1835 - Charles Darwin
Der Galapagos-Archipel
15. September. Es besteht dieser Archipel aus zehn Hauptinseln, von welchen fünf die andern an Größe übertreffen. Sie sind unter dem Äquator gelegen und zwischen fünf- und sechshundert Meilen nach Westen von der Küste von Amerika entfernt. Sie werden alle aus vulkanischen Gesteinen gebildet. Einige der die größeren Inseln überragenden Krater sind von ungeheurer Größe und erheben sich bis zu einer Höhe von drei- bis viertausend Fuß. Ihre Seiten sind mit unzähligen kleineren Öffnungen besetzt. Ich zögere kaum zu behaupten, daß es auf dem ganzen Archipel mindestens zweitausend Krater geben muß. Diese bestehen entweder aus Lava oder aus schön geschichtetem sandsteinartigem Tuff. Im letzteren Fall sind sie sehr schön symmetrisch; sie verdanken ihre Entstehung Ausbrüchen vulkanischen Schlamms ohne Lava: Es ist ein merkwürdiger Umstand, daß jeder einzelne der achtundzwanzig Tuff-Krater, welche untersucht wurden, die südliche Seite viel niedriger hatte als die anderen Seiten oder daß diese Seite ganz zusammengebrochen und entfernt war. Da allem Anschein nach diese Krater gebildet wurden, als die Inseln an Meer lagen, und da die Wellen des Passatwindes und die große Bewegung der offenen Südsee hier ihre Gewalt an den Südküsten aller Inseln vereinen, so läßt sich die merkwürdige Gleichförmigkeit in dem eingebrochenen Zustand der Krater, die aus weichem und nachgebendem Tuff bestehen, leicht erklären.
Dafür, daß diese Inseln direkt unter dem Äquator liegen, ist das Klima nicht übertrieben heiß; dies scheint hauptsächlich durch die niedrige Temperatur des umgebenden, von dem großen Süd-Polar-Strom hierher gebrachten Wassers verursacht zu werden. Mit Ausnahme eines sehr kurzen Teils des Jahres fällt nur sehr wenig Regen, und selbst während dieser Jahreszeit ist er unregelmäßig; die Wolken hängen aber meist tief herab. Während daher die niedrigen Teile der Inseln sehr unfruchtbar sind, haben die obern Teile, in einer Höhe von 1000 Fuß und darüber, ein feuchtes Klima und eine ziemlich üppige Vegetation.
Am Morgen (des 17.) landeten wir auf der Chathan-Insel, welche gleich den andern mit einem milden. Abgerundeten, hier und da durch Hügel (die Überreste früherer Krater) unterbrochenen Umriß aus dem Meer aufsteigt. Nichts konnte weniger einladend sein als die erste Erscheinung. Ein zerklüftetes Feld schwarzer basaltischer Lava, welche in die verschiedenartigst zerrissenen Wellen geworfen und von großen Spalten durchsetzt ist, wird überall von verkümmertem, sonnenverbranntem Buschholz bedeckt, welches nur wenige Zeichen von Leben gibt. Die trockene und ausgedorrte, von der Mittagssonne erhitzte Oberfläche gab der Luft ein eingeschlossenes und drückendes Gefühl, wie ein Ofen; wir bildeten uns selbst ein, daß die Gebüsche unangenehm röchen. Obschon ich mit vielem Fleiß versuchte, so viele Pflanzen als nur irgend möglich zu sammeln, erhielt ich doch nur sehr wenige; und derartig elend aussehende kleine Kräuter würden einer arktischen Flora viel besser anstehen als einer äquatorialen.
Die »Beagle« segelte um die Chatham-Insel herum und ging in mehreren Buchten vor Anker. Eine Nacht schlief ich am Ufer auf einem Teil der Insel, wo sich schwarze abgestutzte Kegel außerordentlich zahlreich fanden: Von einer kleinen Erhöhung aus zählte ich deren sechzig, und alle wurden von mehr oder weniger vollkommenen Kratern gekrönt. Die größere Zahl derselben bestand nur aus einem Ring zusammengekitteter Schlacken, und ihre Höhe über der Lava-Ebene betrug nicht mehr als von fünfzig bis hundert Fuß: Keiner der Krater war in der letzten Zeit tätig gewesen. Die ganze Oberfläche dieses Teils der Insel scheint von den unterirdischen Dämpfen wie ein Sieb durchlöchert worden zu sein: Hier und da ist die Lava, so lange sie weich war, in große Blasen aufgeworfen worden; an andern Stellen ist das Dach ähnlich gebildeter Höhlen eingestürzt und hat kreisförmige Gruben mit steilen Seitenwänden entblößt. Infolge ihrer regelmäßigen Form gaben die vielen Krater der Landschaft ein künstliches Ansehen, welches mich lebhaft an die Teile von Staffordshire erinnerte, wo die großen Eisenwerke am zahlreichsten sind. Der Tag war glühend heiß und das Kriechen über die rauhe Fläche und die verwirrten Dickichte sehr ermüdend; ich wurde aber durch die fremdartige zyklopische Szenerie reichlich belohnt. Wie ich dahinging, begegnete ich zwei großen Schildkröten, von denen jede mindestens zweihundert Pfund gewogen haben muß; die eine fraß ein Stück Kaktus, und als ich mich ihr näherte, starrte sie mich an und kroch langsam fort; die andere stieß ein tiefes Zischen aus und zog ihren Kopf ein. Diese ungeheuren Reptilien in dieser Umgebung von schwarzer Lava, blattlosen Sträuchern und großen Kakteen erschienen meiner Phantasie wie vorsintflutliche Tiere. Die wenigen, trübe gefärbten Vögel kümmerten sich um mich nicht mehr als die großen Schildkröten.
