1867 - Carl Mauch
Die Ruinen von Zimbabwe
Das schönste Resultat aller meiner Reisen, auf welches allein ich einigermaßen stolz zu sein mir erlaube, ist die Entdeckung der Ruinen von Zimbabye. Als ich im Jahre 1867 zum ersten Mal von Ruinen sprechen hörte, von fabelhaften Gebäuden, entschloss ich mich auch, dieselben aufzusuchen. Im Jahre 1868 wurde mir am Limpopo sogar die ungefähre Lage derselben von einem Eingeborenen bezeichnet, allein mehrere Versuche, dahin zu gelangen, scheiterten, bis mir endlich am 5. September 1871 das Glück zuteil wurde, es als der erste Weiße zu sehen. Ich beabsichtige nun nicht, die Bemühungen zu schildern, denen ich mich unterzogen, die Gefahren, die ich dabei zu bestehen, die List, die ich anzuwenden hatte, sondern ich will nur die Ruinen kurz beschreiben und wiedergeben, was mir von Eingeborenen darüber erzählt worden ist.
Zimbabye liegt fast genau westlich von der portugiesischen Station Sofala oder Sofara (Zophara), ziemlich genau 41 deutsche Meilen [310 km] entfernt, und weist zwei Hauptreste auf. Der eine befindet sich auf der Spitze eines etwa 400 Fuß hohen isolierten Granithügels, der andere südlich davon, etwa 1/2 englische Meile [800 m] vom Hügel entfernt und durch ein versandetes Tälchen geschieden. Eine nur etwa 4 Fuß hohe, teilweise zerstörte, teilweise bedeckte Ringmauer zieht sich in einiger Entfernung von dem südlich gelegenen Hauptteil um den westlichen Fuß des Berges, dürfte aber wohl um den ganzen Hügel herum bestanden haben. Bei der Bergruine ist es vor allem die Außenmauer, welche offenbar dem Befestigungszwecke entsprach, denn sie ist mit Kühnheit gerade auf die abgerundete Kante einer 300 Fuß langen und 60 Fuß hohen Felsmasse erbaut. Sie verläuft in gerader Linie von Osten nach Westen und hat bei einer Länge von beiläufig 120 Fuß eine von unten nach oben abnehmende Dicke von 12 zu 6 Fuß, ihre Höhe beträgt 30 Fuß. Innerhalb derselben ist durch weniger dicke Mauern ein viereckig-länglicher Kaum eingeschlossen, der jedoch an der westlichen Seite bogenförmig begrenzt ist. Hier werden auch an den eingestürzten oberen Teilen die Steinbalken sichtbar, indem, sie mehrere Fuß lang aus der Mitte der Mauern senkrecht und in einer Entfernung von etwa 8 zu 8 Fuß emporragen. Sie scheinen der ohne Mörtel aufgeführten Mauer als innere Stützen, an welche sich die einzelnen Bausteine anlehnten, gedient zu haben, sind aus Glimmerschiefer, der sich holzartig spalten lässt, hergestellt und mögen ihre 15 bis 20 Fuß Länge bei etwa 4 Zoll Durchmesser oder Dicke haben. Ich bemerkte nur einen dieser Steinbalken, auf den mehr Fleiß verwendet worden ist, er hatte einen elliptischen Durchschnitt mit Achsen von 4 Zoll und 2 1/2 Zoll, bestand aus talkigem Glimmerschiefer und hatte auf seiner glatten Außenfläche mehrere ornamentale Zeichnungen eingeschnitten. Die weniger dicken Mauern des inneren Gebäudes sind fast gänzlich eingestürzt, so dass man Mühe hat, über die Haufen loser Trümmer, bewachsen mit ansehnlichen Bäumen, allerlei Gestrüpp und strauchartigen Nesseln, sich den Weg zu bahnen. Von dem inneren Baume, der Spitze des Felsenkopfes zu, führen mehrere bedeckte Gänge wahrscheinlich in Spalten und Klüfte, vielleicht auch in größere unterirdische Räume, die jedoch, offenbar späteren Ursprungs, von Kafferhänden verbaut worden sind. Gerade über der Öffnung eines solchen Ganges entdeckte ich einen dickeren Baumstamm, unbehauen und noch ganz gut erhalten, trotzdem er als Bauholz verwendet worden ist, denn er trägt noch ein bedeutendes Gewicht des über ihm errichteten Mauerteiles. Ferner entdeckte ich am östlichen Ende eine niedrige, nicht tiefe Höhle, von einem großen überhängenden Felsstück gebildet, in ihr lag eine flache, ganz ebenmäßig und rund gearbeitete Schüssel aus einem filzig-schuppigen, grünlich-grauen Talkschiefer, die in zwei ungleiche Stücke zerbrochen war. Der ganze Westabhang des Hügels war mit Trümmern bedeckt, die einen Schluss auf terrassenförmige Anlagen erlauben.
