Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1874-75 - Friedrich Ratzel
Über die Pläne für einen Panamakanal

Jeder hat von den Plänen gehört, die man zur Durchstechung oder Überschienung dieser Landenge erdacht hat. Sie sind älter als man gewöhnlich glaubt. Schon Cortez hatte an einen interoceanischen Canal in dieser Gegend gedacht und schon vor 60 Jahren hatte die damals noch spanische Regierung den Tatbestand in der Absicht einer Canalisation aufnehmen lassen, aber die sichtlichen Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens, sowie die Losreissung der Colonien, welche bald darauf erfolgte, brachten die Sache in Vergessenheit. 1842 erhielt ein reicher Mexicaner, Namens J. Garray, eine Concession für einen interoceanischen Canal, der diese Landenge durchschneiden sollte, und seine Ingenieure machten einen Plan, wonach der Canal mit Benutzung des Goatzocoalcos und dreier Nebenflüsse desselben, sowie zweier zum stillen Meere fliessenden Flüsse hergestellt werden sollte. Eine solche Riesen-Unternehmung schien indessen die Kräfte eines Einzelnen zu übersteigen und Garray verkaufte seine Concession an eine nordamerikanische Gesellschaft, nachdem er dieselbe mehrere Jahre innegehabt und nicht benutzt hatte. Auch diese Gesellschaft legte nur langsam Hand an, zumal da der Krieg der Vereinigten Staaten mit Mexico zuerst jede Unternehmung amerikanischer Bürger in diesem Lande unmöglich machte und später noch lange erschwerte. Erst mit der Präsidentschaft von Benito Juarez (1856) traten bessere Aussichten ein und die Sloo-Compagnie verkaufte jetzt wiederum ihre Concession an die sog. Louisiana-Compagnie, von der man nicht ohne Grund behauptet, dass Juarez ihr besondere Vorteile versprochen habe, weil sie von der Regierung der Vereinigten Staaten unterstützt wurde und er dieser selben Unterstützung sich wert machen wollte. 1850 war bereits die Trace einer interoceanischen Eisenbahn gelegt worden, aber zunächst wurde nur eine Dampferlinie von New-Orleans nach Minatitlan, von da eine zweite nach Suchil, und endlich eine Fahrstrasse von Suchil nach der Ventosa (Hafen von Tehuantepec) eröffnet. Mit diesen Mitteln überschritt man die Landenge in Zeit von zwei Tagen, aber immerhin unter Schwierigkeiten, wie sie die entferntere und teuerere Panama-Eisenbahn nicht bot. Aus Ursachen, die zu einem grossen Theil in schlechter Verwaltung beruhten, jedoch nie genau bekannt geworden sind, wurde die Louisiana-Compagnie bald nach Eröffnung ihres Fahrweges und ihrer Dampferlinien bankrott und seitdem hat das Unternehmen, abgesehen von zeitweiligen Zeitungsreclamen und Enten, die verbreitet wurden, vollständig geruht. In diesem Augenblick (Anfang 1875) schwirren wieder allerlei optimistische Gerüchte herum, weil die mexicanische Regierung die Concession verlängerte und eine Unterstützung von 30,000 Pesos per Legua (5 Kilometer) Bahnstrecke zugesichert hat. Gewiss ist, dass im Januar 1875 ein mexicanischer Ingenieur in Minatitlan eintraf, der den Auftrag hatte, die Landenge neuerdings einer Besichtigung zu unterwerfen. Die Schwierigkeiten des Baues würden gering sein, aber es scheint, dass die Gesellschaft der Panamalinien und der pacifischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft denselben noch für einige Zeit zu hintertreiben wissen wird.

Friedrich Ratzel
Aus Mexiko - Reiseskizzen aus den Jahren 1874 und 1875
Neudruck des 1878 erschienen Werkes, Stuttgart 1969

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