23. September. - Die »Beagle« ging weiter nach der Charles-Insel. Es ist dieser Archipel schon seit langer Zeit besucht worden, zuerst von den Flibustieren und später von den Walfischfängern; aber erst innerhalb der letzten sechs Jahre ist eine kleine Kolonie hier gegründet worden. Einwohner sind zwischen zwei- und dreihundert vorhanden: sie sind beinahe sämtlich farbige Leute, welche wegen politischer Verbrechen aus der Republik Ecuador, deren Hauptstadt Quito ist, verbannt worden sind. Die Niederlassung liegt ungefähr viereinhalb Meilen landeinwärts und in einer Höhe von wahrscheinlich 1000 Fuß. Im ersten Teil der Straße kamen wir durch blattlose Gebüsche wie auf der Chatham-Insel. Höher hinauf wurde das Gehölz nach und nach grüner; und sobald wir den Rücken der Insel überstiegen hatten, wurden wir von einer schönen südlichen Brise erfrischt, und das Auge ergötzte sich an einer grünen und gut gedeihenden Vegetation. In dieser oberen Region ist grobes Gras und Farnkraut üppig vorhanden. Die Häuser sind unregelmäßig über ein ebenes Stück Land verstreut, auf welchem Bataten und Bananen angebaut werden. Man wird sich kaum eine Vorstellung davon machen können, wie angenehm uns der Anblick schwarzen Schlamms war, nachdem wir so lange an den ausgedörrten Boden von Peru und dem nördlichen Chile gewöhnt gewesen waren. Obgleich sich die Einwohner über ihre Armut beklagen, so erlangen sie doch ohne viele Mühe ihre Subsistenzmittel. In den Wäldern finden sich viele wilde Schweine und Ziegen; der hauptsächlichste animale Nahrungsartikel wird aber von den Schildkröten dargeboten. Ihre Zahl ist natürlich auf dieser Insel beträchtlich reduziert worden; die Leute rechnen doch aber noch immer darauf, daß eine zweitägige Jagd ihnen für den Rest der Woche hinreichende Nahrung gibt. Es wird erzählt, daß früher einzelne Schiffe bis zu siebenhundert Schildkröten fortgeschafft haben, und daß vor einigen Jahren die Schiffsmannschaft einer Fregatte an einem Tag zweihundert Schildkröten zum Strand hinabgebracht habe.
29. September. - Wir passierten die Südwest-Spitze der Albemarle-Insel und wurden am nächsten Tag zwischen dieser und der Narborough-Insel beinahe von einer Windstille befallen. Beide sind von ungeheuren Strömen nackter schwarzer Lava bedeckt, welche über den Rand der großen Kessel geflossen ist, wie Pech über den Rand der großen Töpfe, in denen es gekocht wird. Von diesen beiden Inseln ist bekannt, daß Eruptionen auf ihnen stattgefunden haben; und auf der Albemarle-Insel sahen wir einen kleinen Strahl Rauch vom Gipfel eines der großen Krater emporwirbeln. Am Abend ankerten wir in Banks Cove auf der Albemarle-Insel. Am nächsten Morgen ging ich zu einem Gang aus. Nach Süden von dem zerbrochenen Tuff-Krater, in welchem die »Beagle« vor Anker lag, war noch ein anderer, wundervoll symmetrischer von elliptischer Form; seine längere Achse betrug knapp eine Meile und seine Tiefe ungefähr 500 Fuß. Auf seinem Grund fand sich ein seichter See, in dessen Mitte ein kleiner Krater ein Inselchen bildete. Der Tag war überwältigend heiß, und der See sah klar und blau aus: Ich eilte den Aschenabhang hinab und kostete, von Staub erstickt, eifrig das Wasser - zu meinem Bedauern fand ich es so salzig wie Sole.
Die Felsen an der Küste waren voll von großen schwarzen Eidechsen, zwischen drei und vier Fuß lang, und auf den Bergen war eine häßliche gelblich-braune Art gleicherweise gemein. Von dieser letzteren Art sahen wir viele, manche rannten in einer ungeschickten Art uns aus dem Wege, andere krochen nach ihren Löchern.
8. Oktober. Wir kamen an der James-Insel an: Diese Insel, ebenso wie die Charles-Insel, wurde schon vor langer Zeit nach den englischen Königen aus dem Hause Stuart so genannt. Mr. Bynoe, ich und unsere Diener wurden hier für eine Woche gelassen, mit Vorräten und einem Zelt, während die »Beagle« nach Wasser ausging. Wir fanden hier eine Gesellschaft Spanier, welche von der Charles-Insel hierher geschickt worden waren, um Fische zu trocknen und Schildkrötenfleisch einzusalzen. Ungefähr sechs Meilen landeinwärts und in einer Höhe von 2000 Fuß war eine Hütte gebaut worden, in welcher zwei Männer lebten; ihre Beschäftigung bestand im Fangen der Schildkröten, während die übrigen an der Küste Fische fingen. Ich besuchte diese Leute zweimal und schlief eine Nacht dort. Wie auf den anderen Inseln war die untere Region von beinahe blattlosen Sträuchern bedeckt; die Bäume erreichten hier aber eine bedeutendere Größe als irgendwo anders; mehrere maßen zwei Fuß, einige sogar zwei Fuß neun Zoll im Durchmesser. Die obere Region wird von den Wolke« feucht erhalten und entwickelt daher eine grüne und wohlgedeihende Vegetation. Der Boden war so feucht, daß sich große Strecken fanden, die von einem groben Riedgras bedeckt waren; in diesem lebte eine große Zahl einer sehr kleinen Wasser-Ralle und brütete dort. Während wir in dieser oberen Gegend blieben, lebten wir ganz und gar von Schildkrötenfleisch; der Brustschild mit dem Fleisch daran geröstet (wie die Gauchos ihr »carne con cuero« bereiten) ist sehr gut; die jungen Schildkröten geben eine vorzügliche Suppe; im übrigen aber ist das Fleisch meinem Geschmack nach nur nichtssagend. Eines Tages begleiteten wir eine Gesellschaft jener Spanier in ihrem Walfischboot nach einer Salina oder einem See, von woher sie das Salz sich holen. Nach der Landung hatten wir einen sehr unebenen Weg über ein zerklüftetes Feld neuerer Lava, welche einen Tuff-Krater, in dessen Grund der Salzsee liegt, beinahe umgeben hatte. Das Wasser ist nur ungefähr drei oder vier Zoll tief und steht auf einer Schicht wundervoll kristallisierten weißen Salzes. Der See ist vollkommen kreisförmig und wird von einem Rand hellgrüner saftiger Pflanzen eingefaßt; die beinahe senkrecht abstürzenden Wände des Kraters sind mit Bäumen bekleidet, so daß die ganze Szenerie sowohl malerisch als merkwürdig war. Vor wenig Jahren haben die zu einem Robbenfänger gehörigen Matrosen ihren Kapitän an diesem stillen Ort ermordet; wir sahen seinen Schädel noch zwischen den Sträuchern liegen.
