen Herrn über uns alle, der den Himmel geschaffen habe und die Erde und alle Dinge und sie und uns; und er sei ohne Anfang und unsterblich und ihn hätten sie anzubeten und an ihn zu glauben, nicht aber an irgendein Geschöpf oder Ding. Noch mehr sagte ich ihnen, so viel ich selbst nur von der Sache wusste, um sie abzulenken von ihrer Abgötterei und um sie zu gewinnen für die Erkenntnis des Herrn unseres Gottes. Alle, vornehmlich aber Moctezuma, antworteten darauf, sie hätten mir bereits gesagt, dass sie nicht ursprüngliche Kinder dieses Landes seien, sondern vor sehr langer Zeit ihre Vorfahren erst dahin gekommen wären; und sie glaubten wohl, dass sie sich in einigen Dingen irren könnten, weil sie so lange schon von ihrem Ursprungsland entfernt seien. Ich, neuerdings erst angekommen, möge vielleicht mehr über die Dinge wissen, die sie annehmen und glauben sollten. Ich möchte sie ihnen also sagen und verständlich machen, dann wollten sie tun, wie ich ihnen gesagt hätte und wie es ohne Zweifel am besten wäre.
   Moctezuma und viele vornehme Herren der Stadt begleiteten mich nachher, als ich die Götzenbilder hinauswerfen, die Kapellen reinigen und unsere Heiligenbilder dort aufstellen ließ, und sie machten ein ganz vergnügliches Gesicht zu alledem. Ich verbot ihnen, weiter kleine Kinder den Götzen zu opfern, wie sie es bisher gewohnt gewesen waren, da dies ein arger Gräuel vor Gott sei und Eure Majestät es durch Gesetz verboten und befohlen habe, dass, wer töte, wiederum des Todes sterben solle. Und wirklich unterließen sie es jetzt, und während ich in dieser Stadt verweilte, sah man niemals, dass ein Kind geschlachtet und geopfert wurde.
   Die Büsten und Statuen der Götzen, an die diese Leute glauben, sind weit über Menschengröße. Sie wurden verfertigt aus einer gemahlenen und zusammengekneteten Masse aller Sämereien und Gemüse, die sie essen, angefeuchtet mit dem Herzblut menschlicher Schlachtopfer, denen sie lebendig die Brust öffnen und das Herz ausreißen und mit dem herausströmenden Blut den Teig anmengen und damit fortfahren, bis eine Masse beisammen ist, die für die Verfertigung einer so großen Bildsäule hinreicht. Wenn sie fertig waren, wurden dem fertigen Bildwerk noch mehr Herzen in gleicher Weise geopfert, und mit dem Blute wurde ihnen das Gesicht gesalbt. Für jede Sache haben sie ihr eigenes Götzenbild, und es wird geweiht in der Art, wie auch die Heiden des Altertums ihre Götter zu verehren pflegten. Sie haben ein Götzenbild, um sich Gunst für den Krieg zu erflehen, ein anderes für den Ackerbau, und so haben sie für jegliche Sache, von der sie wollen und wünschen, dass sie gut vonstatten geht, ihre Götzen, die sie verehren und denen sie dienen.
   Es gibt in dieser großen Stadt viele sehr gute und sehr große Häuser, weil alle großen Herren des Landes, Vasallen des Moctezuma, in dieser Stadt ihre Häuser haben und hier eine gewisse Zeit des Jahres residieren; außerdem gibt es hier reiche Bürger, die auch sehr schöne Häuser besitzen. Alle Häuser haben schöne, große Gemächer und sehr hübsche Blumengärten verschiedener Art in den unteren und oberen Stockwerken.
