Reiseliteratur weltweit

Geschichten rund um den Globus

11. Mai 1848 - Johannes Rebmann
Krapf und Rebmann sehen als erste Weiße den Kilimandjaro

Gegen Nordost sahen wir in einer Entfernung von etwa zwei Tagereisen den Berg Ongolia, der schon zum Wakambaland gehört, und ungefähr so hoch ist wie der Bura. Wieder eine halbe Stunde weiter, und wir traten in eine Wüste ein, die wieder mehr mit Gras bewachsen und wo es daher auch beschwerlicher zu gehen war, zumal da wir nicht den geringsten gebahnten Fußpfad hatten. Der gewöhnliche gebahnte Weg, d.h. ein schmaler Fußpfad, denn andere Wege gibt es in diesen Ländern nicht, geht, wie schon erwähnt, über Dafeta.
   Wir sahen diesen Morgen die Berge von Dschagga immer deutlicher, bis ich gegen 10 Uhr den Gipfel von einem derselben, mit einer auffallend weißen Wolke bedeckt, zu sehen glaubte. Mein Führer hieß das Weiße, das ich sah, schlichtweg "Kälte" (beredi); es wurde mit aber eben so klar als gewiß, daß das nichts anderes sein könne als Schnee, welchen Namen ich meinen Leuten sogleich nannte und die Sache zu erklären suchte; sie wollten mir aber nicht recht glauben, ausgenommen mein Führer, der, wie ich nachher erfuhr, auf seiner letzten Reise nach Dschagga, wo er schon wußte, was wir beabsichtigen, auch dorthin zu gehen, und daher für das "Silber" in jenem Lande fürchtete, die Sache untersuchen ließ, indem er gegen eine geringe Belohnung einige Dschaggaleute den Berg hinaufschickte, die ihm des Silbers so viel als möglich bringen sollten, aber dem spekulierenden Suaheli nichts als Wasser zurückbrachten. Alle die sonderbaren Geschichten von einem unzugänglichen, weil von bösen Geistern bewohnten Gold- und Silberberg im Innern, die ich mit Dr. Krapf seit meiner Ankunft an der Küste oftmals gehört hatte, waren mir nun auf einmal klar geworden. Natürlich, daß die ungewohnte Kälte die halb nackten Besucher des Schneegebirges bald zu Rückkehr nötigte, oder wenn sie auf Befehl der despotischen Dschagga-Könige genötigt waren weiter zu gehen, so lange ihr Körper nicht gänzlich erstarrt war, sie wirklich tötete, was dann alles in der Unwissenheit der Eingeborenen den bösen Geistern zugeschrieben wurde. Der Schnee fällt natürlich sehr weit von den Wohnungen.
   Als ich bald nachher unter einem Baum etwas ausruhte, las ich den 111. Psalm in der englischen Bibel, an den ich gerade der Ordnung nach kam. Er machte einen doppelten Eindruck auf mich im Angesicht des herrlichen Schneebergs, besonders der 6. Vers, der so herrlich und klar ausdrückte, was ich nur leise ahnte und fühlte. Gegen Nordwesten sahen wir jetzt wieder einen andern großen Berg in der Nähe von Kikumbuliu, der sich etwa zehn Stunden von Ost nach West erstreckt, und die südliche Grenze des Wakamba-Landes bildet.
   Um Mittag sahen einige meiner Leute, wie schon gestern, einige große Nashörner. Mein kurzes Gesicht [Kurzsichtigkeit] veranlaßte dabei ein großes Geschrei, weil, um sie zu sehen, ich weiter vorwärts ging, während meine Leute mich stille stehen hießen. Sie schienen sehr für mich besorgt zu sein, damit mir nichts Übles widerfahre. Sie gehen immer sogleich auf Bäume zu, wenn sie jene Tiere sehen, vor denen sie sich sehr fürchten. Bald nachher ließen sich auch mehrere Elefanten mit ihren Jungen ganz in unserer Nähe sehen. Mein Führer schoß die Flinte los, um sie fliehen zu machen, sie hatten sich aber schon vorher, obwohl mit sehr langsamen Schritten, aufgemacht, um uns ehrerbietigst aus dem Weg zu gehen. Die Wüste, die hier wieder den Charakter einer bloßen Steppe hat, senkt sich seit einer Stunde allmählich gegen Dschagga im Westen hin, um dann im Kilimandscharo, dem schneegekrönten Berghaupt, nur wieder desto schneller bis hoch über die Wolken emporzusteigen.
   Die ganze Gegend umher in der Mitte zwischen Teita aund Dschagga hatte etwas Großartiges: westlich war der hohe Kilimandscharo mit seinem ewigen Schnee, südwestlich lag der einförmige und plumpe Ugono-Berg, nordwestlich der ausgedehnte Bergzug von Kikumbuliu, und östlich die Ketten der Teita-Berge mit ihrer höchsten Spitze, Veruga genannt, welche (den Kilimandscharo ausgenommen) 4.000 bis 6.000 Fuß über die sie umgebende Ebene emporragen.

Rebmann's erste Reise nach Dschagga
in: Krapf, Johann Ludwig: Reisen in Ost-Afrika in den Jahren 1837-55
2. Band, Kornthal 1858

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