Während des größeren Teils unseres einwöchigen Aufenthalts war der Himmel wolkenlos; und wenn der Passatwind nur für eine Stunde aufhörte, so wurde die Hitze sehr drückend. An zwei Tagen stand das Thermometer innerhalb des Zelts mehrere Stunden lang auf 93 ° [34 °C], in der freien Luft aber, im Wind und in der Sonne nur auf 85° [30 °C]. Der Sand war außerordentlich heiß; als das Thermometer in Sand von brauner Farbe gesteckt wurde, stieg es unmittelbar auf 137° [59 °C]; wie weit es darüber hinaus noch gestiegen sein würde, weiß ich nicht, denn es war nur bis dahin in Grade eingeteilt. Der schwarze Sand fühlte sich viel heißer an, so daß es selbst mit dicken Stiefeln unangenehm war, auf ihm zu gehen.
Die Naturgeschichte dieser Inseln ist in hohem Grade merkwürdig und verdient sehr wohl Aufmerksamkeit. Die meisten organischen Erzeugnisse sind einheimische Schöpfungen, die sich nirgendwo anders finden; es besteht sogar eine Verschiedenheit zwischen den Bewohnern der verschiedenen Inseln; doch zeigen alle eine ausgesprochene Verwandtschaft mit denen von Amerika, obschon sie von diesem Kontinent durch ein Stück offenen Meeres von 500 und 600 Meilen Breite getrennt sind. Der Archipel ist eine kleine Welt für sich oder vielmehr ein Amerika angehängter Satellit; von dort hat er einige verstreute Kolonisten herbezogen und den allgemeinen Charakter seiner einheimischen Erzeugnisse erhalten. Bedenkt man die unbedeutende Größe dieser Inseln, so fühlt man sich nur um so mehr über die Zahl ihrer einheimischen Geschöpfe und über ihr beschränktes Verbreitungsgebiet überrascht. Wenn man sieht, daß jede Höhe von einem Krater gekrönt wird und daß die Verbreitungsgrenzen der meisten Lavaströme noch ganz deutlich sind, so werden wir zu der Annahme geführt, daß sich innerhalb einer, geologisch genommen, rezenten Periode hier noch der Ozean ununterbrochen ausbreitete. Wir scheinen daher in beiden Beziehungen, sowohl im Räume als in der Zeit, jener großen Tatsache - jenem Geheimnis aller Geheimnisse -, dem ersten Erscheinen neuer lebender Wesen auf der Erde, näher gebracht zu werden.
Von Landsäugetieren findet sich nur eines, welches als einheimisch angesehen werden muß, nämlich eine Maus (Mus galapagoensis), und diese ist, soviel ich ermitteln konnte, auf die Chatham-Insel, die östlichste Insel der ganzen Gruppe, beschränkt. Auf der James-Insel kommt eine von der gemeinen Ratte verschiedene Art vor, da sie aber zu der altweltlichen Abteilung der Familie gehört und da diese Insel seit den letzten hundert Jahren öfters von Schiffen besucht worden ist, so kann ich kaum daran zweifeln, daß diese Ratte nur eine durch die neuen Verhältnisse des Klimas, der Nahrung und des Bodens, denen sie ausgesetzt gewesen ist, erzeugte Varietät ist. Obschon niemand ein Recht hat, ohne bestimmte Tatsachen zu spekulieren, so muß man doch selbst in bezug auf diese Maus der Chatham-Insel sich daran erinnern, daß es möglicherweise eine hier importierte amerikanische Art ist.
Von Landvögeln erhielt ich nur sechsundzwanzig Arten - alle dem Archipel eigentümlich und nirgends anderswo zu finden, mit Ausnahme eines lerchenartigen Finken von Nord-Amerika, welcher sich auf diesem Kontinent nördlich bis zum 54. Grad findet und gewöhnlich auf Moorboden vorkommt.
Von Wat- und Wasservögeln war ich nur imstande, elf Arten zu erhalten, und von diesen sind nur drei neue Spezies.
Ich will mich nun aber den Reptilien zuwenden, welche der Zoologie dieser Inseln den auffallendsten Charakterzug geben. Die Arten sind nicht zahlreich, aber die Zahl der Individuen einer jeden Spezies ist außerordentlich groß. Es finden sich eine kleine zu einer südamerikanischen Gattung gehörige Eidechse und zwei Spezies (und wahrscheinlich mehr) von Amblyrhynchus - einer auf die Galapagos-Inseln beschränkten Gattung. Von Seeschildkröten findet sich, wie ich glaube, mehr als eine Art; und von Landschildkröten gibt es, wie wir sogleich sehen werden, zwei oder drei Spezies oder Rassen. Kröten und Frösche gibt es keine dort; ich war hiervon überrascht, wenn ich bedachte, wie passend für diese Tiere die gemäßigten und feuchten Waldungen auf den Höhen zu sein schienen.
