Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

1498 - João de Barros
Vasco da Gama in Melindi (Malindi)
Der Lotse nach Indien kommt an Bord
Kenia

Als Vasco da Gama seinen Weg mit den gefangenen Mauren fortsetzte, kam er des andern Tags, am Ostertage, an dem zur Feier des Festes alle Schiffe Flaggen aufgesteckt hatten und ihre Mannschaft große Lustbarkeit feierte, in Melindi an. Hier ließ er dem König sogleich sagen, wer er sei und welchen Weg er mache, und wie nötig er einen Lotsen brauche, und dass dieses die Ursache sei, weshalb er jene Leute gefangen genommen, und er ihn bitte, ihm einen geben zu lassen. Obwohl nun der König vor dem Namen Christ jenen angebornen Abscheu hatte, den alle Mauren davor hegen, so wollte er doch als ein gutmütiger und verständiger Mann, nachdem er diese Botschaft erhalten und von diesen Mauren erfahren, wie sich die Unsern gegen sie benommen, und dass sie ihm in Kriegssachen sehr mutige und im Umgange milde, gute und liebreiche Leute schienen (nach der guten Behandlung, die sie ihm seit seiner Gefangennehmung angedeihen lassen, zu schließen), die Freundschaft solcher Leute nicht durch ähnliche Taten verlieren, wie die andern Fürsten, durch deren Häfen sie gekommen, getan, und beschloss, sie auf andre Weise zu behandeln, so lang er kein Zeichen bemerkte, das dem Berichte dieses Mauren zuwider wäre. Und er schickte sogleich an den Kapitän und bezeigte ihm mit Worten die Freude, die er über seine Ankunft empfinde, und er möge guten Mutes sein, da er alles, Piloten und Freundschaft, in diesem seinem Hafen finden würde, und zum Zeichen der Sicherheit schicke er ihm diesen goldenen Ring und bitte ihn, er möchte für gut finden, an das Land zu gehen, um mit ihm eine Zusammenkunft zu veranstalten. Darauf erwiderte Vasco da Gama, dem Willen des Königs entsprechend; aber was den Umstand betreffe, dass er wegen einer Zusammenkunft landen solle, könne er solches für den Augenblick nicht tun, da ihm der König, sein Herr, dieses verboten, bis er dem König von Calecut und andern indischen Fürsten seine Botschaft überbracht. Es scheine ihm deshalb, um seine Instruktion nicht zu übertreten, zu dem Zweck, dass sie beide Frieden und Freundschaft schlössen, eine Sache, die ihm der König, sein Herr, besonders empfohlen, keine andere Auskunft besser, als dass er in seinen Booten nah an die Küste fahre und seine königliche Herrlichkeit jene Sambuken besteige, so dass sie sich beide auf dem Meere sprechen könnten, zumal er, um einen so mächtigen Fürsten wie den König von Portugal, dessen Kapitän er sei, zum Freunde zu gewinnen, noch größere Dinge tun müsste. Als sich diese Mauren mit dem, was ihnen Vasco da Gama gesagt und gegeben, erfreut, und mit einigen Geschenken, die sie auch für den König erhielten, entfernt hatten, wirkte die Botschaft und das Geschenk so auf ihn, dass er die Zusammenkunft auf die Art, wie Vasco da Gama vorschlug, bewilligte. Diese Willfährigkeit schrieben jedoch die Unsern mehr dem Walten Gottes als einer andern Ursache zu, da sie, die die Mauren in diesen Breiten immer auf ihre Lande eifersüchtig gefunden, aus keinem andern Grunde herzuleiten wussten, weshalb ein König ohne mehr von ihnen zu wissen, als was ihm der Maure berichtet, und ohne eine Veranlassung dazu zu haben, sich so vertrauensvoll auf die See wagen wollte. Und nachdem sie sich insgesamt über dieses Ereignis und die Art, wie sie sich bei der Zusammenkunft benehmen wollten, besprochen, beschloss Vasco da Gama, dass sein Bruder und Nicolao Coelho zu gutem Ende und so, dass sie bei allem, was immer Noth täte, beispringen könnten, an Bord bleiben, und er sich mit allen Booten und den schmucksten Leuten der Flotte, die ihre Festkleider anlegen und darunter die Waffen verstecken mussten, und mit großer Schaustellung von Flaggen und mit einem Himmel auf dem Boote, an den Ort der Zusammenkunft begeben sollte.
