831-1842 - Paul Krüger
Als Junge auf dem Trek
Meine Erinnerungen reichen zurück bis in die Zeit, wo ich als neunjähriger Junge mit meinen Eltern und meinen Oheimen Gert und Theunis Krüger das Land meiner Geburt verließ.
Wir hatten bisher auf der Farm Vaalbank im Distrikte Colesberg in der Kapkolonie gewohnt, wo ich als drittes Kind von Caspar Jan Hendrik Krüger und dessen Ehefrau Elisa, geborene Steijn, Tochter von Douw Steijn von der Farm Bulhoek (hinter dem Zuurberg in der Kapkolonie), am 10. Oktober 1825 zur Welt kam. Meine Eltern waren einfache Bauern, und auf der elterlichen Farm bin ich herangewachsen gleich anderen Bauernjungen, damit beschäftigt, die Herden zu hüten und bei den landwirtschaftlichen Arbeiten an die Hand zu gehen. Abgesehen davon, daß eine alte Frau meiner Mutter gegenüber ihrem Sohne Stefanus Johannes Paulus eine höhere Lebensbahn geweissagt haben solle, weiß ich nicht, was irgendwie hätte ahnen lassen können, daß mit Gott ein besonderes Werk übertragen werde.
Das erste entscheidende Ereignis in meinem Leben war der Auszug aus der Heimat, unser "Trek". Um mich eingehender mit den Gründen der großen Auswanderungen zu beschäftigen, dazu war ich damals noch zu jung. Ich weiß aber, daß meine Eltern erzählten, sie zögen aus und andere folgten ihnen nach, weil ihnen die Engländer zuerst Sklaven verkauft und dann, nachdem die Kaufsummen in englischen Händen waren, diese Sklaven wieder freigemacht und dafür Entschädigungssummen angewiesen hätten, die in England ausbezahlt werden sollten und dort entweder persönlich oder durch einen Agenten in Empfang genommen werden könnten. Die Kosten, die mit dieser Art Auszahlung verbunden waren, waren in vielen Fällen höher als das Kapital, und so verzichteten viele lieber auf den ihnen zukommenden Betrag überhaupt, als daß sie sich die Mühe und den Ärger machten. Sie wollten aber dann auch nicht mehr unter einer solchen ungerechten Herrschaft wohnen. Dazu kam, daß die Kaffern wiederholt in die Kolonie einfielen und den Buren ihr Vieh wegnahmen, und daß nach der Zurückholung dieses Viehes durch die Buren der englische General sämtliche Herden als Kriegsbeute erklärte, von der die englische Regierung erst ihre Kriegskosten abziehen müsse, worauf dann der Rest den ehemaligen Besitzern - die N.B. selbst mitgekämpft hatten, um das Geraubte zurückzubringen - zur Verteilung überlassen werden solle. Die Unzufriedenheit über dieses ungerechte Verhalten griff umso tiefer in das ganze Leben der Buren ein, als jedes Kind von früh an von seinen Eltern ein paar Schafe, Rinder oder Pferde zum persönlichen Besitz bekommt, die es mit besonderer Sorgfalt hütet, und woran sein Herz hängt. Unter den geraubten Tieren befand sich natürlich auch das Eigentum der Kinder, und daß dieses durch Gewohnheit geheiligte Geschenk in so widerrechtlicher Weise weggenommen und zur Deckung von "Kriegskosten" verwendet wurde, brachte viel Erbitterung. So verließen denn auch meine Eltern und ihre Verwandten Haus und Heimat, um hinaus zu gehen in unbekanntes wildes Land, und zogen, im Ganzen etwa 20 Köpfe stark, mit ungefähr 30.000 afrikanischen Schafen und einigen hundert Pferden und Rindern, die sie größtenteils in Tausch für ihre aufgegebenen Güter bekommen hatten, im Mai 1835 über den Oranjefluß. Hier verkaufte mein Vater etwa 3.000 Hammel gegen einen "dikketon" für das Stück an einen Metzger, worauf sich der Zug bis in die Nähe des Caledonflusses fortsetzte und da lagerte. Meine Thätigkeit hier wie auf den weiteren Zügen bestand zumeist darin, das Vieh anzutreiben und beisammen zu halten. Das war die Arbeit, welche die Kinder fast aller Auswanderer zu verrichten hatten, denn die schwarzen Dienstleute waren fast alle in der Kolonie zurückgeblieben, und gerade jetzt, wo der ganze Besitz der Familien in Viehherden bestand, wären ihre Dienste besonders nötig gewesen.