Ich will zuerst die Lebensweise der Schildkröte (Testudo nigra, früher indica genannt) beschreiben, welche schon so oft hier erwähnt wurde. Diese Tiere werden, wie glaube, auf sämtlichen Inseln des Archipels gefunden. sicherlich wenigstens auf der Mehrzahl derselben. Sie suchen mit Vorliebe die hoch gelegenen feuchten Teile auf, leben aber gleichfalls in den niedrigeren und dürren Distrikten. Ich habe schon nach der großen Zahl, welche an einem einzigen Tage gefangen wurde, gezeigt, wie außerordentlich zahlreich dieselben sein müssen. Einige wachsen bis zu einer ungeheuren Größe: Mr. Lawson, ein Engländer und Vize-Gouverneur der Kolonie, erzählte uns, daß er mehrere gesehen habe, die so groß waren, daß es sechs oder acht Mann bedurfte, um sie vom Boden aufzuheben. und daß einige bis zweihundert Pfund Fleisch geliefert hatten. Die alten Männchen sind die größten; die Weibchen wachsen nur selten zu einer so bedeutenden Größe heran: das Männchen kann vom Weibchen leicht durch die größere Länge des Schwanzes unterschieden werden. Die Schildkröten, welche auf denjenigen Inseln leben, die kein Wasser haben, oder in den niedrig. gelegenen und trockenen Distrikten der andern, ernähren sich hauptsächlich mit den saftigen Kakteen. Diejenigen, welche die höheren und feuchten Gegenden aufsuchen, fressen die Blätter verschiedener Bäume, eine Art von Beeren, welche säuerlich und herb sind, und auch eine blaßgrüne, fadige Flechte, welche locken- oder zopfartig von den Baumzweigen herabhängt.
Die Schildkröte liebt das Wasser sehr, trinkt große Mengen und wühlt im Schlamm. Die größeren Inseln allein besitzen Quellen, und diese sind stets nach den zentraleren Teilen hin und in beträchtlicher Höhe gelegen. Die Schildkröten, welche die niedriger gelegenen Distrikte bewohnen, sind also, wenn sie durstig sind, genötigt, eine große Strecke weit zu wandern. Daher gehen von den Quellen breite und gut ausgetretene Pfade nach allen Richtungen hinab nach der Meeresküste; die Spanier entdeckten die Wasser bietenden Stellen zuerst dadurch, daß sie diese Pfade aufwärts verfolgten. Als ich auf der Chatham-Insel landete, konnte ich mir nicht vorstellen, welches Tier so methodisch auf sorgfältig gewähltem Wege wandere. Es war ein merkwürdiges Schauspiel, in der Nähe der Quellen viele dieser kolossalen Geschöpfe zu beobachten, wie die einen eifrig mit vorgestrecktem Hals vorwärts marschierten, während die andern, nachdem sie sich vollgetrunken hatten, wieder zurückkehrten. Wenn die Schildkröte an der Quelle ankommt, so taucht sie, ohne Rücksicht auf irgendwelche Zuschauer zu nehmen, ihren Kopf bis über die Augen ins Wasser und schluckt gierig, ungefähr zehnmal den Mund voll in einer Minute. Die Einwohner sagen, jedes Tier bleibe drei oder vier Tage in der Nähe des Wassers und kehre dann in das niedere Land zurück. Es ist indessen sicher, daß Schildkröten selbst auf denjenigen Inseln bestehen können, wo es kein anderes Wasser gibt als das, welches während einiger weniger Regentage im Jahre fällt.
Die Harnblase des Frosches dient als ein Reservoir für die Feuchtigkeit, deren das Tier zu seiner Existenz bedarf; dies scheint auch bei der Schildkröte der Fall zu sein. Einige Zeit nach einem Besuch der Quellen sind ihre Harnblasen von Flüssigkeit ausgedehnt, welche, wie man sagt, allmählich an Umfang abnimmt und weniger rein wird. Wenn die Einwohner in den tiefer gelegenen Teilen umhegehen und von Durst übermannt werden, so ziehen sie häufig aus diesem Umstand Vorteil und trinken den Inhalt der Blase, wenn diese voll ist: Ich sah, wie eine Schildkröte getötet wurde; die Flüssigkeit in der Blase war völlig hell und klar und hatte nur einen sehr unbedeutenden bitteren Geschmack. Die Einwohner trinken indessen immer zuerst das Wasser im Herzbeutel, welches als das beste beschrieben wird.
Wenn sich die Schildkröten nach einem bestimmten Punkt hin bewegen, so wandern sie Tag und Nacht und kommen an ihrem Reiseziel viel früher an, als man hätte erwarten sollen. Nach der Beobachtung gekennzeichneter Individuen sind die Einwohner der Ansicht, daß die Tiere eine Entfernung von ungefähr acht Meilen in zwei oder drei Tagen zurücklegen. Eine große Schildkröte, welche ich beobachtete, ging mit einer Geschwindigkeit von sechzig Yards in zehn Minuten, das sind 360 Yards in einer Stunde oder vier Meilen in einem Tage - wobei wir eine kurze Zeit dem Tier zum Fressen unterwegs gestatten. Während der Brutzeit, wo Männchen und Weibchen zusammen leben, stößt das Männchen ein rauhes Brüllen oder Bellen aus, welches, wie man sagt, in einer Entfernung von über hundert Yards gehört werden kann. Das Weibchen braucht seine Stimme niemals und auch das Männchen nur zu den erwähnten Zeiten; wenn die Leute diesen Laut hören, wissen sie daher, daß zwei beisammen sind. Um die Zeit unseres Besuchs (Oktober) waren sie beim Eierlegen. Das Weibchen legt sie, wo der Boden sandig ist, zusammen und deckt sie wieder mit Sand zu; wo aber der Boden steinig ist, läßt es dieselben ganz unterschiedslos in jedes Loch fallen. Das Ei ist weiß und kugelig; eines, welches ich maß, hatte sieben und drei Achtel Zoll im Umfang, war daher größer als ein Hühnerei. Die jungen Schildkröten fallen, sobald sie ausgekrochen sind, in großer Zahl dem aasfressenden Bussard zur Beute. Die alten Tiere scheinen meist an den Folgen von Unglücksfällen zu sterben, so, wenn sie Abgründe hinabstürzen: Mindestens erzählten mir mehrere Einwohner, sie hätten niemals eines ohne irgendeine offenbare Ursache tot gefunden.