   An einem der in die Stadt führenden Steindämme laufen zwei Röhren aus Mörtelwerk entlang, jede etwa zwei Schritte breit und eine Manneslänge hoch. Durch eine der Röhren kommt ein Strom guten, süßen Wassers, so dick wie ein Mann am Leibe, bis mitten in die Stadt, und alle nehmen davon und trinken es. Die andere Röhre wird nur benutzt, wenn die erste gereinigt werden muss. Weil das Wasser bei den mit Salzwasser durchflossenen Durchstichen die Brücken zu passieren hat, wird das süße Wasser in Kanälen von der Dicke eines Ochsen und der jeweiligen Länge der Brücken geleitet, und so bedient es die ganze Stadt. Man fährt in Kähnen das Wasser zum Verkauf an alle Straßen; und die Art, es aus den Röhren zu nehmen, ist die, dass die Kähne sich unter die Brücken begeben, wo die Kanäle sind, und oben stehen Leute, welche die Kähne befestigen, und man bezahlt sie für ihre Arbeit.
   An allen Eingängen der Stadt und an den Punkten, wo die Kähne ausladen, durch die der größere Teil aller Lebensmittel in die Stadt gelangt, sind Hütten gebaut, wo sich wachhabende Personen befinden, welche ein certum quid erheben von allem, was eingeht. Ich weiß aber nicht, ob diese Abgabe für den Herrn oder für die Stadt erhoben wird, denn ich habe es bis jetzt nicht in Erfahrung bringen können; ich glaube aber, es geschieht für den Herrn, weil auch auf anderen Märkten anderer Provinzen man sie für denselben erheben sieht.
   Auf allen Märkten und Plätzen der Stadt sind täglich viele Arbeitsleute und Handwerker zu finden, die darauf warten, dass man sie in Tagelohn dinge. Das Volk dieser Stadt ist manierlicher und geschickter in Kleidung und Dienstleistungen als das Volk der anderen Provinzen und Städte; denn weil Moctezuma hier ständig residiert und alle großen Herren, seine Vasallen, beständig sich dort einfanden, so war da auch mehr Gesittung und Polizei in allen Dingen. Um nicht zu weitschweifig zu werden, will ich nur noch sagen, dass in Dienstbarkeit und Verkehr des Volkes etwa dieselbe Lebensart herrscht wie in Spanien, und mit gleicher Zweckmäßigkeit und Ordnung. Und wenn man bedenkt, dass diese Leute Barbaren sind und so weit entfernt von der Erkenntnis Gottes und vom Verkehr mit anderen zivilisierten Nationen, so ist es bewundernswert, wie sie es in allen Dingen halten.
   Die Größe der Herrschaft Moctezumas war man noch nicht zu ermessen imstande, aber zweihundert Leguas weit nach jeder Richtung hin schickte er seine Boten, und seinen Befehlen wurde gehorcht, obwohl einzelne Provinzen dazwischen lagen, mit denen er sich im Kriege befand. Nach dem aber, was ich darüber in Erfahrung bringen konnte, war sein Gebiet ungefähr so groß wie Spanien.
   Alle großen Herren residierten, wie ich schon gesagt habe, einen großen Teil des Jahres in der Hauptstadt, und alle oder doch die meisten hatten ihre erstgeborenen Söhne im Dienst Moctezumas. In allen Gebieten dieser Herren besaß er angelegte Forts und hielt sich dort seine Leute und seine Gouverneure, und Empfänger der in jeder Provinz ihm geleisteten Dienste und Renten; und es wurde Rechnung und Rechenschaft geführt über alles, was der Einzelne zu geben verpflichtet war; denn sie haben gewisse, zu Papier gebrachte Charaktere und Figuren, wodurch sie sich verständlich machen.
   Jede Provinz liefert Leistung in ihrer Art, so dass Moctezuma von allen Produkten seinen Teil bekam. Er war aber so gefürchtet von allen, Gegenwärtigen und Abwesenden, wie niemals ein Fürst dieser Welt es mehr gewesen ist.