Gleichzeitig mit meinen Eltern zogen auch andere Bürger aus ihrer Heimat aus, und ein Teil von ihnen lagerte ebenfalls am Caledonfluss. Das war aber noch nicht der große Trek. Dieser kam erst im folgenden Jahre (1836) unter Hendrik Potgieter zustande, und mit ihm vereinigten sich die zuerst vereinzelt Ausgewanderten. Gleich nach der Vereinigung wurde eine Versammlung abgehalten, und hier wurden Bestimmungen getroffen, denen sich alle Auswanderer zu unterwerfen hatten, und eine Art von Regierung eingesetzt. Gottes Wort sollte aber höchste Regel und Richtschnur bleiben. Zum Kommandanten -das war die höchste Würde, die es gab - wurde Potgieter gewählt. Die allgemein gültigen Beschlüsse enthielten z.B. die Bestimmung, daß man weder Land noch sonst etwas von den Eingeborenen mit Gewalt nehmen dürfe, und daß keine Sklaverei geduldet werden solle. Nun zog man vereinigt weiter nach dem Vetflusses, den ganzen Freistaat durch, ohne die vielen schwachen Stämme, die da ansässig waren, irgendwie zu berauben. Die Gründe zwischen dem Vet- und dem Valflusse wurden von dem dort herrschenden Kaffernhäuptling gegen Ochsen, Kühe, Rinder u.s.w. eingetauscht …
Nun endlich hatten die Wanderer wieder eine einigermaßen sichere Heimat. Daß das bisherige unruhige Leben viele Schäden im Gefolge hatte, spricht von selbst. An Errichtung von Schulen und Kirchen und an eine stetige feste Regelung der äußeren Verhältnisse war nicht zu denken. Dennoch sorgten die Burenväter und Mütter für eine Erziehung ihrer Kinder, so gut sie sie ihnen geben konnten. Sie wußten, daß sie in einem Land waren, wo ein Nachholen des Versäumten nicht leicht war und ein Zurückbleiben des Nachwuchses den Untergang des Volkstums bedeutete. Darum lehrte jeder Bur seine Kinder lesen und schreiben und unterrichtete sie aus Gottes Wort. Wenn gegessen und gefüttert war, mußten die Kinder, die am Tische saßen, ein Stück aus der Heiligen Schrift lesen, es dann wieder aus dem Gedächtnis hersagen und diesen oder jenen Vers aufschreiben, und das geschah Tag für Tag, wenn es nicht außergewöhnliche Verhältnisse unmöglich machten. So lehrte auch mich mein Vater die biblische Geschichte kennen und unterrichtete mich abends darin. Auch hatte ich, aber doch alles in allem nur ungefähr drei Monate, Unterricht von einem Lehrer Tielman Roos, der nur mit größeren Unterbrechungen sein Amt ausüben konnte. Wenn der Trek an einem "Ausspannplatz" eine Zeit lang rastete, dann wurde aus Schilf und Gras eine kleine Hütte gebaut, das war die Schulstube für die Kinder der Trekker. So war es auf dem ganzen Wege bis zu den Magaliesbergen, wo mein Vater sich endlich dauernd niederließ.
Als ich 16 Jahre alt war, hatte ich das Recht, mir gleich den anderen selbständigen Gliedern unserer Gesellschaft zwei Farmen auszusuchen, eine als Weideplatz und eine zur Bestellung mit Frucht. Ich wohnte auf Waterkloof und holte mir hierhin noch im Jahre 1842 aus dem Lande südlich des Vaal Jungfrau Maria du Plessis als Ehefrau. Die Hochzeit fand im Dorf Potchefstroom statt, das damals im Aufblühen war.
A. Schowalter (Hg.)
Lebenserinnerungen des Präsidenten Krüger, von ihm selbst erzählt
Nach Aufzeichnungen von H.C. Bredell, Privatsekretär des Präsidenten Krüger, und Piet Grobler, gew. Unterstaatssekretär der Süd-Afrikanischen Republik
München 1902