1767 - Louis-Antoine de Bougainville
Die Schätze Brasiliens
Rio de Janeiro
Rio de Janeiro ist der Stapelplatz aller Reichtümer und Waren, die Brasilien liefert. Die so genannten Hauptminen liegen einige 30 Meilen vor der Stadt und sind die nächsten. Der König bekommt den fünften Teil der Ausbeute, welcher jährlich zum wenigsten 112 Aroben Gold zu je 25 Pfund beträgt. Im Jahre 1762 belief er sich auf 119 Aroben. Zu den Hauptminen gehören die am Rio morto, zu Sabara und Sero frio. Aus der letzteren kommt nicht nur Gold, sondern kommen auch die Diamanten, welche Brasilien liefert. Sie finden sich in einem Fluss unter Kieselsteinen, den man deswegen ableitet; sie werden gesucht und von den Topasen, Chrysolithen und anderen geringeren Steinen abgesondert.
Alle diese Steine, die Diamanten ausgenommen, sind nicht Konterbande, sondern gehören den Interessenten [Unternehmern], welche richtige Rechnung von den gefundenen Diamanten ablegen und sie deshalb dem von dem König zu diesem Zweck eingesetzten Aufseher abliefern müssen. Der Aufseher legt sie gleich in einen mit Eisen beschlagenen und mit dreifachen Schlössern versehenen Kasten. Er hat einen Schlüssel dazu, der Vizekönig den anderen und der Provador de l’Hazienda Reale den dritten. Dieser Kasten wird in einen anderen gesetzt, welche die drei Personen versiegeln, nachdem zuvor die drei Schlüssel hineingelegt worden sind. Der Vizekönig darf nicht untersuchen, was darin liegt, sondern packt ihn noch in einen dritten, den er versiegelt nach Lissabon schickt. Hier wird er in Gegenwart des Königs geöffnet, welcher die Diamanten, die er behalten will, aussucht und den Wert an die Interessenten nach der zwischen beiden Teilen vertraglich festgesetzten Taxe bezahlt.
Die Interessenten geben dem König für jeden Sklaven, welcher Diamanten suchen muss, täglich ungefähr einen spanischen Piaster. Die Anzahl dieser Sklaven beläuft sich gegen 800. Unter allen Arten von Schleichhandel wird der mit Diamanten am strengsten bestraft. Ist derjenige, welcher dabei ertappt wird, arm, so kostet es ihm das Leben, hat er aber soviel, wie die darauf gesetzte Strafe beträgt, so verliert er nicht nur die Diamanten, sondern muss überdies ihren Wert doppelt erlegen, ein Jahr im Gefängnis sitzen und wird nachgehends auf Lebenszeit an die afrikanische Küste ins Elend wandern. Dessen ungeachtet wird ein starker Unterschleif mit den schönsten Diamanten gemacht, weil sie so klein sind und sich leicht verbergen lassen.
Das Gold darf aus den Bergwerken nicht eher nach Rio Janeiro gebracht werden als bis in den königlichen Schmelzhäusern, welche in jedem Distrikt angelegt sind, die gehörigen Abgaben dafür entrichtet sind. Was davon den Privatpersonen gehört, wird ihnen in Barren nach dem Gewicht zurück geliefert. Die Barren sind nummeriert und mit dem königlichen Wappen gezeichnet. Alles Gold wird von einer dafür bestimmten Person probiert, und auf jeden Barren der Feingehalt geprägt, damit man, wenn sie in die Münze geliefert werden, sogleich den Zusatz bestimmen kann.
Die Barren, welche den Privatpersonen gehören, werden in dem Kontor zu Praybuna, 15 Meilen von Rio Janeiro entfernt, eingeschrieben, wo ein Offizier mit 50 Mann zur Bedeckung liegt. Hier entrichtet man die Abgaben des fünften Teils und das Passagegeld, welches für jeden Menschen, jedes Stück Rindvieh oder Esel anderthalb Realen beträgt. Die Hälfte gehört dem König, und die andere Hälfte wird unter die Besatzung im Verhältnis ihres Ranges verteilt. Weil man nicht anders aus den Goldbergwerken zurück kann, so wird man hier mit der äußersten Strenge visitiert.