   Moctezuma besaß außer- wie innerhalb der Stadt viele Lusthäuser, jedes für eine besondere Art des Zeitvertreibs eingerichtet, und zwar so vortrefflich, wie man es nicht beschreiben kann, wie sie aber sein mussten für einen so großen Fürsten und Herrn. Innerhalb der Stadt hatte er ferner seine eigentlichen Wohnhäuser, so wunderbar, dass es mir unmöglich erscheint, sie zu beschreiben. Ich werde daher weiter nichts darüber sagen als dass Spanien nichts Ähnliches aufzuweisen hat. Er hatte ein Haus, etwas weniger schön als jene, bei dem sich aber ein sehr schöner Garten befand, mit darüber emporsteigenden Belvederes, deren Säulen und Platten vortrefflich aus Jaspis gearbeitet waren. In diesem Hause gab es hinreichend Zimmer, um zwei große Fürsten mit ihrer ganzen Hofhaltung aufzunehmen. Im Garten befanden sich zehn große Weiher mit allen Arten im Lande vorkommender Wasservögel, die viel und mannigfaltig sind; alle waren zahm wie Hausgeflügel. Für die Seevögel gab es Weiher mit Salzwasser, für die Flussvögel aber Teiche mit süßem Wasser, das zu gewissen Zeiten der Reinlichkeit halber abgelassen wird und dann durch dafür bestimmte Röhren wieder eingelassen. Und jeder Vogelart gab man die ihrer Natur angemessene Verpflegung, wie sie sie in Freiheit genoss. So bekommen die Fischfresser Fische, die Wurmfresser Würmer, die Maisfresser Mais, und die von kleinen Samen sich ernähren, bekommen sie. Und ich versichere Eurer Hoheit, dass den Vögeln, welche Fische fraßen, täglich 250 Pfund von den in der salzigen Lagune gefangenen Fischen gereicht wurden. Die Aufsicht über diese Vögel wurde von dreihundert Wärtern ausgeübt, die sich sonst um nichts zu kümmern hatten. Und wieder andere waren lediglich für die Heilung erkrankter Vögel angestellt. Über jedem dieser Becken und Vogelweiher befanden sich Galerien und Belvederes, sehr artig angelegt, wohin Moctezuma kam, sich zu erlustigen und sie zu sehen.
   In einem Gemach des Hauses wurden Männer, Frauen und Kinder gehalten, sämtlich weiß geboren und weiß von Angesicht, Leib, Haupthaar, Augenbrauen und Wimpern. Er hatte auch ein Haus mit einem sehr schönen Hof, der mit sehr hübschen Quadratplatten gepflastert war, ganz nach Art eines Schachfeldes. Alle Felder waren Käfige, anderthalb Manneslängen hoch und sechs Quadratschritte groß, und die Hälfte des Raums nach unten war mit Steinplatten bedeckt, die andere nach oben aber nicht, sondern mit einem sehr sauber geflochtenen Rohrnetz überzogen. In jedem dieser Käfige befand sich ein Raubvogel, vom Turmfalken bis zum Adler, alle Arten, die man in Spanien kennt, und außerdem noch viele, die man dort niemals gesehen hat. Von jeder Art war eine große Anzahl vorhanden, und in jedem Käfig war oben auf der Decke eine Sitzstange angebracht, und eine andere außerhalb unter dem Netze; und auf der einen saßen sie bei Nacht und wenn es regnete, auf der anderen konnten sie Luft und Sonne genießen und sich pflegen. Allen diesen Vögeln gab man täglich Hühner zu fressen und nichts anderes. Unten in diesem Hause befanden sich große Säle voll mit Käfigen aus sehr starkem Bauholz, sehr gut gearbeitet und vergittert; und in allen, oder doch den meisten, befanden sich Löwen, Tiger, Wölfe, Füchse und Katzen verschiedener Art und in großer Zahl, denen man gleichfalls Hühner zu fressen gab, so viel sie brauchten. Auch für diese Tiere waren dreihundert Leute bestellt, um sie unter Aufsicht zu halten.
   In einem anderen Hause hielt er viele missgestaltete Männer und Weiber. Es gab da Zwerge, Bucklige und Missgeburten und andere Ungestalten, und jede Art dieser Ungeheuer hatte ihr besonderes Zimmer für sich. Auch für sie waren besondere Personen zu ihrer Verpflegung bestimmt. Ich übergehe nun alle anderen Belustigungsmittel, die er in seiner Stadt besaß, denn es waren sehr viele und mannigfaltige.