Die Einwohner glauben, daß diese Tiere absolut taub sind; sicher ist, daß sie es nicht hören, wenn jemand dicht hinter ihnen hergeht. Es unterhielt mich immer sehr, eines dieser großen Ungeheuer zu überholen, wenn es ruhig dahinging, zu sehen, wie es plötzlich im Augenblick, wo ich an ihm vorbeiging, seinen Kopf und seine Beine einzog und sich unter Ausstoßung eines tiefen Zischens mit einem schweren Ton auf die Erde fallen ließ, als sei es totgeschlagen. Ich stellte mich ihnen häufig auf den Rücken; wenn ich ihnen dann ein paar Schläge auf den hinteren Teil ihres Rückenschildes gab, standen sie auf und gingen weiter; ich fand es aber sehr schwierig, das Gleichgewicht zu behalten. Das Fleisch der Tiere wird in ausgedehnter Weise verwendet, sowohl frisch als eingesalzen; aus ihrem Fett wird ein schönes klares Öl bereitet. Wenn eine Schildkröte gefangen wird, so macht der Mann in die Haut in der Nähe des Schwanzes einen Einschnitt, um in den Körper hineinsehen und beurteilen zu können, ob die Fettschicht unter dem Rückenschild dick ist. Ist dies nicht der Fall, so wird das Tier freigelassen; man sagt, es erhole sich ganz gut von dieser merkwürdigen Operation. Um sich der Schildkröten zu vergewissern, genügt es nicht, sie wie Seeschildkröten herumzudrehen, denn häufig sind sie imstande, wieder auf ihre Beine zu kommen.
Es läßt sich nur wenig daran zweifeln, daß diese Schildkröte ein eingeborener Bewohner der Galapagos-Inseln sei; sie wird auf allen oder nahezu allen Inseln gefunden, selbst auf einigen der kleineren, wo es kein Wasser gibt; wäre sie eine importierte Spezies, so würde dies wohl kaum der Fall gewesen sein bei einer so wenig besuchten Inselgruppe. Überdies fanden die alten Flibustier die Schildkröte in noch größerer Anzahl, als sie jetzt gefunden wird.
Die Gattung Amblyrhynchus, ein merkwürdiges Eidechsengeschlecht, ist auf diesen Archipel beschränkt: Es finden sich davon zwei Spezies, die einander in der allgemeinen Form ähnlich sind; die eine lebt auf dem Lande, die andere lebt im Wässer. Die letztere Art (A. cristatus) ist äußerst gemein auf allen Inseln der ganzen Gruppe und lebt ausschließlich auf dem steinigen Meeresstrand; sie findet sich niemals, wenigstens sah ich keine, auch nur zehn Yards landeinwärts. Es ist ein häßlich aussehendes Geschöpf von einer schmutzigschwarzen Färbung, dumm und träge in seinen Bewegungen. Die gewöhnliche Länge eines völlig erwachsenen Tieres ist ungefähr ein Yard, aber es gibt einige von vier Fuß Länge; ein großes Tier wog zwanzig Pfund; auf der Albemarle-Insel scheinen sie zu einer bedeutenderen Größe heranzuwachsen als anderswo. Ihr Schwanz ist an den Seiten abgeplattet, und alle vier Füße sind teilweise mit Schwimmhäuten versehen. Man sieht sie gelegentlich einige hundert Yards vom Ufer entfernt umherschwimmen. Ist diese Eidechse im Wasser, so schwimmt sie mit vollkommener Leichtigkeit und Schnelligkeit durch eine schlangenartige Bewegung ihres Körpers und seitlich abgeplatteten Schwanzes - die Beine bleiben bewegungslos und dicht zusammengefaltet an den Seiten. Ein Matrose an Bord versenkte eine, mit einem schweren Gewicht an ihren Körper gebunden, in der Absicht, sie auf diese Weise direkt zu töten; als er sie aber nach Verlauf einer Stunde mit der Schnur heraufzog, war sie vollständig lebendig. Ihre Gliedmaßen und starken Krallen sind wunderbar zum Kriechen über die rauhen und zerklüfteten Massen von Lava angepaßt, welche überall die Küste bilden. An solchen Stellen kann man oft eine Gruppe von sechs oder sieben dieser widerwärtigen Reptilien wenige Fuß über der Brandung auf den schwarzen Felsen mit ausgestreckten Beinen sich in der Sonne wärmen sehen.
Die Struktur ihres Schwanzes und ihrer Füße und die Tatsache, daß man sie aus freien Stücken hat ins Meer hinausschwimmen sehen, beweisen absolut ihre aquatische Lebensweise; und doch findet sich eine in dieser Hinsicht fremdartige Anomalie: Wird sie nämlich erschreckt, so geht sie nicht ins Wasser. Es ist daher leicht, diese Eidechsen auf irgendeinen kleinen, ins Meer hinausragenden Vorsprung zu treiben, wo sie eher eine Person ihren Schwanz ergreifen lassen, als daß sie ins Wasser sprängen. Sie scheinen keinen Begriff davon zu haben, sich durch Beißen zu wehren. Ich warf eine dieser Eidechsen mehrere Male, so weit ich konnte, in einen tiefen, von der zurückgehenden Flut gelassenen Tümpel; sie kehrte aber ausnahmslos in einer geraden Linie zu dem Fleck zurück, wo ich stand. Sie schwamm dem Grunde nahe mit einer sehr graziösen und rapiden Bewegung und half sich gelegentlich über die unebenen Stellen mit ihren Füßen weiter. Sobald sie am Rande angekommen, aber noch unter Wasser war, versuchte sie sich in den Gebüschen von Seegras zu verbergen oder kroch in irgendeine Spalte. Sobald sie glaubte, die Gefahr sei vorüber, kroch sie heraus auf die trockenen Steine und watschelte fort, so schnell sie konnte. Ich fing dieselbe Eidechse mehrere Male dadurch, daß ich sie auf einen Vorsprung hinabtrieb; trotzdem konnte sie nichts dazu bestimmen, ins Wasser zu gehen; und sooft ich sie hineinwarf, kehrte sie in der oben beschriebenen Weise zurück. Diese scheinbare Dummheit läßt sich vielleicht durch den Umstand erklären, daß dies Reptil am Land keinen Feind hat, während es häufig den zahlreichen Haifischen zur Beute dienen muß. Daher wahrscheinlich nimmt es seine Zuflucht zum Land, wie auch der Fall liegen möge, da es von einem festgewurzelten und vererbten Instinkt zu dem Glauben gedrängt wird, daß das Land ein sicherer Ort für es sei.