    Diese Anordnung wurde auch, als der bestimmte Tag anbrach, befolgt, indem Vasco da Gama unter dem lauten Schmettern der Trompeten, wozu die lauten Stimmen der Leute trefflich passten, von den Schiffen abstieß. Die Leute aber ermunterten sich einander zur Freude an diesem Feste, weil es an der dritten Osteroctave war, eine Zeit, in der sie hier im Reiche Festlichkeiten und Vergnügungen gewohnt waren, und es ihnen schien, als seien sie bei den Ihren. Wie nun Vasco da Gama in dieser Feierlichkeit daher fuhr, ließ er auf halbem Wege die Ruder aufheben, weil der König seine Sambuke noch nicht bestiegen hatte; dieser kam aber in einem seidenen Palankin, dessen Vorhänge auf der Seite nach der See zurückgezogen waren, nach dem Landungsplatz, und der Palankin war auf eine Trage, auf die Schultern von vier Männern gesetzt und von vielen edlen Leuten umgeben, und die aus dem Volke strömten vor und hinter ihm in Eile herbei, um der Unseren ansichtig zu werden, alle in sehr festlichem Gepränge und mit Instrumenten nach ihrer Weise. Als der König mit einigen angesehenen Personen und Lautenschlägern, die spielten, die Sambuke bestiegen hatte, schiffte sich das übrige Volk, so viel ihrer konnten, auf den andern Barken ein und umringte den König nach allen Seiten, bloß dass sie, wie aus Ehrerbietung, gegen die Unsern zu eine Öffnung ließen. Und das erste Friedenszeichen, das ihm Vasco da Gama, als die Festinstrumente schwiegen, geben ließ, war, dass er die Kriegsinstrumente, nämlich einige Musketons, lösen, und hierauf einen lauten Zuruf geben ließ, worauf unsere Schiffe mit einem desgleichen antworteten und eine Salve abfeuerten. Da nun dieses Getöse für die Ohren jener Leute etwas ganz neues war, so wurden sie dadurch so erschreckt, dass sie sich einander zuriefen, sie wollten sich nach dem Lande zurückziehen. Aber da Vasco da Gama ihre Bestürzung bemerkte, ließ er das Signal geben, diesen Lärm, der sie erschreckte, einzustellen, und darauf näherte er sich der Sambuke des Königs, welcher ihn als ein Mann empfing, in dessen Brust keine böse Absicht schlummerte; und während des ganzen Gesprächs, das sie führten, und das eine gute Weile dauerte, ging alles mit solchem Zutrauen von beiden Seiten vonstatten, als ob sie sich schon seit längerer Zeit kannten. Und nach diesem Gespräch und Verkehr, welchen Vasco da Gama mit dem König pflog, war er so vertrauensvoll und über unsere Freundschaft erfreut, dass er gleich unsere Schiffe besuchen wollte, um die er sämtlich herumruderte; und seinen Besuch zu ehren, ließ ihm Vasco da Gama alle Mauren ausliefern, die er in der Sambuke gefangen und auf jenen Tag der Zusammenkunft zum Geschenke aufbewahrt hatte. Dieses schlug der König sehr hoch an, noch mehr aber, dass ihm Vasco da Gama sagte, wie der König, sein Herr, so viel Geschütz und so viel Schiffe habe, größer als jene, dass er die Meere von Indien bedecken, und dass er ihm mit diesen gegen seine Feinde beistehen könnte, weil er bedachte, mit wie wenig Kosten er auf diese Weise einen mächtigen König für den Fall der Not gewonnen habe. Nachdem ihn Vasco da Gama am Ufer gelassen und Abschied genommen hatte, kehrte er nach den Schiffen zurück und wurde, so lange er dort blieb, immer mit vielen Erfrischungen von ihm bedacht, was Veranlassung war, dass ihn auch einige Mauren aus dem Reich Cambaya besuchten, welche dort in den Schiffen vor Anker lagen, von denen ihm die Mauren, die er in der Sambuke gefangen, gesagt hatten.
    Unter diesen kamen auch gewisse Leute, die sie Banianen nannten, von demselben Heidenvolk des Reiches Cambaya, Leute, die der Sekte des Pythagoras so gläubig anhängen, dass sie selbst das Ungeziefer, das sie auf sich ernähren, nicht töten, und noch weniger Fleisch von einem lebenden Wesen essen. Als diese auf das Schiff des Vasco da Gama kamen, und in seiner Kajüte das Bild der Mutter Gottes auf einem Gemälde sahen, and gewahrten, dass die Unsern ihr Ehrerbietung erzeigten, verrichteten sie mit noch viel größerer Ehrfurcht ihre Andacht davor, und kamen des andern Tages wie Leute, die an dem Anblicke jenes Bildes ihre Freude hatten, sogleich wieder, und opferten ihm Nelken, Pfeffer und andre Gewürzsorten, zu deren Verkauf sie hergekommen waren. Und wenn sie wegen der Aufnahme, die ihnen zuteil geworden, und der Art ihrer Andacht mit den Unsern zufrieden waren, so freuten sich auch diese eben sowohl über ihr Benehmen, indem ihnen dünkte, diese Leute seien das Anzeichen einer Christenheit, die zu den Zeiten des heilgen Thomas in Indien gewesen sein sollte. Unter ihnen kam auch ein Maure, ein Guzarate von Geburt, namens Malemo Cana, welcher eben sowohl wegen des Vergnügens, das er im Verkehr mit den Unsern hatte, als um dem Könige zu gefallen, der einen Lotsen für sie suchte, einwilligte, mit ihnen zu fahren.

Feust, E. (Hg.)
Die Asia des João de Barros
Nürnberg 1844

Reiseliteratur weltweit - Geschichten rund um den Globus. Erlebtes und Überliefertes aus allen Teilen der Welt. Entdecker – Forscher – Abenteurer. Augenzeugenberichte aus drei Jahrtausenden. Die Sammlung wird laufend erweitert – Lesen Sie mal wieder rein!