   Seine Hofhaltung war so, dass täglich bei Sonnenaufgang etwa sechshundert Herren und Standespersonen in sein Haus kamen, wo sie sich niedersetzten oder in den Sälen und Galerien des Hauses spazierten, sich unterhielten und die Zeit vertrieben, ohne dorthin zu kommen, wo er sich aufhielt. Ihre Dienerschaft und ihr Gefolge füllten zwei große Räume und dazu die Straße. Dort blieben sie den ganzen Tag bis zum Sonnenuntergang. Wenn man dem Moctezuma sein Mittagsmahl brachte, erhielten auch sie zu essen. Speisekammer und Keller standen aber immer offen für die, welche essen oder trinken wollten.
   Die Art, das Essen aufzutragen, war folgende: Drei- bis vierhundert Jünglinge brachten die Gerichte, die zahllos waren, denn bei jeder Mittags- und Abendmahlzeit trug man ihm alle Arten von Speisen auf – Fleisch, Fisch, Früchte und Kräuter –, wie sie das Land nur liefern mochte. Weil aber das Land ziemlich kalt ist, standen alle Schüsseln auf Wärmpfannen mit glühenden Kohlen, damit die Speisen nicht erkalteten. Alle Gerichte wurden zusammen aufgetragen, so dass der ganze Esssaal davon angefüllt schien. Moctezuma saß auf einem kleinen Lederpolster, während fünf oder sechs alte Würdenträger ihn umstanden, denen er von seinen Speisen zuteilte. Zu Anfang und Ende der Mahlzeit wurde ihm stets Wasser zum Händewaschen gereicht, und das Handtuch, das er dabei benutzte, gebrauchte er niemals wieder. Auch die Schüsseln und Schalen und die Wärmpfannen wurden nicht wieder aufgesetzt.
   Er kleidete sich täglich viermal auf verschiedene Art, immer in ganz neue Gewänder, die er nur einmal trug. Die Herren, die zu ihm kamen, mussten barfuss gehen, und wenn sie vor ihm erschienen, beugten sie den Körper, hielten Kopf und Augen gesenkt und schauten ihm nie ins Angesicht. Ich weiß, dass einige dieser Herren den Spaniern Vorwürfe machten und sagten, sie stünden ja gerade und schauten mir ins Gesicht, wenn sie mit mir redeten, das sähe aber unehrerbietig und unverschämt aus. Wenn - was nur selten geschah - Moctezuma ausging, so senkten alle, die ihn begleiteten oder ihm begegneten, das Antlitz und hüteten sich, ihn anzuschauen. Alle übrigen warfen sich nieder, bis er vorüber war. Er ließ immer drei dünne Stäbe vor sich hertragen, ich glaube, damit man wusste, dass er gegenwärtig sei. Wenn er aus der Sänfte stieg, nahm er einen dieser Stäbe in die Hand und trug ihn bis zu dem Ort, wohin er wollte. Keiner der Sultane oder sonstigen ungläubigen Herrscher, von denen man bis jetzt Kunde hat, lässt so viele Zeremonien bei seiner Bedienung verrichten.
   Dies ist nun die große Stadt, in der ich jene Angelegenheiten besorgte, die mir dem Dienst Eurer Majestät zu entsprechen schienen, nämlich Frieden zu stiften, große Länder mit sehr großen Städten und Flecken zu gewinnen, Minen zu entdecken und viele Geheimnisse der Länder unter der Herrschaft Moctezumas und anderer, die daran grenzen und die so groß und wunderbar sind, dass es fast unglaublich ist; und alles mit so viel Willfährigkeit und Zufriedenheit des Moctezuma und aller Eingeborenen, als hätten sie von Anbeginn Eure Majestät als König und Herrn erkannt, und nicht weniger verrichteten sie gutwillig alle Dinge, die ich ihnen in Dero Namen auftrug.

Drei Berichte des General-Kapitäns von Neu-Spanien, Don Fernando Cortes, an Kaiser Karl V. Aus dem Spanischen übersetzt von Dr. Karl Wilhelm Koppe
Berlin 1834

Abgedruckt in:
Keller, Ulrike (Hg.)
Reisende in Mexiko
Wien 2003

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