Wir wollen uns nun zu der terrestrischen Art (A. Demarlii), mit einem runden Schwanz und Zehen ohne Schwimmhäute, wenden. Diese Eidechse ist auf den zentralen Teil des Archipels beschränkt, nämlich auf Albemarle-, James-, Barrington- und Indefatigable-Inseln. Nach Süden hin, auf der Charles-Insel, Hood- und Chatham-Insel, und nach Norden zu auf den Tower-, Bindloes- und Abingdon-Inseln habe ich weder von einer gehört noch selbst eine gesehen. Es möchte scheinen, als sei das Tier im Mittelpunkt des Archipels erschaffen und von da nur eine bestimmte Strecke weit verbreitet worden. Einige dieser Eidechsen bewohnen die hohen und feuchten Teile der Inseln; aber in den niedrigeren und sterilen Distrikten in der Nähe der Küste sind sie viel zahlreicher. Ich kann keinen eindringlicheren Beweis für ihre Mengen geben, als wenn ich anführe, daß wir, nachdem wir auf der James-Insel zurückgelassen worden waren, eine Zeitlang keine Stelle finden konnten, die frei von ihren Höhlen gewesen wäre und wo wir unser einziges Zelt hätten aufschlagen können. Wie ihre nächsten Verwandten, die marine Art. sind sie häßliche Tiere, unten von einer gelblich orangen, oben von einer bräunlich roten Färbung. Infolge ihres niedrigen Gesichtswinkels haben sie ein eigentümlich dummes Ansehen. Sie sind vielleicht von einer etwas geringeren Größe als die im Meer lebende Art; doch wogen mehrere derselben zwischen zehn und fünfzehn Pfund. In ihren Bewegungen sind sie faul und schlaff. Wenn sie nicht erschreckt sind, kriechen sie langsam vorwärts und ziehen dabei ihre Schwänze und ihre Bäuche auf dem Boden hin. Sie bleiben oft stehen und träumen eine oder zwei Minuten vor sich hin mit geschlossenen Augen und mit auf dem heißen Boden ausgestreckten Hinterbeinen.
Sie bewohnen Höhlen, welche sie zuweilen zwischen Bruchstücken von Lava, allgemeiner aber an ebenen Flecken des weichen sandsteinartigen Tuffs bauen. Die Höhlen scheinen nicht sehr tief zu sein und gehen unter einem sehr kleinen Winkel in den Boden hinein, so daß, wenn man über dieses Eidechsengehege geht, der Boden zum großen Ärger des ermüdeten Wanderers beständig nachgibt. Wenn sich dieses Tier seine Höhle gräbt, arbeitet es abwechselnd mit den entgegengesetzten Seiten des Körpers. Eine kurze Zeit lang scharrt das eine Vorderbein den Boden auf und wirft ihn dem Hinterbein zu, welches zweckmäßig so gestellt ist, daß es die Erde über die Mündung der Höhle hinausschafft. Ist diese Seite des Körpers ermüdet, so nimmt die andere die Arbeit auf, und so abwechselnd weiter. Ich beobachtete eine Eidechse lange Zeit bei ihrer Arbeit, bis der halbe Körper vergraben war; dann ging ich hinzu und zog sie am Schwanz heraus. Darüber war sie in hohem Grade erstaunt und drehte sich bald herum, um zu sehen, was denn vorginge; dabei stierte sie mir ins Gesicht, ganz als wollte sie sagen: »Was heißt dich denn mich am Schwanz ziehen?«
Sie fressen bei Tage und wandern nicht weit von ihren Gruben fort; werden sie erschreckt, so stürzen sie mit einem äußerst ungeschickten Gang auf dieselben zu. Ausgenommen wenn sie bergab rennen, können sie sich nicht sehr schnell bewegen, wie es scheint wegen der seitlichen Stellung ihrer Beine. Sie sind nicht furchtsam: Beobachtet man eines der Tiere aufmerksam, so ringelt es seinen Schwanz, erhebt sich auf seinen Vorderbeinen, nickt in einer schnellen Bewegung senkrecht mit dem Kopfe und versucht sehr wild auszusehen. In Wirklichkeit sind sie es aber durchaus nicht: Wenn man nur auf den Boden stampft, so lassen sie den Schwanz hängen und watscheln fort, so schnell sie nur können. Ich habe häufig bemerkt, daß kleine fliegenfressende Eidechsen, wenn sie irgend etwas beobachten, mit ihrem Kopfe in genau derselben Weise nicken; ich weiß aber nicht, zu welchem Zwecke sie dies tun. Wenn man diesen Amblyrhynchus mit einem Stock festhält und neckt, so beißt er heftig zu; ich habe aber viele beim Schwanz gefangen, und niemals haben sie versucht, mich zu beißen. Werden zwei auf die Erde gelegt und zusammengehalten, so kämpfen sie miteinander und beißen einander, bis Blut fließt.