Die Privatinteressenten der Bergwerke müssen all ihr Gold in die Münze zu Rio Janeiro liefern, wo man ihnen den Wert dafür in Geld gibt; dies sind gemeiniglich halbe Dublonen, welche für acht spanische Piaster gelten. Auf jedes Stück gewinnt der König durch den Zusatz und Schlageschatz einen Piaster. Die Münze zu Rio Janeiro ist eine der schönsten in der Welt. Sie so angelegt und mit allen Maschinen versehen, dass die erforderliche Arbeit sehr geschwinde vonstatten geht. Das Gold wird hier zu eben der Zeit hergebracht, da die Flotten aus Portugal anlangen; daher muss mit der größten Geschwindigkeit gearbeitet werden, um das Gold wieder aus der Münze auf die Schiffe zu schaffen.
Die beständige Ankunft dieser Flotten, insonderheit der Flotte von Lissabon, macht den Handel von Rio Janeiro sehr blühen, denn die Flotte von Porto bringt nur Wein, Branntwein, Essig, allerlei Esswaren und grobe Leinwand, welche in dieser Stadt und in der umliegenden Gegend fabriziert wird. Nach Ankunft dieser Flotten werden alle Waren gleich ins Zollhaus gebracht, wo der König zehn Prozent erhält. Weil jetzt aller Handel zwischen der Kolonie des heiligen Sakraments und Buenos Aires streng verboten ist, sind die königlichen Einkünfte um ein großes gefallen. Fast alle kostbaren Waren wurden nach dieser Kolonie geschickt, wo sie durch Schleichhandel über Buenos Aires nach Chili und Peru eingeführt wurden. Dieser Schleichhandel brachte den Portugiesen jährlich über anderthalb Millionen Piaster ein. Die Bergwerke in Brasilien liefern nichts als Gold; alles Silber, was die Portugiesen haben, gewinnen sie durch diesen verbotenen Handel. Der Sklavenhandel war ihnen gleichfalls von erstaunlicher Wichtigkeit. Man kann den Verlust nicht eigentlich angeben, den ihnen die Unterdrückung dieses starken Handelszweiges verursacht hat. Wenigstens wurden 30 Ladungen von einem Ort zum anderen, von der brasilianischen Küste bis an den Rio de la Plata geschafft.
Außer den zehn Prozent, welche man im königlichen Zollhaus entrichten muss, sind noch zweieinhalb Prozent unter dem Namen eines freiwilligen Beitrags seit dem Unglück [Erdbeben] von Lissabon im Jahre 1755 auf alle Waren gelegt worden. Man muss sie gleich vor Verabfolgung der Waren aus dem Zollhaus erlegen, während man denen, die hinlängliche Kaution stellen, wegen der ersten zehn Prozent sechs Monate Zeit gibt.
Die Goldbergwerke von Sao Paulo und Parnagua liefern dem König insgemein alle Jahre als fünften Teil vier Aroben. Die entlegensten Goldminen zu Pracaton und Quiaba stehen unter dem Kapitanat von Matogrosso. Deren Fünftel wird nicht zu Rio Janeiro entrichtet, dafür aber das von den Minen zu Goyas. In diesem Kapitanat gibt es auch Diamantminen; es ist aber verboten, darin zu arbeiten.
Alle Kosten, welche der König von Portugal in Rio Janeiro aufwendet, sowohl für die Bezahlung der Truppen und Zivilbedienten als auch für die Unterhaltung der Bergwerke und öffentlichen Gebäude und für die Ausbesserung der Schiffe, beläuft sich ungefähr auf 600.000 Piaster. Die neuen Linienschiffe und Fregatten, welche man seit einiger Zeit hier zu bauen angefangen hat, sind in dieser Summe mit einbegriffen.
Verzeichnis der königlichen Einkünfte zu Rio Janeiro in normalen Jahren:
150 Aroben Goldes, welche der König insgemein jährlich von seinem fünften Anteil an den Goldbergwerken erhält, betragen in spanischen Piastern: 1.125.000
Abgabe von den Diamanten: 240.000
Münzrecht: 400.000
10 Prozent Zoll: 350.000
2,5 Prozent als freiwillige Abgabe: 87.000
Passagegeld, Verkauf der Stellen, Ämter undüberhaupt all dessen, was aus den Bergwerken kommt: 225.000
Abgabe auf die Negersklaven: 110.000
Abgabe auf Fischöl, Salz, Seife und der Zehnte von den Landesprodukten: 130.000
Summe Piaster: 2.667.000
Folglich hat der König nach Abzug der oben genannten Unkosten von 600.000 Piastern noch über zwei Millionen reiner Einkünfte aus Rio de Janeiro, das sind mehr als zehn Millionen Livres.
Bougainville, Louis-Antoine de
Reise um die Welt …
Leipzig 1783