Die andere Ruine in der Ebene, etwa 1/2 Engl. Meile vom Hügel entfernt, stellt ein großes Rondeau aus einer 24 Fuß hohen, an der Basis 12 Fuß, an der Spitze 8 Fuß dicken Mauer dar; auch hier haben Steinbalken zur Festigkeit der Mauer dienen müssen, wie an einigen Stellen zu sehen ist, wo der obere Teil einstürzte. Auf der Seite, welche dem Berge zugekehrt, also gegen Norden gerichtet ist, scheint der einzige Eingang, und zwar nur für eine einzelne Person berechnet, gewesen zu sein, ausgezeichnet durch einen Holzstamm, den ich im ersten Augenblick für Zedernholz nehmen zu müssen glaubte. Im Inneren verlaufen die dünneren Mauern bogenförmig labyrinthartig, die Bäume scheinen jedoch schon öfters als Zufluchtsstätte von verfolgten Eingeborenen benutzt worden zu sein, wie zwei kleine ringförmige Steinlagen ausweisen (häufig zu sehen, wenn einige Ziegen oder Schafe für die Nacht zusammengehalten werden sollen). Der obere Rand, etwa 2 Fuß von der Kante an der südlichen Hälfte der Aussenmauer enthält einige Lagen von Steinen, die schwache Spuren von Sinn für Ornamentik bekunden. Das Merkwürdigste innerhalb des Rondeau, dem erwähnten niedrigen und schmalen Eingang gegenüber und nahe dem südlichen Teile der Mauer, ist ein 30 Fuß hoher, nach oben konisch verlaufender Turm, an dem jedoch der am Fusse aufgehäuften Trümmer wegen kein Eingang wahrzunehmen war. Ich erstieg an einem Bankengewächs seine Spitze, welche noch 8 Fuß Durchmesser zeigte, und nahm einige Lagen der Steine ab, ohne jedoch eine innere Höhlung bemerken zu können. Zwei sich begegnende Mauern erlauben einen schmalen Zugang zu ihm und sind ausgezeichnet durch eine abwechselnde Doppellage von schwarzen Phonolithstücken abgerundeter Form und regelrecht behauenen Granitsteinen.
An dieses Rondeau angebaut, auf der Seite gegen den Berg zu, sind ebenfalls Ruinen großer Gebäude, nach den Regeln der Bindung aufgeführt wie bei den schon erwähnten Mauern, aber alle auf viereckige Gebäude hindeutend.
Weder oben auf dem Berge noch unten in der Ebene konnte ich irgendeine Inschrift bemerken. Nichts zeigte sich, das mir hätte Aufschluss geben können, wem diese rätselhaften Gebäude zuzuschreiben sind. Ich hatte mich deshalb an die Eingeborenen zu wenden, deren Aussagen jedoch lange Zeit keinen Anhaltepunkt boten, im Gegenteil drohte das bedeutende Interesse, das ich dafür an den Tag legte, böses Blut machen zu wollen, so dass ein fernerer Besuch nur im Geheimen unternommen werden konnte. Endlich kam mir zu Ohren, dass ein Mann und nur dieser eine existiere, der mehr als alle anderen um die Ruinen wissen müsse; ich besuchte ihn mit dem früher erwähnten Manne, der als Dolmetscher fungierte, und machte ihn durch Geschenke zutraulich und durch Bier gesprächig. Seine Mitteilungen sind beachtenswert, schon die erste, auf die er kein besonderes Gewicht zu legen schien, brachte Licht in die Sache. Er meinte, man bete auf dem Berge an (pila) und die Ruine in der Ebene werde „das Haus der Grossfrau" (mumba huru, so viel wie Haus der Königin, Palast) genannt. Auf meine weiteren Fragen, zu wem und wie gebetet werde, erzählte er im Wesentlichen Folgendes:
In dem von Zimbabye aus von Gott (mali oder mambo = Vater) bestimmten Zeitraum von 2, 3 oder 4 Jahren versammelt sich nach der Ernte eine große Menge von Menschen, die von allen Seiten mit Vieh herbeikommen, am Fuße des Berges außerhalb der Ringmauer, um ein Fest zu feiern. Ein solches Fest dauert meistens 3 Tage und ist mit einem Opfer verbunden. Zu geeigneter Zeit erscheint der Hohepriester (ich kann ihn wohl nicht besser bezeichnen) mit seinen Gehilfen, nämlich zwei Jungfrauen, zwei jungen Frauen und einem Mann. Schweigend geht er zwischen den Angekommenen hindurch, einen Stab in der Hand, von allen gegrüßt durch Händeklatschen. Er begibt sich sodann auf den Berg, zwei junge Ochsen und eine junge Kuh, alle drei schwarz und fehlerlos, werden nachgeführt. Oben angekommen, wird die Kuh auf zuvor aufgestapeltes Brandholz gelegt, festgebunden und lebendig verbrannt; der eine Ochse wird geschlachtet und an Ort und Stelle verzehrt, der andere aber wieder den Berg hinabgeführt, außerhalb der Ringmauer in ziemlicher Entfernung getötet, sein Fleisch aber den Dieben und Aasgeiern überlassen. Der Hohepriester begibt sich nun allein in die Höhle, wo der Topf (die früher erwähnte Schüssel) sich befindet, schüttet Bier darüber und betet. Er betet, dass Mali die Krankheiten unter den Menschen wegnehmen und die gesunden nicht krank werden lassen möge. Wenn dies vorüber ist, erscheint er wieder, alle fallen auf ihr Angesicht, nieder und rufen: gara huru katsela pasi, d. i. „der Hochthronende hat alles hienieden recht gemacht". Seine Rückkehr aus dem Inneren wird der harrenden Menge angezeigt mittelst Singens und Jubelns, begleitet vom Spiel der tsimbera (Cymbeln), tuli (Pauken), manda (Hörner). Alle sind mehrere Tage fröhlich und ziehen dann wieder nach Hause."
Der Mann, von dem ich diese Auskunft erhielt, ist einer der Söhne des letzten Hohenpriesters Tenga,der vor etwa 30 bis 40 Jahren den Gottesdienst versah, eines Abends aber von seinem Feinde Mangapi überfallen und auf verräterische Weise ermordet worden war, ohne dass seine Söhne vorher erfahren hatten, wo verschiedene Gegenstände, deren man zum Opfern bedurfte, verborgen waren. Dieser Mann, Bebereke mit Namen, hofft zuversichtlich, dass er wieder ins Amt treten werde, und wohnt deshalb in der Nähe, obwohl er sich nicht zu den umwohnenden Stämmen zählt und mit seiner Familie ganz abgesondert wohnt. Auch behauptete er, keine farbigen Tücher oder sonstigen Schmuck tragen zu dürfen, und ich versprach ihm deshalb, nachdem er in der Tat eine blaue Wolldecke, eine weiße mit roten Streifen, rote Perlen und Messing verweigert hatte, schwarzen Stoff zuzusenden. Seinen Sohn Mudsuru gab er mir mit in der Absicht, dass ich ihn mit in mein Land nehme, damit er daselbst das Opfern erlerne. Er (der Sohn) begleitete mich bis nach Sena, wo ich ihm leider gestehen musste, dass ich ihn zurücklassen müsse, da für mich gar keine Zeile aus Europa angelangt sei. Weinend, denn er war mir der treueste, aufmerksamste und gelehrigste Begleiter geworden, musste er sich seiner Hoffnung entschlagen und den Rückweg antreten. Ich durfte es nicht wagen, ihn auf eigene Faust und eigene Kosten nach Europa mitzunehmen.