Die Individuen (und deren ist eine große Zahl), welche die niedrigeren Teile des Landes bewohnen, können das ganze Jahr hindurch kaum einen Tropfen Wasser kosten; sie verzehren aber viel von den saftigen Kakteen, deren Zweige gelegentlich vom Wind abgebrochen werden. Ich warf ihnen mehrere Male ein Stück zu, wenn zwei oder drei von ihnen zusammen waren; da war es amüsant, zu sehen, wie sie versuchten, es zu ergreifen und in ihrem Mund wegzubringen, ebenso wie es viele hungrige Hunde mit einem Knochen machen würden. Sie fressen sehr bedächtig, kauen aber ihre Nahrung nicht.
Gekocht geben diese Eidechsen ein weißes Fleisch, welches diejenigen ganz gern haben, deren Magen sich über alle gewöhnlichen Vorurteile hinwegsetzt. Die Einwohner geben an, daß diejenigen, welche die oberen, feuchten Teile der Inseln bewohnen, Wasser trinken, daß aber die andern nicht, wie die Schildkröten, aus dem niedrigen sterilen Land hinaufwandern, um Wasser zu erlangen. Zur Zeit unseres Besuchs hatten die Weibchen zahlreiche große längliche Eier in ihren Körpern, welche sie in ihren Höhlen ablegen: Die Einwohner suchen diese als Nahrungsmittel.
Wie ich schon bemerkt habe, sind diese Inseln nicht so merkwürdig wegen der Zahl der Reptilien-Arten wie wegen der Zahl der Individuen; wenn wir uns der tüchtig ausgetretenen, von den Tausenden kolossaler Schildkröten gemachten Wege - der vielen Seeschildkröten, der großen Gehege des auf dem Lande lebenden Amblyrhynchus - und der zahlreichen Gruppen der sich auf den Felsen aller Inseln in der Sonne wärmenden marinen Art erinnern, so müssen wir zugeben, daß es wohl keinen anderen Teil der Welt gibt, wo diese Ordnung die pflanzenfressenden Säugetiere in einer so außerordentlichen Weise vertritt. Wenn der Geologe dies hört, wendet er sich wahrscheinlich in seiner Erinnerung zurück zu den sekundären Perioden, wo Eidechsen, einige pflanzenfressend, manche fleischfressend und von Dimensionen, die sie nur mit unseren jetzt existierenden Walen vergleichen lassen, auf dem Land und im Meer schwärmten. Es ist daher wohl seiner Beachtung wert, daß dieser Archipel, statt ein feuchtes Klima und eine üppige Vegetation zu besitzen, nicht anders denn als äußerst dürr und, für eine Äquatorialgegend, merkwürdig gemäßigt betrachtet werden kann.
Ich will nun aber den zoologischen Bericht beenden: Die fünfzehn Arten Seefische, welche ich hier bekam, sind sämtlich neue Arten; sie gehören zu zwölf weit verbreiteten Gattungen. Von Landschnecken sammelte ich sechzehn Arten, von denen alle, mit Ausnahme einer auf Tahiti gefundenen Art, diesem Archipel eigentümlich sind; eine einzige Süßwasserschnecke gehört noch Tahiti und Vandiemensland an.
Ich habe mir große Mühe mit dem Sammeln der Insekten gegeben, aber mit Ausnahme des Feuerlandes habe ich noch niemals ein in dieser Hinsicht so armes Land gesehen. Selbst in der oberen und feuchten Region habe ich nur sehr wenig erhalten. Von Käfern sammelte ich fünfundzwanzig Spezies. Mit Ausnahme einer holzfressenden Apate und eines oder wahrscheinlich zweier Wasserkäfer vom amerikanischen Kontinent sind sämtliche Spezies dem Anschein nach neu.
Die Botanik dieser Inselgruppe ist so interessant als ihre Zoologie. An Blütenpflanzen gibt es dort, soviel bis jetzt bekannt ist, 185 Spezies, von kryptogamen Pflanzen 40, was zusammen 225 Arten ergibt; von dieser Zahl war ich glücklich genug, 193 nach Hause zu bringen. Von den Blütenpflanzen sind 100 Spezies neu und wahrscheinlich auf diesen Archipel beschränkt.
Meiner Ansicht nach ist es überraschend, daß nicht mehr amerikanische Arten auf natürlichem Weg eingeführt worden sind, wenn man in Betracht zieht, daß die Entfernung von dem Kontinent nur zwischen 500 und 600 Meilen beträgt und daß Treibholz, Bambus, Schilf und die Nüsse einer Palme häufig an den südöstlichen Küsten an Land geworfen werden. Der Umstand, daß von 185 Blütenpflanzen 100 Arten neu sind, reicht meiner Meinung nach hin, aus dem Galapagos-Archipel eine besondere botanische Provinz zu bilden.
Noch habe ich den allermerkwürdigsten Zug der Naturgeschichte dieses Archipels nicht erwähnt; er besteht darin, daß von den verschiedenen Inseln in einer beträchtlichen Ausdehnung jede von einer verschiedenen Gruppe von Geschöpfen bewohnt wird. Meine Aufmerksamkeit wurde dadurch zuerst auf diese Tatsache gelenkt, daß der Vize-Gouverneur Lawson erklärte, die Schildkröten von den verschiedenen Inseln seien untereinander verschieden, und er könne mit Sicherheit sagen, von welcher Insel irgendeine hergebracht sei. Eine Zeitlang schenkte ich dieser Angabe nicht hinreichende Aufmerksamkeit, und ich hatte bereits zum Teil die Sammlungen von zwei der Inseln untereinander vermengt. Es wäre mir doch nicht im Traum eingefallen, daß ungefähr fünfzig oder sechzig Meilen voneinander entfernt liegende Inseln, aus genau denselben Gesteinen bestehend, in einem ganz ähnlichen Klima gelegen und nahezu zu derselben Höhe sich erhebend, verschiedene Bewohner haben sollten; wir werden aber sofort sehen, daß dies der Fall ist.
