1853 - Ida Pfeiffer
Acapulco
23. Dezember. In die niedliche Bucht von Acapulco eingelaufen. Die Berge umher sind zwar nicht hoch, auch nicht so üppig bekleidet wie im Indischen Archipel, doch herrlich im Vergleich zu den öden Sandhügeln Kaliforniens. Die hoch gefederte Kokospalme, die umfangreiche Mango, die zarte Banane und andere Bäume und Gebüsche umgürten teilweise die See und steigen die Hügel hinan.
Hier setzte ich den Fuß zum ersten und wahrscheinlich auch zum letzten Male auf mexikanischen Grund und Boden.
Das Städtchen Acapulco liegt auf hügeligem Grunde in einem Winkel der Bucht, so verborgen, daß man es von Bord aus kaum gewahrt. Dagegen thront das Fort recht stattlich auf dem äußersten Ende eines weit in die See vorgeschobenen Hügels. Das Städtchen, mit 1.500 Einwohnern, hat ein höchst armseliges Ansehen. Die Häuser sind von Holz, Lehm oder ungebrannten Ziegeln erbaut und haben nur ein Erdgeschoß, das mit stark vergitterten Fenstern versehen ist. Das Innere sieht etwas freundlicher aus; die Zimmer sind hoch, luftig und gegen den Hofraum mit Veranden umgeben, in welchen die Leute speisen und den größten Teil des Tages verbringen.
Auf dem Platz, welcher als Markt dient und durch viele kleine Buden sehr verunstaltet ist, prangt eine ziemlich hübsche katholische Kirche von ungebrannten Ziegeln. Dies Material scheint bei den Spaniern sehr beliebt zu sein; alle ihre Bauten in Kalifornien waren damit aufgeführt.
Der ganze Ort sah sehr ruinenhaft aus: Ein heftiges Erdbeben hatte am 4. Dezember vergangenen Jahres die meisten Gebäude mehr oder minder beschädigt, manche der Ziegelhäuser waren sogar teilweise eingestürzt. Zum Glück fand das Erdbeben abends neun Uhr statt, während noch alles wach war und augenblicklich fliehen konnte. Infolgedessen kam niemand dabei um. Auch die Festung, die ich bestieg, um den Überblick über die Bucht und Gegend zu haben, hatte stark gelitten; ihre festen Steinwände und Mauern waren zum Teil geborsten und eingestürzt.
Acapulco ist berühmt durch die Perlen, welche auf verschiedenen, zwanzig bis dreißig Meilen entfernt gelegenen Eilanden gefischt werden. Die Perlenfischerei geht auf sehr einfache Weise vor sich. Die Fischer sind mit Messer und Körbchen versehen, tauchen in die Tiefe, oft fünfzig bis achtzig Fuß, lösen die Schaltiere, die zu dem Austerngeschlecht gehören und gegessen werden, los und kommen nach ein bis zwei Minuten mit oder ohne Beute wieder an die Oberfläche des Wassers. Die einzige Gefahr, die sie zu bekämpfen haben, sind die die Küste umschwärmenden Haifische, welchen sie jedoch auf geschickte Weise zu entgehen wissen. Sie führen, wie sie mir sagten, beständig ein langes, abgerundetes Stück Holz mit sich und stecken es, können sie dem Untier nicht durch Tauchen oder Schwimmen entkommen, in seinen aufgesperrten Rachen; bis sich das Tier dieser Maulsperre entledigt, hat der Taucher genügend Zeit, aus seiner gefährlichen Nähe zu kommen.
Das Schaltier wird geöffnet, die Perle in dem Tier und nicht, wie viele fälschlich glauben, in der Schale gesucht - letztere enthält nur die sogenannte "Perlmutter". In vielen Schalen gibt es Auswüchse, welche ungeformten Perlen gleichen. Diese Auswüchse rühren von andern Tieren her, gleich den Auswüchsen an Blättern oder Pflanzen. Obwohl jede Auster Perlenstoff und manche sogar acht bis neun Perlen enthält, bedarf es doch gar vieler Tiere, bis der Fischer so glücklich ist, eine schön geformte, reine Perle zu finden. Je mehr Stücke eine Auster enthält, desto sicherer, daß sie unbrauchbar sind. Man glaubt, daß die Perle durch eine Krankheit des Tieres erzeugt wird; wenn daher ein Tier viele Stücke enthält, genießen es die Leute nicht, sie halten es für der Gesundheit schädlich.
Die Perlen an den Küsten Mexikos und Granadas zeichnen sich durch ihr besonders reines Wasser aus. Sie sind selbst am Platze sehr teuer.
Ich sah in Acapulco auch sehr schöne, aus ganz kleinen Muscheln verfertigte Blumen sowie auch graziöse, höchst richtig geformte Wachsfigürchen, die Mexikaner in ihren Trachten und Hantierungen vorstellend. Die Wachsfigürchen kommen aus der Stadt Mexiko.
Die Einwohner von Acapulco kann man gar keiner Rasse zuzählen; sie haben sich aus der Verzweigung der Stammbewohner, der Neger und der Spanier, welche vor etwas mehr als dreihundert Jahren das Land eroberten, gebildet. Je nach der näheren oder ferneren Vermischung mit der einen oder anderen Nation ist ihre Hautfarbe braun, schwarz oder weiß, ebenso verhält es sich mit den Gesichtsbildungen.
Nach sechsstündigem Aufenthalt am Lande gingen wir wieder an Bord, wo wir uns viel mit den jugendlichen Tauchern unterhielten, die das Schiff von allen Seiten umschwärmten und uns Reisenden zuriefen, Geld in die See zu werfen, in dessen Auffangen sie große Geschicklichkeit bewiesen. Die Jungen machen sich schon frühzeitig mit dem Meer vertraut, um für die Perlenfischerei tüchtig zu werden.
Pfeiffer, Ida
Reise in die Neue Welt - Amerika im Jahre 1853
Hg. von Gabriele Habinger
Promedia Wien 1994