Die Ähnlichkeit dieser Opfer mit jenen vom Israelitischen Kult vorgeschriebenen ist eine unverkennbare. Die Grundzüge sind deutlich vorhanden, wenn auch das Detail vieles zu wünschen übrig lässt. Darauf gestützt glaube ich nicht zu irren, wenn ich annehme, dass die Ruine auf dem Berge eine Nachbildung des Salomonischen Tempels auf dem Berge Moria, die Ruine in der Ebene eine Nachbildung jenes Palastes ist, worin die Königin von Saba während ihres Besuches bei Salomo wohnte. Es ist wohl zu vermuten, dass die gewöhnlich ins Reich der Mythe versetzte Königin von Saba sich während ihres mehrjährigen Aufenthaltes in Jerusalem zum Judentum bekehrt hat und im Bewusstsein, dass sie alles Material und alle Schätze, wie sie zu den Bauten Salomos verwendet worden waren, in ihrem eigenen Lande im Gebiete des Sabia-Flusses besitze, den Entschluss fasste, mit Hilfe phönizischer Bauleute ähnliche Gebäude aufführen zu lassen. Mit bekannten phönizischen Bauten stimmen sie überdies noch am besten überein, Eingeborene und Araber hätten anders gebaut und die Portugiesen hatten bereits Kunde von deren Existenz als Ruinen. Vielleicht ist der doppelte Riesenbaum, der inmitten des Rondeau steht und der einzige seiner Art in der ganzen Umgegend ist, jene Baumart, die unter dem Namen Almugim oder Algumim bekannt ist und zu Geländern u. dgl. im Tempel verwendet wurde, bei diesen Ruinen aber in den erwähnten Tragebalken über den schmalen Eingängen sich erhalten hat; ich vermochte einige Stücke davon abzuhauen und mit nach Hause zu bringen. Zufällig sah ich in Quelimane ein Harz, das beim Brennen denselben angenehmen Weihrauchgeruch von sich gibt wie dieses entdeckte Holz, es scheint also, dass der Baum am unteren Zambesi noch existiert; das Harz, bis jetzt noch als Geheimnis des Entdeckers gehalten, soll baldigst ein Handelsartikel werden.
Außer diesen Hauptruinen gibt es aber noch viele kleinere im Lande zerstreut, die man mit dem Namen „Altäre" bezeichnen könnte, denn noch jetzt werden von „Gläubigen" Opfer von Ziegen darauf dargebracht.
Ich weiß, dass durch tiefe Studien und energischen Fleiß meisterhafte Abhandlungen von Seiten sehr gelehrter Autoritäten zu Tage gefördert worden sind, nach welchen Ophir teils nach Indien, teils nach Arabien, und wer weiß, wohin sonst noch? verlegt worden ist. Ohne diesen Ansichten nahetreten zu wollen, glaube ich dennoch, auch meine eigene, ohnehin nicht die erste, aber unmaßgebliche Meinung abgeben zu müssen, dass Ophir das heutige Sofala oder Sofara, wie es im Inneren allen bekannt und von allen ausgesprochen wird, ist; es ist der Hafenort, worin die ältesten schifffahrenden Völker ihre heimatlichen Erzeugnisse gegen die Produkte des Inneren eingetauscht haben, worauf ja auch die Aussage des Bebereke deutet, dass viele Güter zu seinen Vorfahren von Osten hergebracht worden seien. Alle Produkte, die wir als solche kennen, welche von Ophir gebracht wurden, sind noch jetzt mit Ausnahme der Pfauenfedern dieselben, welche bei besseren Handelsverbindungen und größerem Aufschwung ausgeführt werden könnten. Auch die Pfauenfedern, wenn wir sie wirklich als solche gelten lassen wollen, sind nicht so befremdend, wenn wir sie in Socotra als Zwischenstation, am Eingang zum Roten Meer, einhandeln lassen, wo ja Produkte eben sowohl von Indien, der Heimat des Pfaues, als von Südost-Afrika sich zusammenfinden konnten; eher jedoch glaube ich, dass es Straußenfedern sein dürften.
Selbst die Tatsache, dass ich nirgends eine Spur von Inschriften bemerken konnte, scheint mir für die Richtigkeit meiner Ansicht zu sprechen, denn nirgends lesen wir, dass Salomo in seinem Tempel irgendwelche schriftliche Charaktere angebracht habe.
Mögen künftige, mit besseren Mitteln ausgerüstete Expeditionen als die meinige dazu beitragen, dass man sich für jene Gegenden mehr interessiert, als es bisher der Fall war; das Land zwischen Limpopo und Zambesi bietet so viel des alten und neuen Wertvollen, dass eine weitere Vernachlässigung auch Ungerechtigkeit wäre. Ich für meinen Teil schätze mich glücklich, dazu berufen gewesen zu sein, gewissermaßen den Vorläufer zu machen, und ich hoffe, dass die Resultate meiner achtjährigen, mit so bescheidenen Mitteln ausgeführten Reisen Anregung geben zu näherer Erforschung des Landes und Verwertung seiner kostbaren Produkte.
Carl Mauchs Reisen im Inneren von Südafrika 1865-72
Petermanns Geographische Mittheilungen, Ergänzungsheft Nr. 37, 1874