Die Bewohner der Inseln geben, wie ich gesagt habe, an, daß sie die Schildkröten von den verschiedenen Inseln unterscheiden können und daß die Tiere nicht bloß der Größe nach, sondern auch in anderen Punkten voneinander abweichen. Kapitän Porter hat die von der Charles-Insel und von der dieser nächstgelegenen, nämlich der Hood-Insel, beschrieben und erwähnt, daß ihre Schalen vorn dick und wie ein spanischer Sattel aufgebogen seien, während die Schildkröten von der James-Insel runder, schwärzer und, wenn gekocht, von besserem Geschmack seien. Die Exemplare, welche ich von drei Inseln mitbrachte, waren junge Tiere, und wahrscheinlich infolge dieses Umstandes konnte weder Mr. Gray noch ich selbst irgendwelche spezifische Unterschiede an ihnen finden. Ich habe bemerkt, daß die marine Art von Amblyrhynchus auf der Albemarle-Insel größer war als irgendwo anders; Mr. Bibron teilte mir mit, daß er zwei verschiedene wasserbewohnende Spezies dieser Gattung gesehen habe, so daß die verschiedenen Inseln wahrscheinlich ebensogut ihre repräsentativen Arten oder Rassen von Amblyrhynchus haben wie von der Schildkröte. Meine Aufmerksamkeit wurde zuerst auf das lebhafteste angeregt, als ich die zahlreichen von mir selbst wie von mehreren andern Gesellschaften an Bord geschossenen Exemplare der Spottdrosseln miteinander verglich, wobei sich zu meinem größten Erstaunen herausstellte, daß alle die von der Charles-Insel zu einer Spezies (Mimus trifasciatus), alle die von der Albemarle-Insel zu Mimus parvulus und alle die von der James- und Chatham-Insel (zwischen welchen als verbindende Glieder zwei andere Inseln liegen) zu M. melanotis gehörten.
Wenn wir uns der Flora zuwenden, so werden wir auch die Pflanzen der verschiedenen Inseln verschieden finden.
Wir haben hier die wahrhaft wunderbare Tatsache vor uns, daß auf der James-Insel von den dort gefundenen achtunddreißig Galapagos-Pflanzen oder solchen, die auf keinem anderen Fleck der Erde gefunden werden, dreißig ausschließlich auf diese eine Insel beschränkt sind, daß von den auf der Albemarle-Insel gefundenen sechsundzwanzig einheimischen Galapagos-Pflanzen zweiundzwanzig auf diese eine Insel beschränkt sind, d. h. man kennt bis jetzt nur vier, die noch auf ändern Teilen des Archipels vorkommen.
Die Verbreitung der Bewohner dieses Archipels würde auch nicht annähernd so wunderbar sein, wenn beispielsweise die eine Insel eine Spottdrossel und eine zweite Insel irgendeine andere, davon ganz verschiedene Gattung hätte; wenn die eine Insel ihre besondere Gattung von Eidechsen hätte und eine zweite eine andere verschiedene Gattung oder keine; oder wenn die verschiedenen Inseln nicht von repräsentativen Spezies der nämlichen Gattungen von Pflanzen, sondern von ganz und gar verschiedenen Gattungen bewohnt würden, wie es auch in einer gewissen Ausdehnung der Fall ist; denn, um ein Beispiel anzuführen, ein großer beerentragender Baum der James-Insel hat auf der Charles-Insel keine repräsentative Art. Das, was mich mit Verwunderung erfüllt, ist gerade der Umstand, daß mehrere der Inseln ihre eigenen Spezies von Schildkröte, Spottdrossel, Finken und zahlreichen Pflanzen besitzen, während doch diese Arten dieselben allgemeinen Lebensgewohnheiten haben, analoge Örtlichkeiten bewohnen und ganz offenbar dieselben Stellen im Naturhaushalt des Archipels ausfüllen. Ich habe vorhin gesagt, daß die meisten Inseln in Sichtweite voneinander liegen: Ich will noch einzeln anführen, daß die Charles-Insel fünfzig Meilen vom nächsten Teil der Chatham-Insel und dreiunddreißig Meilen vom nächsten Punkt der Albemarle-Insel entfernt liegt. Die Chatham-Insel ist sechzig Meilen weit vom nächsten Teil der James-Insel, zwischen beiden liegen aber zwei kleine Inseln, welche ich nicht besucht habe. Die James-Insel ist nur zehn Meilen vom nächsten Punkt der Albemarle-Insel entfernt; die beiden Punkte aber, wo die Sammlungen veranstaltet wurden, liegen zweiunddreißig Meilen auseinander. Ich muß wiederholen, daß weder die Natur des Bodens noch die Erhebung des Landes, noch der allgemeine Charakter der vergesellschafteten Lebewesen, daher auch ebensowenig ihre Einwirkung aufeinander, auf den verschiedenen Inseln sehr verschieden sein können. Wenn es irgendeine bemerkbare Differenz im Klima gibt, so muß sie zwischen dem Klima der windwärts gelegenen Inseln (nämlich die Charles- und Chatham-Insel) und dem Klima der vom Winde abgelegenen bestehen; es scheint aber keine Verschiedenheit in den Naturerzeugnissen dieser beiden Hälften des Archipels zu existieren.
Überblickt man die hier mitgeteilten Tatsachen, so ist man über den Betrag an schöpferischer Kraft, wenn ein derartiger Ausdruck gestattet ist, erstaunt, der sich auf diesen kleinen, nackten und felsigen Inseln entfaltet hat: und noch mehr über deren verschiedenartige, aber analoge Wirkung auf so nahe beieinander gelegenen Punkten. Ich habe oben gesagt, daß der Galapagos-Archipel ein Amerika angehängter Satellit genannt werden könnte; man sollte ihn aber lieber eine Satelliten-Gruppe nennen, deren einzelne Glieder physikalisch einander ähnlich, organisch verschieden, aber aufs innigste miteinander und in einem ausgesprochenen, wenn schon viel geringeren Grade mit dem großen amerikanischen Kontinent verwandt sind.
Darwin, Charles
Reise eines Naturforschers um die Welt
Stuttgart 1875
Nachdruck 1986